Saudi Aramco: Wertvollstes Unternehmen der Welt ist wieder ein Ölkonzern
Apple ist geschlagen. Zum ersten Mal seit Jahren hat ein anderes Unternehmen den iPhone-Hersteller in Sachen Marktkapitalisierung überholt. Saudi Aramco verzeichnete in der vergangenen Woche einen Börsenwert von 2,42 Billionen Dollar. Apple war demgegenüber am selben Tag „nur“ 2,37 Billionen Dollar schwer. Ist Öl wieder wertvoller als Daten und Technik?
Es fühlt sich an wie ein Rückfall in alte Zeiten. Bevor Apple wertvollstes Unternehmen der Welt wurde, hielt sich lange Zeit ein anderer Ölmulti an der Spitze in der Gunst der Anleger: der US-Ölgigant Exxon Mobil.
Aufstieg der Tech-Giganten – Ölindustrie als Auslaufmodell
Die vergangenen zwei Jahrzehnte waren geprägt vom Aufstieg der Tech-Konzerne: Apple, Google, Amazon, Facebook – sie alle veränderten das Leben von Milliarden Menschen weltweit tiefgreifend und nachhaltig. Die Marktmacht der Unternehmen in ihren jeweiligen Kerngeschäftsbereichen ist ungebrochen, kaum jemand kommt an ihnen vorbei.
Die Ölindustrie hingegen galt in den vergangenen Jahren eher als Auslaufmodell, als Übergangslösung auf dem Weg der Transformation hin zu klimafreundlicher Energiegewinnung, in Europa eng gekoppelt mit dem Ziel der Verkehrswende: weniger Autos, mehr ÖPNV lautet ein Kernelement der Devise, mit der man in Brüssel, Paris und Berlin den Kontinent „Fit for 55“ bekommen will.
Kriegsbeginn markiert Zeitenwende – auch am Parkett
Verstärkt wurde der Trend zu Onlineshopping und digitaler Vernetzung durch die Pandemie. Doch das Jahr 2022 hat die Karten neu gemischt. Bereits seit Beginn des Jahres herrscht nervöse Ausverkaufsstimmung an der Wall Street – und hier vor allem an der Technologiebörse Nasdaq.
Ausgerechnet die erfolgsverwöhnten Größen aus dem Silicon Valley stürzen ab in der Gunst der Anleger. Jedes noch so kleine negative Vorzeichen in der Bilanz wird umgehend hart bestraft. Der Beginn des Kriegsgeschehens in der Ukraine in der Nacht zum 24. Februar markierte nicht nur geopolitisch eine Zeitenwende.
Renaissance des schwarzen Goldes
Die Renaissance des sprichwörtlichen schwarzen Goldes in Form von sprudelnden Ölquellen wurde dadurch zusätzlich angetrieben. Die allermeiste Zeit während der drei Monate, die seither vergangen sind, notierte der Ölpreis im dreistelligen Bereich. Zugleich schoss die Inflationsrate in die Höhe und erreichte Sphären, die zuletzt vor rund 40 Jahren gemessen wurden.
Ölkrise, hohe Inflation, tiefgreifende Konflikte zwischen Moskau auf der einen und westlichen Verbündeten auf der anderen Seite – all das klingt wie ein Relikt aus dem vergangenen Jahrhundert, all das hat es schon einmal gegeben, in den 1970er und 1980er Jahren, bevor die Sowjetunion in sich zusammenfiel.
Putin setzt auf territoriale Expansion statt wirtschaftlicher Zusammenarbeit
Die Prämissen, auf die der Westen seither gebaut hat, erweisen sich unter Wladimir Putin nun als dramatische Fehleinschätzungen. Wandel durch Annäherung funktioniert nicht mehr, wirtschaftliche Verflechtungen als Nichtangriffspakt und Friedensgarant für Europa haben ausgedient.
Putin scheint nicht interessiert an wirtschaftlicher Stärke, die dem Westen so oft als Primat allen politischen Handelns dient. Putin will Russland zu alter Stärke zurückführen, hegt territoriale Ansprüche und setzt auf Expansion, notfalls auch mit Gewalt. Er verfolgt damit eine Strategie, die Europa nach dem Zweiten Weltkrieg weitgehend hinter sich gelassen hat. Russlands Machthaber sichert sich seinen denkwürdigen Platz in den Geschichtsbüchern.
Zurückgebombt ins 20. Jahrhundert?
Aber schafft Putin es wirklich, die Welt ins 20. Jahrhundert zurückzubomben? Zurück zum autofreien Sonntag, nicht der Umwelt zuliebe, sondern weil schlichtweg der Sprit zu knapp und zu teuer ist? Zurück zum Kalten Krieg, dessen Nichtangriffspakt statt auf wirtschaftlicher Verflechtung auf maximaler militärischer Abschreckung basierte?
Zumindest am Parkett fühlt man sich dieser Tage in längst vergangene Zeiten zurückversetzt. Daten gelten als Rohstoff der Zukunft – doch das große Geld wird gerade an den ganz klassischen Rohstoffquellen gescheffelt.