9-Euro-Ticket und Tankrabatt: Wer profitiert?
- Start des 9-Euro-Tickets: Punker auf Sylt gesichtet
- Großes Kundeninteresse an günstigem Pauschalticket
- Es braucht mehr als nur ein Billigticket
- Tankrabatt: Mit heißer Nadel gestrickt – und dabei verbrannt?
- Politik hängt hinterher – war ein Tankrabatt überhaupt noch nötig?
- Ölkonzerne reichen Rabatt nur teilweise weiter
- Öl- und Geldquellen sprudeln wieder
- Aktien von Ölkonzernen kräftig im Plus
Haben Sie schon beim Tanken gespart? Seit rund einer Woche kommen Deutschlands Bürgerinnen und Bürger in den Genuss der ersten Bestandteile des Entlastungspakets. Damit will die Bundesregierung die Folgen der Inflation im Allgemeinen und der hohen Energie- und Spritpreise im Speziellen für die Verbraucher abfedern und etwas erträglicher machen.
Während geplante Einmalzahlungen an Arbeitnehmer, Familien mit Kindern sowie Bezieher von Ausgleichszahlungen in den kommenden Monaten erfolgen sollen, sind die schlagzeilenträchtigsten Bestandteile des milliardenschweren Pakets seit dem 1. Juni in Kraft: Zum einen das 9-Euro-Ticket, zum anderen der sogenannte Tankrabatt.
Start des 9-Euro-Tickets: Punker auf Sylt gesichtet
Zum 9-Euro-Ticket, das Reisen im öffentlichen Nahverkehr deutschlandweit für 9 Euro pro Monat im Juni, Juli und August ermöglicht, lässt sich bisher wenig Belastbares festhalten. Die Züge waren voll – das sind sie am verlängerten Pfingstwochenende aber eigentlich immer. Punker wurden auf Sylt gesichtet, auch Tagestouristen strömen vermehrt zum Discount-Preis auf die Luxusinsel der Reichen und Schönen ganz im Norden.
Darüber hinaus gab es die üblichen Probleme, die Bahnfahrer schon seit etlichen Jahren gewohnt sind: Verspätungen, Zugausfälle, keine Sitzplatzgarantie. Inwieweit die Situation durch das 9-Euro-Ticket verschärft oder eher dem Pfingstwochenende geschuldet war, wird sich wohl erst in der längerfristigen Betrachtung zeigen.
Großes Kundeninteresse an günstigem Pauschalticket
Schon jetzt ist klar: Das Interesse der Bürger am günstigen ÖPNV ist groß – aber kann dieser auch halten, was er verspricht? Ein preisgünstiges Ticket für jedermann, ohne sich durch den üblichen regionalen Tarifdschungel wühlen zu müssen, ist ein durchaus erstrebenswerter Ansatz. Diesen lohnt es sich, auch über die 3 Monate hinaus weiter zu verfolgen. Vor allem die Grünen, die seit jeher für die Mobilitätswende werben und den Auto- und Flugverkehr reduziert wissen wollen, dürften sich in dieser Hinsicht weiter stark machen.
Doch die Verkehrsverbünde haben andere Pläne. Viele rechnen nach dem Ende des auf drei Monate begrenzten Programms mit kräftigen Preissteigerungen für die Kunden. Darüber hinaus ist festzuhalten: Der Preis allein entscheidet nicht über die Attraktivität des ÖPNV. Es geht auch um die verfügbare Infrastruktur.
Es braucht mehr als nur ein Billigticket
Seit Jahren bemängeln Fahrgäste die altbekannten, bahntypischen Herausforderungen: Schlecht aufeinander abgestimmte Anschlussfahrten, umständlich viele Umstiege im Nahverkehr, fahrtzeitverlängernde Haltestopps auf kurzer Strecke im Fernverkehr, zu wenige Schnellverbindungen mit ICE Sprintern zwischen den Metropolregionen, marode Brücken, baufälliges Schienennetz – von der Taktfrequenz im ländlichen Raum mal ganz zu schweigen. Die Liste ließe sich problemlos fortsetzen.
Um den ÖPNV und speziell die Bahn als Mobilitätsalternative wirklich langfristig attraktiv zu machen, gibt es viel zu tun – und zu investieren. Ob der Bund aber dazu bereit ist, auch künftig Milliardenbeträge bereitzustellen, um die Infrastruktur und das Angebot auf Vordermann zu bringen, ist fraglich.
Tankrabatt: Mit heißer Nadel gestrickt – und dabei verbrannt?
Ebenso fraglich ist der Effekt des vor allem von der FDP vorangetriebenen Tankrabatts. Angestoßen wurde dieser unter dem Eindruck stark steigender Spritpreise an den Zapfsäulen im Frühjahr: Kurz nach Beginn des Kriegsgeschehens in der Ukraine überstieg der Literpreis für Benzin und Diesel in Deutschland erstmals die Marke von 2 Euro.
Galten vor einem Jahr noch Preise jenseits der 1,70 Euro je Liter als ziemlich teuer, werden 1,95 Euro inzwischen als günstig wahrgenommen. Gestrickt wurde der Tankrabatt mit entsprechend heißer Nadel – doch die Umsetzung hinkt der Preisentwicklung hinterher.
Politik hängt hinterher – war ein Tankrabatt überhaupt noch nötig?
Während in Berlin noch über Details diskutiert wurde, ging der Spritpreis zwischenzeitlich schon wieder zurück. Als sich dann aber abzeichnete, dass der Tankrabatt kommen würde, war augenscheinlich ein Auseinanderdriften zu erkennen zwischen der Entwicklung des Ölpreises am Weltmarkt einerseits und derjenigen der Literpreise an deutschen Zapfsäulen andererseits.
Während der Ölpreis zwischenzeitlich zurückging, stieg der Benzinpreis weiter an – und lag Ende Mai, kurz vor Inkrafttreten der dreimonatigen „Rabattaktion“, wieder deutlich über 2 Euro. Durch Steuerverzicht sollte der Preis dann zum 1. Juni für Benzin um etwas mehr als 30 Cent je Liter sinken, Diesel sollte rund 17 Cent günstiger zu haben sein.
Ölkonzerne reichen Rabatt nur teilweise weiter
Tatsächlich dürfte nur ein Bruchteil dieses Effekts bei den Verbrauchern ankommen. Erste Schätzungen legen nahe, dass etwa die Hälfte der Steuerersparnis weitergereicht wurde. Den Rest haben die Mineralölkonzerne für sich verbucht. Trotz aller politischen Appelle – eine gesetzliche Verpflichtung, den Steuerrabatt an die Kunden 1:1 weiterzugeben, gibt es nicht.
Zwar hatte das Bundeskartellamt im Vorfeld angekündigt, die Preisentwicklung genau im Auge zu behalten und verstärkt auf mögliche Preisabsprachen zwischen den Ölmultis zu achten. Diese jedoch sind relativ frei in ihrer Preisgestaltung und wissen ihre Vorteile so geschickt wie legal zu nutzen.
Öl- und Geldquellen sprudeln wieder
Bereits im Auftaktquartal hatten Konzerne wie Shell, BP, ExxonMobil, Chevron oder Total satte Gewinne eingestrichen. Saudi Aramco stieg zum Unternehmen mit dem weltweit höchsten Börsenwert auf und stieß damit nach Jahren den iPhone-Hersteller Apple vom Thron der wertvollsten börsennotierten Konzerne.
Vieles spricht dafür, dass neben den Öl- auch die Geldquellen weiter kräftig sprudeln dürften für die marktdominierenden Ölkonzerne – mitsubventioniert vom deutschen Staat, und damit letztlich: vom Steuerzahler.
Aktien von Ölkonzernen kräftig im Plus
Wer sich einen Teil dieses Geldes zurückholen will, schaut sich dementsprechend dieser Tage vermehrt nach Aktien aus der eigentlich längst abgeschriebenen Ölindustrie um. Allein in den vergangenen sechs Monaten ging es für die Anteilsscheine von BP und Total um rund 25 Prozent aufwärts. Die Saudi Aramco Aktie legte um 28 Prozent zu, Shell notiert auf Halbjahressicht mehr als 40 Prozent im Plus.
Besonders gut konnten aus Anlegersicht die US-Multis abschneiden: Chevron hat in den zurückliegenden sechs Monaten fast 60 Prozent zugelegt, die Aktie von ExxonMobil hat sich im gleichen Zeitraum um zwei Drittel verteuert. Beide Papiere liegen auf Jahressicht mehr als 80 Prozent im Plus.
Frische Zahlen zum laufenden Quartal gibt es dann im Sommer. Hier machen Shell und Total am 28. Juli den Auftakt, gefolgt von ExxonMobil und Chevron am 29. Juli. BP gewährt am 02. August Einblick in die Geschäftsbücher. Saudi Aramco legt seine Quartalszahlen am 15. August vor.