Erdöl: Die Abwärtsrisiken sind begrenzt
Trotz der jüngsten Erholung der Rohölpreise handelt Brent aktuell noch immer etwa 9 % unter dem Hoch vom April. Ein Großteil der jüngsten Schwäche des Rohöls ist auf zwei Themen zurückzuführen: Hoffnungen auf einen Waffenstillstand im Nahen Osten und eine schwache chinesische Wirtschaft.
Ölpreis Brent: Beginn der Bodenbildung?
Quelle: stockcharts.com
Thema Waffenstillstand ist schon eingepreist
Was das erste Thema betrifft, so scheint es, dass die erwartete Waffenstillstandsvereinbarung vermutlich wieder einmal gescheitert ist. Nach einigen „konstruktiven“ Fortschritten blieben US-Vertreter zunächst in Ägypten. Ein Blick auf die Geschichte lässt zumindest keinen schnellen Lösungen erwarten.
Da der Ölpreis in der Nähe seiner Tiefststände von 2024 gehandelt wird, bin ich der Meinung, dass das Risiko von hier aus nach oben gerichtet ist. Wenn tatsächlich eine Waffenstillstandsvereinbarung erzielt wird, werden die Händler wohl gezwungen sein, ihren Fokus auf andere Faktoren zu richten.
Chinas Petrochemie wächst
China beweist ein solides BIP-Wachstum mit einer Jahresrate von derzeit 4,7 %. Das liegt allerdings unter den Erwartungen und auch das chinesische Ölnachfragewachstum zeigte sich schwächer als erwartet im monatlichen Vergleich.
Dies dürfte jedoch längerfristig durch das schnelle Wachstum des petrochemischen Sektors des Landes aufgewogen werden.
Dazu schreibt die Internationale Energieagentur:
«Die Geschwindigkeit und das Ausmaß des Ausbaus des chinesischen Petrochemiesektors übertrifft alle historischen Präzedenzfälle und verdoppelt in etwa das Tempo früherer Kapazitätserweiterungen im Nahen Osten und in den Vereinigten Staaten. Zwischen 2019 und 2024 wird China so viele Produktionskapazitäten für Ethylen und Propylen – die beiden wichtigsten petrochemischen Bausteine – aufbauen, wie es sie derzeit in Europa, Japan und Korea zusammen gibt.» Das wird die chinesische Ölnachfrage langfristig hoch halten.
OPEC wird Rücknahme der Kürzungen überdenken
Die OPEC hat ihre Prognose für das globale Ölnachfragewachstum in diesem Jahr von 2,25 Mio. Barrel pro Tag auf 2,11 Mio. Barrel pro Tag gesenkt. Dies kann in meinen Augen nur eines bedeuten: Die OPEC wird wohl die Ankündigung einen Teil ihrer Produktionskürzung zurücknehmen zu wollen, vorerst noch ad acta legen.
Eine Überschwemmung des Marktes mit OPEC-Öl in einer Zeit, in der sich das globale Wachstum verlangsamt und der Wettbewerb um Öl zunimmt, halte ich doch für sehr unwahrscheinlich. Das bedeutet, dass der Ölmarkt, der sich bereits aktuell in einem Defizit befindet, auch weiterhin defizitär bleibt.
US-Rohölvorräte sinken
Wie die EIA in ihrem letzten wöchentlichen Lagerbestandsbericht für den 16. August mitteilte, sind die US-Lagerbestände gegenüber der Vorwoche um 4,6 Mio. Barrel gesunken. Mit 426,0 Mio. Barrel liegen die Rohölvorräte rund 5 % unter dem Fünfjahresdurchschnitt für diese Jahreszeit. Die Benzinvorräte gingen ebenfalls um 1,6 Mio. Barrel zurück und liegen 3 % unter ihrem Fünfjahresdurchschnitt für denselben Zeitraum.
Wenn wir weiter zurückblicken, sehen wir, dass die Rohöl- und Erdölvorräte trotz eines enormen Anstiegs der US-Ölproduktion unter den Tiefstständen seit 1990 liegen.
Der Grund dafür ist neben einem deutlichen Anstieg der US-Exporte auch das Wiederauffüllen der Strategischen Ölreserve der USA.
Fazit: Die Abwärtsrisiken im Ölmarkt sind begrenzt
Ich bin der Meinung, dass die Ölpreise auf den letzten Niveaus einen guten Boden gefunden haben. Das Abwärtsrisiko ist eher begrenzt, es sei denn die gesamte Weltwirtschaft würde sich komplett verschlechtern. Da sich die Preise aber in der Nähe der Tiefststände von 2024 befinden, bin ich der Meinung, dass ein Waffenstillstand im Nahen Osten von den Märkten im letzten Monat weitgehend eingepreist ist.
Eine Analyse von Goldman Sachs hat zudem gezeigt, dass Hedge-Fonds die vierte Woche in Folge Aktien von Unternehmen, die Treibstoff verbrauchen, wie z. B. Fluggesellschaften, verkauft und sich bei Energieaktien eingedeckt haben. Dies deutet auf eine Richtungsänderung positiv für die Energiepreise in den kommenden Monaten hin. Natürlich unter der Voraussetzung, dass die OPEC eine Verlängerung ihrer Kürzungen liefert.
Auf Öl können sie mittels Derivaten wetten, oder auf Ölaktien setzen. Diese sind inzwischen wieder günstig bewertet und zahlen häufig überdies hohe Dividenden.