Trotz Eisenerzpreis-Flaute: Diese Aktien bleiben interessant
Eisenerz ist aktuell sicherlich einer der Rohstoffe, deren Performance eher enttäuschend ist. Aber schauen Sie selbst:
Quelle: Trading Economics (https://tradingeconomics.com/commodity/iron-ore)
Sie sehen die Preisentwicklung des Stahlrohstoffs auf 1-Jahres-Sicht (in USD pro Tonne). Demnach ist Eisenerz kürzlich zum ersten Mal seit Ende 2022 wieder unter die 100-USD-Marke gerutscht. Betroffen davon sind die großen Eisen-Konzerne Rio Tinto, BHP und Vale, deren Aktien in den letzten Monaten analog zum Marktpreis Federn lassen mussten. Wichtig für Sie: In dem Zusammenhang von einer Katastrophe zu sprechen, wäre reichlich übertrieben. Tatsächlich gibt es auch positive Aspekte für diese Aktien, die insbesondere durch die umfassende Marktmacht jener Minenkonzerne bedingt sind.
Eisenerz-Preis: Warum China im Zentrum steht
Werfen wir zunächst aber einen Blick auf die Hintergründe der Preis-Flaute. Experten führen die gesunkenen Eisenerzpreise vor allem auf China zurück. Die Volksrepublik und deren Stahlbranche sind der größte Eisenerzverbraucher der Welt. Gleichzeitig importieren die Chinesen so viel des Stahlrohstoffs wie kein anderes Land. 2023 wurden pro Monat etwa 100 Millionen Tonnen nach China verschifft – hauptsächlich aus Australien (v.a. Rio Tinto und BHP) und Brasilien (v.a. Vale). Zum Vergleich: Das (wesentlich kleinere) Deutschland importierte 2023 rund 35 Mio. Tonnen – über das ganze Jahr verteilt.
Die große Abhängigkeit der globalen Eisenerzbranche von China geht freilich mit gewissen Problemen einher. Sollte Chinas Konjunktur lahmen und die Stahlnachfrage in der Folge zurückgehen, hat das mitunter gravierende Auswirkungen auf den Marktpreis des Rohstoffs. Genau so ein Effekt tritt derzeit zutage. Im Mittelpunkt steht die anhaltende Immobilienkrise in der Volksrepublik.
Mega-Schulden: Immobilien-Blase geplatzt
Zur Erinnerung für Sie: Der Immobiliensektor in China war in den 10er-Jahren massiv gewachsen. Das Wachstum beschleunigte sich durch die steigenden Wohnungs- und Häuserpreise exponentiell. Die lokalen Regierungen Chinas profitierten extrem von Landverkäufen und Immobilienentwickler wie Evergrande machten Milliardengeschäfte. Das Problem: Die Expansion des Sektors wurde in großem Maße durch Schulden finanziert, zunächst von den Privathaushalten und später auch von den Großkonzernen.
In der Folge baute sich eine gigantische Blase auf, die 2021 schließlich mit der Bankrotterklärung des hochverschuldenden Akteurs Evergrande platzte. Der Konzern häufte Schulden in Höhe von schier unfassbaren 300 Milliarden US-Dollar an. Anderen großen Akteuren wie Country Garden erging es derweil ähnlich.
Baubranche kriselt: China trotzdem mit Eisenerz überflutet
In der Folge sind die Immobilienpreise teils drastisch gesunken, was sich negativ auf die Bauaktivitäten auswirkt – und schließlich auch auf die Nachfrage nach Stahl bzw. dessen wichtigsten Rohstoff Eisenerz. Wegen der rückläufigen Nachfrage im Inland sind die Gewinnmargen chinesischer Stahlkonzerne derzeit enorm unter Druck.
Interessant: Die großen Minen-Player BHP und Vale verschifften im ersten Halbjahr 2024 trotzdem Eisenerz in Rekordmengen nach China. Dadurch steigen zum einen die Lagerbestände an den chinesischen Häfen und bei den dortigen Stahlherstellern. Zum anderen sind die Stahlproduzenten aus betriebswirtschaftlichen Gründen faktisch dazu gezwungen, auch das überschüssige Eisenerz in Stahl zu gießen und dieses wegen der mangelnden Inlandsnachfrage im großen Stil ins Ausland zu exportieren. Chinas Stahlexporte haben sich deshalb seit Anfang 2022 nahezu verdoppelt. Das führt wiederum dazu, dass die Stahlpreise rund um den Globus nachlassen, was unter anderem auch in Europa zu Krisen führt, wo die heimischen Herstellungskosten wesentlich höher sind.
Warum Sie BHP, Rio Tinto und Vale nicht unterschätzen sollten
Kommen wir nun zur Perspektive der großen Eisenerzkonzerne BHP, Rio Tinto und Vale. Auch wenn die gesunkenen Marktpreise für die Gewinnmargen von Big Iron selbstredend nicht von Vorteil sind, sind die drei größten Eisenerz-Player wegen ihrer schieren Marktmacht alles andere als hilflos.
Die drei Konzerne machen zusammen etwa 60 bis 70 % der weltweiten Förderung aus. Das verschafft Big Iron eine umfassende Kontrolle über das globale Angebot. BHP, Rio Tinto und Vale können – ähnlich wie dies die OPEC im Öl-Bereich vermag – den Markt praktisch nach Belieben verengen, um die Preise zu stabilisieren. Die Unternehmen könnten also ihre Produktion in den kommenden Monaten oder im nächsten Jahr drosseln, um die Gewinnmargen lukrativ zu halten.
Apropos: Alle drei genannten Big Player produzieren das Eisenerz zu ziemlich geringen Kosten, auch weil sie Zugriff auf längst erschlossene Rohstoff-Ressourcen haben. Selbst Marktpreise unter der 100-USD-Schwelle garantieren den Konzernen solide Gewinnmargen. Dadurch können BHP, Rio Tinto und Vale Preis-Flauten wesentlich besser kompensieren als kleinere und jüngere Bergbau-Akteure. Diese sind mitunter dazu gezwungen, ihre investitionsintensiven Betriebe zu pausieren oder einzustellen, sollte der Marktpreis länger auf einem niedrigen Niveau notieren. In der Folge fallen Produktionskapazitäten weg und die Großen können ihre Marktanteile erhöhen.
Hoffnung auf Turnaround in China: Derweil prescht Indien vor
Entscheidend wird freilich aber nicht nur die Angebotsseite sein. Natürlich bleibt die Branche auch abhängig von der Entwicklung der Nachfrage. Die Akteure können darauf hoffen, dass die chinesische Regierung ihre staatlichen Stimuli verschärft, um die Immobilienkrise zu bewältigen und letztendlich die Konjunkturziele zu erreichen. Hinzu kommen übergeordnete Trends wie die Energiewende. Allein die Produktion von Windkrafträdern, die in China unabhängig von der Immobilienbranche boomen, erfordert gigantische Mengen an Stahl und somit auch an Eisenerz.
Interessant ist zudem der Wachstumsmarkt Indien. Die dortige Baubranche wächst in rasantem Tempo – vergleichbar mit China in den Zehnerjahren. Entsprechend steigt auch hier der Eisenerzbedarf.
Mein Fazit für Sie
Auch wenn die Aktien von BHP, Rio Tinto und Vale zuletzt Schwächesignale gesendet haben, sollten Sie als Anleger diese Konzerne nicht unterschätzen. Durch deren Marktmacht sind die Unternehmen in der Lage, Preis-Krisen abzufangen und sich für den zweifelsohne kommenden Aufwärtszyklus in Position zu bringen.