Protektionismus: Wie Mexiko die Lithiumbranche vergrault

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Vielleicht errinern Sie sich: 2022 hatte der mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador die Bergbaugesetzgebung des nordamerikanischen Landes reformiert, um die staatliche Kontrolle über strategische Mineralien zu erhöhen. Im Fokus der Reform steht vor allem Lithium.

Das rohstoffreiche Mexiko, das traditionellerweise vor allem durch seine Gold- und Silbervorkommen bekannt ist, ruft inzwischen auch in Sachen Lithium Begehrlichkeiten hervor. Experten schätzen die mexikanischen Reserven auf rund 1,7 Millionen Tonnen. Das wären in etwa 2,5 % der globalen Lithiumvorkommen.

Protektionismus beim Lithium: Mexikos Präsident zieht Daumenschrauben an

López Obrador jedenfalls will erreichen, dass dieser Rohstoffschatz mehr der heimischen Bevölkerung zugutekommt und weniger den ausländischen Investoren. So sieht das reformierte Bergbaugesetz vor, dass private Player nur in Kooperation mit staatlichen Akteuren im Lithiumsektor tätig sein dürfen. Hierfür wurde eigens das Staatsunternehmen LitioMx gegründet. Dieser Akteur soll sicherstellen, dass der Staat Mexiko die Kontrolle über die Lithium-Projekte behält und dass die privaten Partner sich streng an die ökonomischen und ökologischen Regularien halten.

„Wir nationalisieren das Lithium, damit Ausländer es nicht ausbeuten können, seien sie aus Russland, China oder den USA“, hatte der Präsident im letzten Jahr anlässlich der Verabschiedung des neuen Bergbaugesetzes postuliert.

Der Clou: In den letzten Jahren haben immer Autobauer in Mexiko investiert und dort neue Fabriken hochgezogen oder ältere erweitert. Erst im Februar etwa hatte Volkswagen eine Milliardeninvestition für dessen mexikanische Niederlassung angekündigt. Neben den Deutschen sind in Mexiko auch andere Großkonzerne wie Ford und General Motors zugegen.

Das Stichwort lautet Nearshoring. Heißt: Die Autobauer zielen mit ihren Fabriken in Mexiko vor allem auf den benachbarten Mega-Markt USA ab. In Mexiko sind die Lohn- und Investitionskosten deutlich geringer als in den USA. Entsprechend können die Autobauer dort ihre Gewinnmargen optimieren. Gleichzeitig sind Mexiko und die USA Partner im Rahmen des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (NAFTA), was den Import von Waren aus Mexiko in das Nachbarland noch lukrativer macht.

Nun soll die Wertschöpfungskette in Mexiko für Elektroautos geschlossen werden. Hierfür braucht es jede Menge Lithium, Verarbeitungsanlagen und nicht zuletzt Batteriefabriken. Der deutsche Premium-Hersteller BMW etwa hatte erst im letzten Monat mit dem Bau eines großen Akku-Werks in Mexiko begonnen. Und auch der US-Pionier Tesla sowie dessen schärfster Konkurrent BYD wollen in dem Land Akkus im großen Stil produzieren.

Ganfeng: Chinas Lithiumprimus schielt auf Mexiko

Aber was ist mit dem Lithium? Hier gibt es bislang keine kommerzielle Produktion. Das fortgeschrittenste Projekt jedenfalls wird vom chinesischen Mega-Konzern Ganfeng Lithium forciert und befindet sich im nördlichen Bundesstaat Sonora. Ganfeng ist einer der größten Lithiumproduzenten der Welt und Chinas Nummer 1. Das Unternehmen hat in den letzten Jahren rund um den Globus in Lithiumlagerstätten investiert, beliefert große Autokonzerne mit batteriefähigem Material und inzwischen auch mit fertigen Akkus.

Auf der Weltkarte sehen Sie die Aktivitäten von Ganfeng:

Quelle: Ganfeng Lithium (https://www.ganfenglithium.com/about3_en.html)

Ganfeng versinnbildlicht also das aggressive Expansionsstreben der Chinesen im Lithiumsektor. Und eben diese Strategie sorgt in Mexiko mittlerweile für Unmut. Kein Wunder also, dass das Ganfeng-Projekt inzwischen auf Eis liegt. 2023 hatten mexikanische Behörden die Konzessionen von Ganfeng nachträglich annulliert und die Maßnahme damit begründet, dass die Chinesen die Mindestanforderungen bezüglich des Investitionsvolumens nicht erfüllt hätten. Mexiko wirft Ganfeng also vor, zu wenig Geld in das Projekt zu stecken.

Hintergrund: Ganfeng hatte 2022 das Unternehmen Bacanora übernommen. Diese Firma hatte bereits vor mehr als zehn Jahren die Lizenz erhalten, den Lithium-Standort in Sonora zu explorieren und schließlich zu entwickeln. Bacanora war bereits ziemlich weit fortgeschritten, als die Chinesen in das Projekt eingestiegen sind. Der dortige Tagebau und die Verarbeitungsanlage sollten rund 35.000 Tonnen pro Jahr hervorbringen und wären die erste maßgebliche Lithiumproduktion Mexikos gewesen.

Zwar hatte Ganfeng nach Verabschiedung des neuen Bergbaugesetzes versucht, eine öffentlich-private Partnerschaft zu bilden, um das Projekt fortsetzen zu können. Doch diese Versuche scheiterten – ebenso die juristischen Offensiven der Chinesen vor lokalen mexikanischen Gerichten.

Ganfeng vs. Mexiko: Schiedsgericht soll Rechtslage klären

Es liegt also nahe, dass der Rohstoffkonflikt jetzt in die nächste Runde geht. Wie aus Medienberichten hervorgeht, bemüht Ganfeng nun ein internationales Schiedsgericht: das zur Weltbankgruppe gehörende Centre for Settlement of Investment Disputes (ICSID). Diese Institution soll Investitionsstreitigkeiten zwischen privaten Unternehmen und Staaten klären. Bekanntheit erlangte das ICSID hierzulande, als der Energiekonzern Vattenfall gegen die Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit der Abschaltung der Kernkraftwerke vor Gericht zog.

Die Entscheidungen des Schiedsgerichts sind für alle Staaten bindend, die die ICSID-Konventionen ratifiziert haben. Dazu zählt auch Mexiko. Ganfeng betonte im Vorfeld des Verfahrens, dass das Unternehmen bzw. seine mexikanischen Tochtergesellschaften ausreichende Belege für die Einhaltung der Mindest-Investitionsquote vorgelegt habe. Zudem könne das neue Bergbaugesetz in Mexiko nicht rückwirkend angewendet werden. Die seit Jahren geltende Konzession könne somit nicht annulliert werden. Unterstützung erhält Ganfeng bei dieser Argumentation vom mexikanischen Bergbauverband CAMIMEX.

López Obrador: Schuss ins eigene Knie?

Es bleibt nun abzuwarten, wie das Schiedsgericht entscheiden wird. Experten schreiben den Chinesen aber recht hohe Chancen auf Erfolg zu. Ganfeng könnte demnach mitunter glaubhaft machen, dass es sich bei der Annullierung der Konzession um eine unrechtmäßige Enteignung gehandelt habe.

Die Regierung von López Obrador hätte sich dann ins eigene Knie geschossen. Mexiko müsste im Worst Case eine hohe Entschädigung an Ganfeng bezahlen – das Projekt wird auf mehr als 1 Mrd. USD taxiert – oder würde unter Druck geraten, die protektionistischen Änderungen im Bergbaurecht wieder zu entschärfen.