Warum es beim Wasserstoff auf die Farbe ankommt
Das Bundesland Niedersachsen gilt als Pionier beim umweltfreundlichen Bahnverkehr, denn dort rollen die ersten mit Wasserstoff betriebene Züge der Welt. Aber vielleicht haben Sie es in den Nachrichten gelesen: Aktuell rollen diese Züge nicht, sondern sie stehen. Denn es fehlt derzeit an Wasserstoff. Auslöser für den kurzfristigen Engpass ist ein Brand auf dem Werksgelände des Wasserstoff-Herstellers Linde im Chemieparkt Leuna.
Für Investoren ist der Mangel allerdings nicht durchweg schlecht. Zeigt er doch, dass sich mit Produktion, Speicherung, Transport und Einsatz des begehrten Energieträgers Geld verdienen lässt. Begehrt ist Wasserstoff deshalb, weil bei seiner Oxidation enorme Energiemengen freigesetzt werden. Energie, die sich nutzen lässt und bei der als Emission lediglich harmloses Wasser entsteht.
Aber wie nachhaltig ist der Energieträger Wasserstoff? Um das zu verstehen, müssen Sie sich die Farbe ansehen, die dem eigentlich farblosen Gas zugeschrieben wird. Sie verrät, wie umweltfreundlich Wasserstoff produziert wird.
Grüner Wasserstoff: klimaneutral und wünschenswert
Das Ziel aller Wasserstoff-Bemühungen besteht darin, grünen Wasserstoff zu erzeugen. Einfach gesagt, wird hier Wasser (H2O) durch Elektrolyse in seine beiden chemischen Bestandteile Wasserstoff (H) und Sauerstoff (O) gespalten. Nötig dafür ist elektrischer Strom.
Kommt dieser Strom aus Photovoltaik- oder Windkraftanlagen, ist die Produktion klimaneutral. Doch leider wird so derzeit noch längst nicht genug Wasserstoff erzeugt. Es fehlt an den dazu nötigen Anlagen und an der Infrastruktur für die flächendeckende Nutzung. Eine ganze Reihe von Unternehmen arbeitet aber schon fieberhaft an Lösungen.
Blauer, türkisfarbener und grauer Wasserstoff: als Übergangslösung gedacht
Aktuell werden bereits viele industrielle Prozesse auf den Energieträger Wasserstoff umgestellt. Es ist aber noch nicht genug grüner Wasserstoff da. Deshalb wird übergangsweise auch blauer Wasserstoff produziert. Als Ausgangsstoff dient Erdgas.
Ein Verfahren zur Wasserstoffgewinnung heißt Dampfreformierung: Mithilfe von elektrischem Strom wird das Erdgas aufgespalten in Wasserstoff (erwünscht) und Kohlendioxid (unerwünscht). Bei der Produktion von 1 Tonne Wasserstoff entstehen 10 Tonnen CO2. Landet dieses CO2 in der Atmosphäre, ist von grauem Wasserstoff die Rede. Dasselbe gilt, wenn der benötigte Strom aus dem allgemeinen Stromnetz, sprich aus einem Energiemix aus fossilen, erneuerbaren und auch nuklearen Quellen stammt.
Kommt der Strom jedoch aus regenerativen Quellen und wird das CO2 in unterirdische Speichergesteine gepresst, ist von blauem Wasserstoff die Rede. Das gilt als klimaschonender, wenngleich von Klimaneutralität noch nicht die Rede sein kann.
Ein Bestandteil von Erdgas ist Methan (CH4). Durch Pyrolyse, also einem Verbrennungsprozess, lässt es sich in festen (oder gebundenen) Kohlenstoff und Wasserstoff aufspalten. Das Verfahren ist wegen des Ausgangsstoffs nicht komplett klimaneutral, aber nachhaltiger als bei blauem oder grauem Wasserstoff.
Rot und orange: Eine Frage der Stromquelle
Von rotem (manchmal auch violettem) Wasserstoff ist die Rede, wenn die Wasseraufspaltung via Elektrolyse von Atomstrom gespeist wird. Atomkraft gilt als klimafreundlich, ist aber aufgrund der radioaktiven Abfälle trotzdem unter Nachhaltigkeits-Gesichtspunkten umstritten.
Bei orangefarbenem Wasserstoff wird Strom aus Müllheizkraftwerken verwendet, ebenfalls per Elektrolyse. Die Verbrennung von Müll wird als Kompromiss angesehen, ähnlich wie die Nutzung von Kohle- oder Atomstrom.