Kommt der Ölpreisschock?
Manchmal ist es erstaunlich wie wenig Notenbanker doch aus der Vergangenheit lernen. Wie zum Beispiel die aktuellen Währungshüter der US-Notenbank FED und der europäischen Notenbank EZB. In beiden Fällen haben die Notenbanker sträflich nicht kapiert, dass steigende Rohstoffpreise die Inflation antreiben würden.
Auch haben sie sich selbst mit der Wirkung ihrer Zinspolitik auf die Inflation überschätzt und unterschätzen sich gleichzeitig aktuell mit der Wirkung ihrer Zinspolitik auf die Konjunktur.
Nun grätscht ein steigender Ölpreis dazwischen und lässt die Notenbanker offenbar ratlos zurück.
Der Ölpreis seit Jahresbeginn: Kein Halten mehr?
Quelle: stockcharts.com
Die Notenbanken treten von einem Fettnäpfchen ins Nächste
Es ist doch so: Vor der Pandemie haben die meisten Zentralbanken Anstiege der Ölpreise sträflich ignoriert. Genauso wie den massiven Anstieg nach der Pandemie – zumindest bis sich dann der Anstieg der Rohstoffpreise (wie ich es schon 2021 immer wieder schrieb) auch in den Inflationsdaten auswirkte.
Danach kam dann die globale Zinskeule und der Versuch Preisblasen einzudämmen. Leider läuft diese Rechnung ohne die Realität in den Rohstoffmärkten. Denn diese befinden sich vielfach dank jahrelanger Unterinvestitionen in defizitären Zuständen.
Ähnliches gilt aktuell für den Ölmarkt: Hier geht es nämlich nicht nur um das böse Saudi-Arabien, das das Ölangebot einschränkt, sondern auch um weltweit extrem niedrige Lagebestände. Und es geht vor allem darum, dass Öl nach wie vor der weltweit wichtigste Energierohstoff ist.
Und auch wenn wir jetzt ganz bestimmt – nachdem die Notenbanken letzte Woche noch einmal ganz deutlich gemacht haben, dass sie sie Zinsen oben behalten, vielleicht sogar anheben werden – auf eine Rezession in den USA (in Deutschland ja sowieso) zulaufen, ist eine Rezession kein Covid-Stillstand.
Auch in einer Rezession fahren die Menschen noch von A nach B, heizen, gibt es noch Fabriken die produzieren, wollen die Menschen essen, auch Bananen und Erdbeeren aus Spanien, oder Orangensaft aus Brasilien usw.
Eine Rezession wird die globale Ölnachfrage, vor allem angesichts der prekären Lagerbestandssituation, nicht über den Haufen werfen.
Für die EZB basierten die jüngsten Projektionen der Experten auf der technischen Annahme eines durchschnittlichen Ölpreises von 82 USD-Dollar pro Barrel im Jahr 2024. Sollten die Ölpreise im nächsten Jahr aber bei durchschnittlich 95 US-Dollar pro Barrel liegen, würde dies die Inflationsprognosen der EZB für 2024 deutlich ansteigen lassen. Infolgedessen wird die EZB also an ihrer hawkishen Zinspolitik festhalten – genauso wie die FED.
Und damit treten die Notenbanker dann in das nächste Fettnäpfchen.
Denn hohe Ölpreise können die Notenbanken nicht mit ihrer Zinspolitik bekämpfen. Stattdessen würgen sie nicht nur das Wirtschaftswachstum ab, sondern bedrohen auch die fundamentalen Sicherheiten der Menschen. Wenn Hypothekenzinsen steigen, ebenso wie Kreditzinsen, dann leiden Private wie Unternehmen.
Liebe Notenbanken, mit einem abgewürgten Kreditmarkt werdet ihr den Konsum (von dem ihr immer noch glaubt, dass er die fundamentale Grundfeste unseres Konjunkturwachstums sei) nicht wieder ankurbeln können. Wer kann schon konsumieren, wenn das Geld fürs Wohnen, Heizen und den Schuldendienst draufgeht? Und am Ende wird euch klar werden, dass ihr die Inflation auf diese Art nicht bezwingen könnt. Stattdessen winkt die Stagflation. Hoffen wir, dass die Notenbanken vorher wach werden.
Wann sinken denn dann die Ölpreise?
Einfache Antwort: Nicht dann, wenn es die Notenbanken wollen.
Aber ich schätze es gibt auch hier Licht am Ende des Tunnels: Die Angebotsseite wird einen Preis von über 100 US$ vermutlich auch als schädlich für die Nachfrage interpretieren und in diesem Fall wohl ziemlich rasch gegensteuern.
Aber ein Level von 85-90 US$ pro Barrel Öl wird künftig die untere Grenze sein, denn das ist die Schmerzgrenze für Saudi-Arabien.
Fazit: Auf höhere Ölpreise muss man sich einstellen…
…auf einen Ölpreisschock nur bedingt und m.E. in Abhängigkeit davon, ob die Notenbanken doch noch einmal einen Funken Cleverness hervorbringen können. Denn, liebe Notenbanken, wenn ihr schon keinen nachhaltig senkenden Einfluss auf die Rohstoffpreisentwicklung haben könnt, könnt ihr dennoch dafür sorgen, dass der Konsum aufrecht erhalten wird, indem ihr Menschen und Unternehmen gestattet, weniger Geld für den Schuldendienst zu opfern.