Shell wandert nach Großbritannien ab
Es ist ein Paukenschlag: Royal Dutch Shell sagt sich von den Niederlanden los und verlegt seinen Hauptsitz nach Großbritannien.
Shell zieht um nach Großbritannien: Einfachere Aktienstruktur, niedrigere Steuern
Während zahlreiche Unternehmen dem britischen Königreich nach dem Austritt aus der Europäischen Union den Rücken gekehrt und ihre Zentralen auf den Kontinent verlagert haben, geht der Ölriese nun überraschend den umgekehrten Weg. Sogar der Name wird geändert, „Royal Dutch“ verschwindet schon bald, übrig bleibt nur „Shell“.
Damit gibt der britisch-niederländische Konzern seine komplizierte duale Aktienstruktur auf, was aus Sicht des Unternehmens gleich mehrere Vorteile mit sich bringt. So können etwa Aktienrückkäufe künftig leichter organisiert werden. Zudem hat der Umzug auch steuerliche Gründe: Während die Niederlande eine Quellensteuer in Höhe von 15 Prozent auf Dividenden erheben, gibt es eine solche Abgabe in Großbritannien nicht. Durch die steuerliche Ansässigkeit in Großbritannien kann Shell die Zahlung künftig umgehen.
Anleger sollen am 10. Dezember über Pläne abstimmen
In London wurde der Schritt begrüßt, in Den Haag stieß der Plan erwartungsgemäß auf wenig Gegenliebe. Die Anleger sollen am 10. Dezember über das Vorhaben abstimmen. Die erste Kursreaktion fiel positiv aus, dementsprechend scheinen sich auch die Aktionäre über eine Verlegung auf die Insel zu freuen. Mit dem Hauptsitz soll auch das Management umziehen. Die niederländische Regierung hat bereits angekündigt, Gespräche über Standorte und Arbeitsplätze führen zu wollen.
Europäische Politiker fürchten schon seit geraumer Zeit, Großbritannien könnte sich nach dem EU-Austritt zum Steuerparadies entwickeln und damit Unternehmen anlocken. Aus Sicht der Konzerne wird das umso attraktiver, seit innerhalb der EU der Druck auf Staaten mit geringen Gewerbesteuern wächst. Etliche internationale Großkonzerne haben ihre Europazentralen bislang etwa in Irland oder Luxemburg angesiedelt, weil dort vergleichsweise geringe Steuern erhoben werden.
Shell profitiert von hohem Ölpreisniveau
Tatsächlich hat der Brexit bislang aber eher zu einer Massenabwanderung geführt. Zahlreiche Unternehmen verlegten Konzernsitze oder Produktionsstandorte aufs Festland, um sich den einfacheren Zugang zum europäischen Binnenmarkt zu sichern, aus dem Großbritannien nach einer Übergangsfrist seit Anfang des Jahres ausgeschieden ist.
Shell profitierte zuletzt, wie auch andere Ölkonzerne, von den stark steigenden Ölpreisen. Dank wirtschaftlicher Erholung und hoher Nachfrage auf der einen Seite bei gleichzeitig gedrosselten Förderkapazitäten seitens der Opec+ auf der anderen Seite werden inzwischen je Barrel wieder deutlich über 80 US-Dollar aufgerufen, nicht wenige Beobachter rechnen schon bald mit einem Anstieg des Ölpreises auf 100 Dollar und mehr.
Shell Aktie seit Jahresbeginn stark im Plus
Das zurückliegende dritte Quartal lief für Shell dennoch nicht besonders gut, unter anderem, weil Hurrikan „Ida“ im Golf von Mexiko wütete und dabei auch Ölanlagen stark beschädigte, was wiederum das Geschäft von Shell beeinträchtigte. Beobachter rechnen für das vierte Quartal jedoch mit einer guten Entwicklung, nicht zuletzt wegen des Marktumfelds.
Auch Anleger greifen in diesem Jahr gerne bei Shell Aktien zu: Seit Beginn des Jahres liegt der Kurs fast 40 Prozentpunkte im Plus. Die Verlagerung nach Großbritannien könnte dem Papier zudem neuen Schwung verleihen.