Strauchelnde Seltenerd-Aktien: Hoffnungssignal aus Kanada
„Während Kanada weiterhin ausländische Direktinvestitionen begrüßt, werden wir entschlossen handeln, wenn Investitionen unsere nationale Sicherheit und unsere Lieferketten für kritische Mineralien im In- und Ausland bedrohen. In Übereinstimmung mit dem ICA [Investment Canada Act, Anm.d.A.] werden ausländische Investitionen auf nationale Sicherheitsbedenken überprüft. Und bestimmte Arten von Investitionen – z. B. in den Sektoren der kritischen Mineralien – werden einer verstärkten Prüfung unterzogen.“
Dieses Zitat stammt von Kanadas Industrieminister François-Philippe Champagne aus dem Herbst 2022. Der Politiker hatte damals ein entschiedeneres Vorgehen gegen ausländische Einflussnahme im Bereich der kritischen Metalle angekündigt, indem eine zusätzliche Kontrollebene zur Genehmigung von Investitionen eingeführt wurde. Auch wenn Champagne dies nicht explizit erwähnt hatte, zielte seine Warnung vor allem auf China ab.
Kritische Mineralien: Kanada will Chinas Einflussnahme reduzieren
Hintergrund: Chinesische Firmen sind traditionell sehr stark in Kanadas Bergbausektor aktiv und investieren kumuliert Milliardensummen in dortige Minenbetriebe, um sich selbst Zugriff auf die Rohstoffe bzw. deren Cash Flow zu sichern. Die Regierung in Ottawa sieht diese Aktivitäten jedoch zunehmend als Gefahr für die nationale Sicherheit, da sich das politische Verhältnis Kanadas zu China in den letzten Jahren auch durch die vielen Handelskonflikte zwischen Peking und dem Verbündeten USA spürbar abgekühlt hat.
Für das nordamerikanische Land ist ein offener Konflikt mit der Volksrepublik jedoch alles andere als ein Zuckerschlecken. Vielmehr handelt es sich dabei um ein prekäres Dilemma. Denn: Gerade viele junge kanadische Bergbaufirmen sind inzwischen auf das Geld aus China angewiesen, um ihre Projekte überhaupt umsetzen zu können. Auch deshalb sind die Investitionen chinesischer Akteure in Kanada 2023 unterm Strich wieder deutlich angestiegen, trotz der markanten Drohung aus Ottawa.
Allerdings: In einzelnen Fällen lässt die kanadische Regierung ihren markanten Worten tatsächlich Taten folgen. Im Herbst 2022 etwa hatte Ottawa drei chinesische Unternehmen angewiesen, ihre Investitionen in Kanadas kritische Mineralien zu stoppen und die bereits erworbenen Assets zu veräußern. Dabei ging es vor allem um Investments in Lithiumbetriebe
Vital Metals: Kanadas Regierung schnappt Chinesen Seltene Erden vor der Nase weg
Nun ist die Regierung von Premierminister Justin Trudeau erneut dazwischen gegrätscht, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet. Diesmal im Mittelpunkt: die Seltenen Erden. Laut dem Medienbericht wird Kanadas Regierung gelagerte Seltenerdmaterialien des Unternehmens Vital Metals Ltd. aufkaufen. Das Kalkül: Damit soll verhindert werden, dass sich chinesische Akteure die Bestände einverleiben.
Vital Metals mit Hauptsitz in Australien ist ein relativ kleiner Spezialist im Bereich der Seltenen Erden. Das Hauptprojekt des Unternehmens befindet sich in den Nordwest-Territorien in Kanada und ist einer der wenigen Produzenten außerhalb Chinas. Im Dezember hatte die Firma einen Deal mit dem chinesischen Konzern Shenghe Resources Holding auf den Weg gebracht. Dieser hatte vorgesehen, einen Lagerbestand im Wert von 2,4 Millionen CAD an die Chinesen zu verkaufen. Doch nun ist der Deal geplatzt.
Vielmehr wird das staatliche Saskatchewan Research Council (SRC) unter Vermittlung der kanadischen Regierung denselben Lagerbestand für rund 3 Millionen CAD aufkaufen. Der Clou: Der SRC kooperiert bereits seit einiger Zeit mit Vital Metals im Bereich der Weiterverarbeitung und Veredelung. Gemeinsam wollen die Partner nun diesen Teil der Wertschöpfungskette weiterentwickeln, um die Abhängigkeiten von China zu reduzieren.
Chinas Dominanz im Seltenerdbereich beläuft sich vor allem auf die Verarbeitungstechnologien, die gebraucht werden, um die Seltenen Erden, welche in den Erzlagerstätten in der Regel in gemischter Form vorliegen, voneinander zu trennen. Dieser hochkomplexe und zweitaufwendige Prozessschritt ist essenziell, um später marktfähige Produkte herzustellen zu können: darunter insbesondere die Permanentmagnete, die zum Beispiel in Elektroautos, Windkrafträdern, Computern und Raketen zum Einsatz kommen. Auch bei dieser grundlegenden Technologie ist China der Marktführer. Das Land verarbeitet etwa 90 % des gesamten weltweiten Seltenerdbestands zu solchen Dauermagneten.
Mein Fazit für Sie: strategische Prämie für westliche Seltenerdfirmen
Interessant ist, dass die kanadische Regierung über den SRC nun eine Prämie an Vital Metals bezahlen will. Schließlich ist der kolportierte Kaufpreis höher als der, den das Unternehmen ursprünglich mit den Chinesen ausgehandelt hatte. Für Vital dürfte dieser „strategische Bonus“ gelegen kommen, schließlich leidet die Branche noch unter dem erheblichen Preisverfall.
Im Chart sehen Sie die Preisentwicklung exemplarisch anhand des Seltenerdmetalls Neodym (Stand: 17.06.2024):
Quelle: Trading Economics (https://tradingeconomics.com/commodity/neodymium)
Beobachter führen den Wertrückgang unter anderem auf die aggressive Wachstumsstrategie chinesischer Akteure zurück, die den Weltmarkt mit Produkten zu Dumping-Preisen fluten.
Dass die kanadische Regierung nun bereit ist, eine Prämie für die Seltenen Erden zu bezahlen, ist meiner Meinung nach als Hoffnungssignal für die gesamte nicht-chinesische Branche zu werten. Es gibt nur sehr wenige Seltenerdspezialisten außerhalb Chinas. Neben Vital Metals gilt es hier unter anderem Lynas Rare Earths, MP Materials und Arafura Resources zu nennen, deren Aktien wegen des Preisverfalls derzeit allesamt unter Druck stehen. All diese Akteure wollen perspektivisch auch in Sachen Verarbeitung zulegen. MP Materials beispielsweise baut aktuell gar eine Dauermagnet-Fabrik in den USA auf – mit Rückendeckung aus Washington.
Jene Unternehmen dürfen nun mehr denn je darauf hoffen, dass staatliche Akteure und auch westliche Abnehmer aus der Privatwirtschaft einen Aufpreis bezahlen werden, um sich eine Seltenerdlieferkette ohne bzw. mit geringerem chinesischen Einfluss aufzubauen. Gerade mit Blick auf die zunehmenden Handelsstreitigkeiten westlicher Staaten mit Peking und den schwelenden Taiwan-Konflikt ist eine solche Risikodiversifizierung für die Abnehmer meiner Meinung nach strategisch fast schon zwingend.