Studie zu Silizium: Alarmstufe Rot für Europas PV-Industrie!

Studie zu Silizium: Alarmstufe Rot für Europas PV-Industrie!
Pixabay.com © geralt CCO Public Domain
Inhaltsverzeichnis

Vor einigen Wochen hat die Deutsche Rohstoffagentur (DERA) einen interessanten Bericht veröffentlicht, den Sie definitiv kennen sollten. Im Mittelpunkt steht der Rohstoff Silizium. Kurzum: Dieser ist wichtig sowohl für die Computertechnologie als auch die Photovoltaik (PV). Gleichzeitig ist der Siliziummarkt verantwortlich für eine ganz bestimmte Krise in Europa und insbesondere in Deutschland, die Grund zur Sorge bereitet. Doch dazu gleich mehr.

Warum Silizium so wichtig ist

Zunächst: Nach Angaben der DERA wird das Halbleiterelement Silizium bei hohen Temperaturen von etwa 2.000 Grad Celsius aus Quarz in einem Gemisch zusammen mit Holzkohle, Kohle und Holzhackschnitzeln in gigantischen Öfen erschmolzen. In der Folge entsteht Rohsilizium, das bereits in zwei wichtigen Anwendungsfeldern eingesetzt werden kann: der Produktion von Aluminiumlegierungen und der Herstellung von Silikonen. Bei beiden Einsatzgebieten handelt es sich um starke Wachstumsmärkte.

Den wohl bedeutendsten Absatzmarkt jedoch gibt es für Halbleitersilizium und insbesondere für Solarsilizium. Beide Stoffe benötigen Polysilizium als Ausgangstoff. Solarsilizium wiederum steht am Anfang der Wertschöpfungskette der Photovoltaikbranche, die sich über die Herstellung von Siliziumbarren und Siliziumwafern bis hin zu Solarzellen und letztendlich Solarmodulen erstreckt.

Im Bild sehen Sie den (vereinfachten) Aufbau einer Solarzelle:

Ein Bild, das Text, Screenshot, Diagramm, Design enthält.Automatisch generierte Beschreibung

Quelle: Solaranlage-Ratgeber (https://www.solaranlage-ratgeber.de/photovoltaik/photovoltaik-technik/photovoltaik-solarmodule)

China kontrolliert Silizium- und PV-Markt

Wichtig: Etwa 97% aller Barren und Wafer, 78% aller Solarzellen und 82% aller Solarmodule werden laut dem DERA-Bericht aktuell in China gefertigt. Bezüglich der dafür nötigen Ausgangsrohstoffe Polysilizium bzw. Silizium liegen die Marktanteile der Volksrepublik bei 82% bzw. 75%. China hat damit den weltweiten PV-Markt im Prinzip unter Kontrolle.

Gleichzeitig wächst die Vormachtstellung der Chinesen laut den DERA-Experten sukzessive weiter. Chinesische Konzerne investieren mit Rückendeckung der Kommunistischen Partei Milliardensummen in den Ausbau des heimischen Siliziumsektors.

Massives Überangebot: Siliziumpreise dürften niedrig bleiben

Daraus ergibt sich für Europa und Deutschland ein gravierendes Problem – zum einen in Sachen Marktbalance. Schon heute übersteigen der Studie zufolge die globalen Kapazitäten die Nachfrage nach Silizium signifikant. Laut der Untersuchung werden die weltweiten Produktionskapazitäten bis Ende 2027 um weitere 66% zunehmen.

Die Nachfrage hingegen soll bis dahin nur um 37% wachsen. Beim Polysilizium, das wie erwähnt wichtig für die Halbleiterbranche und insbesondere die PV-Industrie ist, dürften die Kapazitäten laut DERA gar um 437% zunehmen – davon allein 93% in China – die Nachfrage allerdings nur um 107%.

Die Folge: Die Preise für Silizium und Polysilizium werden auf globaler Ebene wahrscheinlich sehr niedrig bleiben. Davon sind auch die Margen der Solarzellen und -module betroffen. Große Anbieter wie Canadian Solar oder Jinko Solar kämpfen schon seit Jahren mit mauen Gewinnspannen. Die Situation dürfte sich zumindest den DERA-Experten zufolge alsbald nicht ändern.

Solar-Dumping aus China lässt Europa zum Bittsteller werden

Für Europa und Deutschland wäre das zumindest auf den ersten Blick nicht einmal negativ. Denn: Neue Solaranlagen könnten in Zukunft noch günstiger werden, was die Energiewende beflügeln würde. Trotzdem warnen die Forscher der Deutsche Rohstoffagentur. Der Grund: Die Abhängigkeit von China wird weiter zunehmen. Das verschafft den politischen Akteuren in Peking ein weiteres wirkmächtiges Druckmittel, um Handelskonflikte mit dem Westen zu forcieren.

Der Studie zufolge liegt das tiefergehende Problem vor allem bei den Energiekosten. Der Herstellungsprozess rund um Silizium und Solarkomponenten ist enorm energieaufwendig. Da die Kosten in China deutlich geringer sind, lassen sich etwa in Deutschland keine preislich wettbewerbsfähigen Solarkomponenten produzieren. In der Bundesrepublik hatte es Anfang der Nullerjahre tatsächlich eine aufstrebende Solarindustrie gegeben.

Diese wurde allerdings nach einigen Jahren von chinesischen Wettbewerbern ausgebootet. Inzwischen gibt es zwar wieder Bemühungen, hierzulande eine nennenswerte Produktion von PV-Ausrüstung aufzubauen. Doch diese ist laut Experten ohne massive staatliche Subventionen zum Scheitern verurteilt.

Interessant: Nach Angaben der DERA kann in Europa aktuell lediglich in Norwegen bei dortigen Industriestrompreisen von 2 bis 3 Cent pro Kilowattstunde wettbewerbsfähig Silizium produziert werden. In Deutschland, Frankreich oder Spanien sei dies wegen der hohen Energiekosten aktuell nicht vorstellbar.

Mein Fazit für Sie

Es ist ein Dilemma. Auf der einen Seite sollen die deutschen und europäischen Solarkraftkapazitäten im Rahmen der Klimaziele in den kommenden Jahren massiv ausgebaut werden. Auf der anderen Seite ist Europa auch bei diesem Energiewendethema abhängig von der Gunst Chinas. Schaut man sich den neuen DERA-Bericht an, dürfte sich daran erst einmal nichts ändern.

Die Volksrepublik hätte rein theoretisch die Macht, den europäischen PV-Ausbau praktisch mit einem Schlag auf Eis zu legen. Denkbar wäre ein solch gravierender Schritt etwa infolge einer möglichen Eskalation des Handelskonflikts durch eine militärische Intervention Chinas in Taiwan.

Zwar würde sich auch China damit ins eigene Bein schießen, der Schaden für Europa wäre aber, zumindest was den Ausbau der Solarenergie und das Erreichen der Klimaziele angeht, wohl wesentlich schwerwiegender.

Eine einfache Lösung des Problems gibt es meiner Meinung nach nicht. Die Branche in Europa bräuchte sehr umfangreiche Anschubsubventionen, die mindestens mit denen in den USA (Stichwort: Inflation Reduction Act) vergleichbar wären. Gleichzeitig müsste die Politik einen Hebel etablieren, um Importe aus China weniger lukrativ zu machen.

Experten betonen hier unter anderem den sogenannten Klima-Zoll, der importiere Produkte mit großem CO2-Fußabdruck bald sanktionieren soll. Davon wären wahrscheinlich auch viele Solarmodule aus China betroffen, in deren Wertschöpfungskette bisweilen jede Menge Kohle eingesetzt wird. Ob das spürbare Veränderungen bewirken würde, müsste sich allerdings erst noch zeigen. Auch dürfte Peking den Sanktionen nicht tatenlos zusehen.