Ölpreis: Werden bald 2 Euro pro Liter an der Zapfsäule fällig?
Der Ölpreis steigt und steigt – seit November ist der Aufwärtstrend ungebrochen, nun kletterte der Preis je Barrel Rohöl der Nordseesorte Brent erstmals seit rund 2 Jahren wieder über die Marke von 75 US-Dollar. Auch die US-Sorte WTI kostete mit über 73 Dollar je Fass so viel wie zuletzt im Jahr 2018.
Hintergrund ist vor allem das Gefälle von Angebot und Nachfrage: Während das Ölkartell Opec+ seine Fördermengen weiterhin gedrosselt hält und die US-Frackingindustrie die Vorbehalte des neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten, Joe Biden, zu spüren bekommt, ist die Weltwirtschaft nach anderthalb Jahren Pandemie auf Erholungskurs.
Tourismussektor auf Erholungskurs lässt Ölpreis anziehen
Insbesondere die Tourismusbranche nimmt wieder an Fahrt auf, erste Kreuzfahrtschiffe legen ab, die Zahl der Flugverbindungen steigt und etliche Firmen aus der produzierenden Industrie fahren ihre Kapazitäten wieder hoch. Hinzu kommt der wieder stärkere Individualverkehr nach Aufhebung von Home Office Verordnungen und Mobilitätsbeschränkungen, sprich: Es wird wieder mehr Auto gefahren.
All das lässt die Nachfrage nach Kerosin, Benzin, Diesel und anderen ölbasierten Produkten rasant ansteigen, während sich die Angebotsseite vorerst wenig bewegt und sich stattdessen über das höhere Preisniveau freuen dürfte.
100-Dollar-Marke in Sicht?
Rohstoffexperten gehen davon aus, dass der Trend sich fortsetzt – und auch die 100-Dollar-Marke schon bald geknackt werden könnte. Bereits für diesen Sommer rechnen nicht wenige Branchenbeobachter mit einem Anstieg des Ölpreises auf über 80 Dollar je Barrel, die 100-Dollar-Grenze könnte schon im kommenden Jahr fallen.
All dies steht – wie jegliche Prognosen dieser Tage – unter dem Vorbehalt der weiteren Entwicklung des Pandemiegeschehens. Sollten die Delta-Variante oder auch andere mögliche Virusmutationen den Impfschutz umgehen und neue Wellen von Masseninfektionen auslösen, dürfte das in den Herbst- und Wintermonaten zu erneuten Einschränkungen führen und auch die weltweite Konjunkturerholung ausbremsen. Das wiederum würde sich dann wohl auch beim Ölpreis ablesen lassen.
Erinnerungen an 2014 werden wach
Das letzte Mal, dass der Ölpreis auf einem Niveau von deutlich über 100 Dollar notierte, war 2014. Es folgte ein beispielloser Preissturz, der anderthalb Jahre andauern sollte. Der Ölpreis sackte auf rund 30 Dollar je Barrel ab, letztlich sah sich die fast schon totgeglaubte Opec zum Handeln genötigt. Seither funktioniert die Runde des Ölkartells und seiner Verbündeten erstaunlich zuverlässig, in regelmäßigen Abstimmungsrunden entscheiden Vertreter Saudi Arabiens, Russlands und weiterer Öl exportierender Nationen über ihr weiteres, konzertiertes Vorgehen zur Preisstabilisierung.
Im vergangenen Jahr hatte das abrupte pandemiebedingte Ausbremsen der Weltwirtschaft den Ölpreis einbrechen lassen, WTI notierte kurzzeitig gar im negativen Bereich. Nun droht das Pendel in die Gegenrichtung auszuschlagen: Rohstoffexperten der US-Großbank JP Morgan prognostizieren einen neuen Öl-Superzyklus und bekräftigten jüngst ihre Vorhersage, wonach der Ölpreis bis 2025 auf 190 Dollar je Barrel steigen könnte.
Neuer Superzyklus – Horrorszenario für Verbraucher und Unternehmen
Ein Horrorszenario aus Sicht der Verbraucher, aber auch die Wirtschaftserholung könnte angesichts solcher Dimensionen ins Stocken geraten. An den hiesigen Zapfsäulen ist auch die bisherige Entwicklung bereits deutlich zu spüren: War der Liter Benzin im vergangenen Jahr häufig für unter 1,30 Euro zu haben, liegt der Preis mittlerweile im Schnitt bei rund 1,55 Euro.
Neben steuerlichen Veränderungen seit Jahresbeginn schlägt hier auch der steigende Ölpreis mittlerweile durch – und mit Blick auf die Entwicklung an den Rohstoffmärkten besteht hier sogar noch Luft nach oben.
Nicht wenige Beobachter prognostizieren daher einen Benzinpreis jenseits der 2 Euro pro Liter – eine Entwicklung, die der Elektromobilität zu neuer Attraktivität verhelfen könnte.