Öl nimmt bald wieder Fahrt auf
Die Ölpreise haben um knapp 30 % abgegeben seit dem Hoch bei fast 140 US-Dollar pro Barrel im vergangenen Jahr. Zinsanhebungen, Rezession, China im Lockdown – all das hat zu sinkenden Ölpreisen beigetragen. Technisch gesehen würde ich das Ende des Abwärtstrends aktuell zwar noch nicht einläuten wollen, doch fundamental betrachtet hat 2023 eigentlich sehr gute Karten um ein stärkeres Ölpreisjahr zu werden.
Brent-Ölpreis: Seit 2022 geht es abwärts
Quelle: www.aktienscreener.de
Die schwache Entwicklung in den Ölpreisen spiegelt sich auch in der Entwicklung der Energieaktien wider
Quelle: www.aktienscreener.de
Die fundamentale Ausgangslage spricht für steigende Ölpreise
Die vergangenen Monate waren ein Härtetest für Ölbullen. Das erinnert mich an 2020. Damals zeigten sich die Anleger gegenüber Energieaktien auch so gleichgültig wie aktuell.
Doch trotz der Pandemie-bedingten Rezession gewannen der Ölmarkt auch damals zunehmend an bullischem fundamentalem Rückenwind. Ein massiver Abbau der globalen Lagerbestände trieb schließlich die Preise in die Höhe.
Heute ist die Situation ähnlich. Zwar sind die Anleger sich der Probleme auf der Versorgungsseite bewusst, doch niemand scheint sich wirklich für die fundamentale Ausgangslage zu interessieren. Stattdessen bleiben die Anleger auf die Rezession fokussiert.
Dabei lassen sie aber außer Acht, dass der Ölverbrauch eigentlich erst dann deutlich zu sinken beginnt, wenn die Summe der Rohölpreise plus der Raffineriemarge pro Barrel über 150 US-Dollar pro Barrel steigt. Umgekehrt steigt der Ölverbrauch, wenn der Rohölpreis zuzüglich der Raffineriemarge pro Barrel auf unter 90 US-Dollar pro Barrel fällt.
Ich behaupte nicht, dass wir das Tief schon komplett erreicht haben, aber ich gehe davon aus, dass wir uns dem Tief für dieses Jahr deutlich nähern.
- Steigende Ölnachfrage erwartet
Dafür spricht, dass sämtliche Marktbeobachter ab dem 3. Quartal eine steigende Öl-Nachfrage erwarten.
Die globale Ölnachfrage wird spätestens ab dem 3. Quartal wieder deutlich zulegen
Quelle der Daten: EIA, IEA und OPEC
Besonders optimistisch ist die Internationale Energieagentur (IEA), die überhaupt keinen Einbruch des Ölnachfragewachstums in 2023 erwartet. Besonders konservativ dagegen ist die Prognose des US-Energieministeriums (EIA), welches aber dennoch ein Wachstum der Ölnachfrage durch alle Quartale in diesem Jahr voraussieht. Die OPEC dagegen erwartet für das aktuelle 2. Quartal einen Einbruch der Nachfrage, worauf die OPEC ja bereits mit einer Förderkürzung reagiert hat. Folgerichtig (nach der Angebotsverknappung durch die Förderkürzung) rechnet die OPEC dann aber bis zum Ende des Jahres mit einem deutlichen Anstieg der globalen Ölnachfrage.
- Sinkendes Angebot erwartet
Die Dallas Fed (Teil der US-Notenbank) führt in regelmäßigen Abständen Umfragen im heimischen Ölsektor durch. Die letzten Umfragen zeichnen ein ganz deutliches Bild vom US-Ölsektor: Die Tage des Megawachstums von US-Schieferöl sind vorbei.
Mehr als 85 % der 153 von der Dallas Fed befragten US-Ölunternehmen gaben an, sie erwarten bis Ende 2024 eine massive Einengung des Ölangebots. Grund dafür sind wachsende Probleme auf der Angebotsseite wie steigende Produktionskosten und die zunehmende Erschöpfung von leicht zugänglichen Schieferölvorkommen.
Das Kostenproblem drückt bereits jetzt auf die Aktivität im US-Ölsektor. Der Aktivitätsindex der US-Ölfirmen sank zuletzt im 1. Quartal 2023 auf 2,1 – von 30,3 im 4. Quartal 2022. Ein Wert nahe Null signalisiert hier, dass die Aktivität im US-Ölsektor nahezu unverändert war gegenüber dem Vorquartal. Das aber dokumentiert einen ersten signifikanten Bruch in einer langen Serie von Aktivitätswachstum über mehr als 2 Jahre bis zum 4. Quartal 2022.
Hierzu ein Kommentar aus der Umfrage: „Die Erschöpfung des Schieferkerns und Bedenken hinsichtlich der Lagerbestände sind gängige und gut dokumentierte Probleme. Die Schieferförderung wird wahrscheinlich in fünf Jahren ihr Peak erreichen und die US-Produktion wird schnell um 20 bis 30 % zurückgehen. Die Ölpreise in den späten 2020er Jahren werden drastisch steigen.“
Noch sind die USA der größte Ölproduzent der Welt. Ein Rückgang der US-Ölproduktion könnte so schnell vonstattengehen, wie sich das Land vor ein paar Jahren zur globalen Nummer 1 aufgeschwungen hatte mit seinen Schieferfeldern. Aber sicher geht diese Entwicklung nicht ohne steigende Ölpreise vor sich.
Spätestens ab dem 3. Quartal übersteigt die Ölnachfrage das Angebot und die Ölbestände sinken deutlich
Quelle: Internationale Energieagentur Ölmarktreport 14.April 2023
Fazit: Ölpreise werden bis zum Ende dieses Jahres wieder deutlich steigen
Angesichts der Entwicklung der globalen Öl-Nachfrage und des US-Ölangebots, sowie der schlauen Handhabung der OPEC-Förderquoten gehe ich davon aus, dass wir bis Ende dieses Jahres wieder deutlich höhere Ölpreise sehen werden. Aktuell deuten die Indikatoren noch nicht daraufhin, dass der übergeordnete Abwärtstrend schon ein Ende gefunden hat. Aber es dürfte nicht mehr allzu lange dauern. Zu den aktuellen Preisen werden die Ölproduzenten bald ihr Öl nicht mehr herausgeben.