Wie wirkt sich die Ölschwemme auf den Aktienmarkt aus?
Sie haben es am Wochenende alle gehört und gelesen: Das so genannte Doha-Treffen der großen Ölnationen (15 Mitglieder und Nichtmitglieder der Organisation erdölexportierender Länder Opec) ist gescheitert.
Das hatte direkte Auswirkungen auf den Ölpreis: In den Tagen vor dem Treffen war er noch deutlich angestiegen. Am Montagmorgen sackte er im asiatischen Handel prompt ab. Bei Öffnung der Märkte fiel der Preis um rund 7%, erholte sich dann aber wieder etwas.
Der Ölpreis wird zunächst weiter auf Talfahrt bleiben
Was uns als Verbraucher freut, sowohl an der Tankstelle als auch bei den Heizkosten, das nutzt der Markt gewissermaßen als Aufhänger für die ständigen Korrekturen. Da dürfen wir uns als Anleger schon fragen: Ist diese Begründung überhaupt gerechtfertigt?
Bevor wir zur Antwort kommen, noch einmal der Reihe nach: Gegen 21 Uhr am Sonntagabend trat der katarische Energieminister Mohammed ben Saleh al-Sada bei der Pressekonferenz in seiner Heimat vor die Mikrofone: Es habe keine Einigung gegeben. Die Stühle rechts und links von ihm auf dem Podium blieben leer…
Das Ziel der Konferenz war es ursprünglich, mit einer Fördergrenze ein weiteres Abbröckeln des Ölpreises zu verhindern. Weltweit leiden die Ölnationen unter dem niedrigen Preisniveau, auch wenn sich die Preise von einem Tief bei etwas über 27 Dollar im Februar deutlich erholt hatten.
Die Ölländer beklagen große Haushaltslöcher, in den USA sind Milliardendarlehen an Ölförderer ausfallgefährdet oder bereits als Abschreibungen in den Büchern der Großbanken aufgeschlagen. Die Deckelung des Ölpreises wäre also längst überfällig gewesen.
Die Ölschwemme wird weitere Ausmaße annehmen
Doch in den Verhandlungen im Sheraton-Hotel in Doha – ohne Teilnahme großer Ölproduzenten wie den USA, Kanada oder Norwegen – zog sich die Diskussion Stunde um Stunde hin, weil Saudi-Arabien eine knallharte Linie durchzog.
Nur wenn alle Opec-Staaten mitzögen, würde das Land einer Fördergrenze zustimmen, so der Tenor. Der Iran aber hatte die Teilnahme an dem Treffen verweigert – und das aus gutem Grund: Nach dem Aufbrechen der Wirtschaftssanktionen gegen das Land will man nun in die Vollen gehen.
Da wäre eine Förderbeschränkung hinderlich. Klar, dass hier der Erzfeind Saudi-Arabien nicht tatenlos zusehen will. Die Fronten sind verhärtet. Eine Einigung ist in noch weitere Ferne gerückt.
Europas Verbrauchern kommen die Niedrigpreise vorerst zugute. Im Februar war Energie im Euroraum dem Statistikamt Eurostat zufolge 8% günstiger als vor einem Jahr, allein bei Haushaltsenergie und Sprit in Deutschland nach Angaben des Statistischen Bundesamts 8,5%.
Von Mitte 2014 bis Ende 2015 verbilligte sich das “schwarze Gold” um zwei Drittel, das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut meldete beim Rohstoffpreis-Index den tiefsten Stand seit 2004. Die Deutschen gaben 2015 laut Mineralölverband 13,5 Mrd. Euro weniger für Sprit und Heizöl aus.
Konjunkturspritze und Dämpfer zugleich
Auch für die betroffenen Unternehmen, insbesondere aus der Chemiebranche, gilt: Der günstige Rohstoffpreis mag zwar zunächst eine positive Wirkung in der Herstellung haben. Wahr ist aber auch, dass die Konzerne die besseren Konditionen oft mit niedrigeren Preisen für Kunst- oder Farbstoffe an ihre Kunden weitergeben müssen.
Beim Branchenriesen BASF etwa sank der Überschuss 2015 auch deshalb um fast ein Viertel auf rund 4 Mrd. Euro.
Viele Ökonomen melden sich zum Thema zu Wort. So glaubt beispielsweise Eugen Weinberg von der Commerzbank: “Langfristig dürfte ein steigender (Öl-)Preis die Geldentwertung anheizen.” Die Gefahr liegt darin, dass es den mächtigen Förderländern gelingen könnte, das Fracking in den USA aus dem Markt zu drängen. Damit könnte das Angebot knapp werden und die Kosten hochkatapultieren.
China hat langfristig größeren Einfluss auf die Märkte als der Ölpreis
Aus unserer Sicht ist klar, dass der niedrige Ölpreis die Märkte nur kurzfristig belasten wird. Es wird kaum langfristig durchschlagende Auswirkungen auf die Entwicklung der Aktienkurse geben. Hier richtet sich das Augenmerk der Anleger eher auf China, wo die Konjunktur weiterhin unterkühlt ist. 2015 gab es in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt mit 6,9% das schwächste Wachstum seit 25 Jahren.
Die großen Verlierer der Ölschwemme werden also auf lange Sicht nicht die Anleger und schon gar nicht die Verbraucher sein, sondern vor allem die Fracking-Unternehmen in den USA und andernorts. Diese noch weiter von ihren Gewinnmargen zu entfernen, ist das Ziel der Ölförderländer, die es in der Hand haben, den Ölpreis zu regulieren. Hier stehen demzufolge einige Pleiten an.
Fazit: Auswirkungen auf die Märkte werden geringer sein als befürchtet
Für die Wirtschaft erleben wir durch den niedrigen Ölpreis – und die auch sonst schwachen Rohstoffpreise – eine Art Konjunkturprogramm.