Zinn – das unterschätzte Metall

Zinn – das unterschätzte Metall
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Die International Tin Association (ITA) nennt Zinn ein vergessenes Metall. Ich würde eher sagen: Zinn ist ein noch unentdecktes Metall für Anleger. Denn Zinn ist nicht mehr nur das Metall aus dem man Zinnsoldaten und Dosen macht. Zinn ist eines der wichtigsten Metalle für die grüne Technologierevolution.

Solarzellen werden mit so genanntem „Solarband“, einem mit Lot beschichteten Kupferband, miteinander verbunden. Hierfür benötigt man auch Zinn. Deshalb schätzt die ITA zum Beispiel das Wachstum des Zinnverbrauchs in der Solarindustrie um 14 % auf 55.000 pro Jahr bis 2030.

Zinn wird auch in elektrischen Kupferverbindungen und in der Leistungselektronik verwendet. Elektrofahrzeuge sind deshalb ein weiterer Faktor für eine steigende Zinnnachfrage. Schon jetzt verbraucht die globale Automobilindustrie rund 30.000 Tonnen Zinn pro Jahr. Tendenz massiv steigend.

Es gibt nur wenige andere Metalle mit niedrigem Schmelzpunkt, die mit Kupferoberflächen reagieren und abkühlen können, um Verbindungen mit genau der richtigen Festigkeit, Duktilität und Leitfähigkeit zu bilden. Das können nur Zinnlegierungen und deshalb sind sie der wichtigste Rohstoff für Lötverbindungen in der Halbleiterindustrie. Die Anzahl elektronischer Bauteile und verzinnter elektrischer Steckverbinder nimmt weltweit zu. Auch Leistungselektroniksysteme und Ladestationen fördern den Löteinsatz und damit den Zinnverbrauch.

Alles in allem geht die ITA davon aus, dass die grüne technologische Revolution mindestens weitere 50.000 Tonnen Zinn pro Jahr benötigt und schätzt den Anstieg der globalen Nachfrage von derzeit 450.000 Tonnen auf 500.000 Tonnen pro Jahr bis 2030.

Doch die Anleger übersehen Zinn aktuell sträflich

Quelle: www.aktienscreener.com

2022 war ein schwaches Rezessionsjahr

Der Grund für die schwache Preisentwicklung im vergangenen Jahr 2022 nach der fulminanten Erholung in 2021 war die globale Konjunkturabkühlung. So sanken zum Beispiel die Umsätze in der Halbleiterindustrie um 18,5 %. Diese gilt aber als ein Indikator für den Zinnverbrauch im überaus wichtigen Lötsektor. Aufgrund des Nachfrageeinbruchs konnten viele der zuvor massiv leeren Lagerbestände wieder besser gefüllt werden.

Doch die Angebotsseite hat massive Probleme

Die Lagerbestände wären allerdings besser gefüllt, wenn nicht auch das Zinnangebot 2022 ein problematisches Jahr gehabt hätte. So stieg die weltweite raffinierte Produktion nur um 0,3 % auf 380.400 Tonnen.

Und die Lieferprobleme ziehen sich bis ins Jahr 2023 hinein. Proteste in Peru zwangen den lokalen Produzenten Minsur dazu, den Bergbaubetrieb für mehrere Wochen einzustellen und wirken sich nun auf den bolivianischen Produzenten Vinto aus. Vinto, der achtgrößte Zinnproduzent der Welt, erklärte am 7. März höhere Gewalt bei Lieferungen an Kunden und verwies auf Verzögerungen bei peruanischen Kohlelieferungen und Finanzierungsproblemen.

Die indonesischen Exporte brachen im Januar und Februar im Vergleich zum Vorjahr um 41 % auf 4.724 Tonnen ein. Die Lieferunterbrechung des weltgrößten Exporteurs von raffiniertem Zinn zu Beginn des Jahres hat mit der Vergabe neuer Exportlizenzen zu tun.

Doch die Unsicherheit in Bezug auf die indonesische Produktion bleibt groß, da die indonesische Regierung ein Exportverbot für Rohzinn plant. Indonesien hofft, damit den Erfolg seines Exportverbots für Rohnickel wiederholen zu können, der zu einem massiven Ausbau der inländischen Nickelverarbeitung geführt hat.

Das Problem bei Zinn ist, dass das Land aktuell nur etwa 5 % seiner Rohzinnproduktion überhaupt verarbeiten kann. Eine schrittweise Umsetzung des Exportverbots ist deshalb zwar eher wahrscheinlich, aber im Hintergrund lauert die Gefahr einer ernsthafteren Störung der weltweiten Zinnströme.

China hortet und der Westen wird teurer einkaufen müssen

Die niedrigen Preise des vergangenen Jahres wurden – wie gesagt – sowohl im Westen als auch im Osten für Käufe und den Aufbau von Lagerbeständen genutzt. Den Unterschied machen nur die Dimensionen. Während die Zinn-Lagerbestände an der LME im vergangenen Jahr auf 5.000 Tonnen aufgestockt wurden, stiegen Chinas Zinnimporte von 3.500 Tonnen in 2021 auf sage und schreibe 24.300 Tonnen in 2022. Die gesamten Überschüsse des vergangenen Jahres konzentrieren sich also in China.

Wie 2023 wird zeigt sich nun an der Lagerbestandsentwicklung der LME. Dort sind die Zinnvorräte inzwischen auf 2.480 Tonnen gesunken.

Diese Ungleichheit kann zum aktuellen Preislevel nicht ewig Bestand haben. Angesichts der Probleme auf der Angebotsseite dürfte außerhalb von China bald nicht mehr genügend Angebot vorhanden sein. Dann muss sich zeigen, zu welchem Preis China wieder verkauft. Ich schätze, der dürfte deutlich höher sein als aktuell.

Fazit: Zinnpreis muss weiter steigen

Angesichts der aktuellen fundamentalen Ausgangslage gehe ich davon aus, dass die Zinnpreise weiter steigen werden. Und bis 2030 wird noch viel mehr Zinn benötigt, um die Nachfrage zu decken. Schließlich schätzt die ITA, dass der Sektor Investitionen in Höhe von 1 Milliarde US-Dollar benötigen wird, um die Jahresproduktion bis dahin um 50.000 Tonnen zu steigern. Zinn bleibt damit eines der spannendsten Metalle kurz-, mittel-, und langfristig.