Öl- und Gasbranche: Eine aktuelle Analyse

Erdöl
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Der DAX und weitere große internationale Aktien-Indizes marschierten zuletzt von Allzeithoch zu Allzeithoch. Die Rekordjagd wird jedoch noch nicht von der breiten Masse der Aktiengesellschaften getragen. Speziell Technologie-Werte laufen oft sehr gut, während Aktien aus anderen Branchen noch weit unter den alten Rekordwerten liegen.

So notieren auch viele Aktien aus der Öl- und Gasbranche weit unter den alten Rekordmarken. Der Gaspreis notiert zwar deutlich unter den „Panik-Preisen“, die nach Verhängung der Sanktionen gegen Russland erreicht wurden. Aber der Ölpreis ist in den vergangenen Wochen schon wieder von 75 auf rund 83 US-Dollar je Barrel geklettert und notiert damit etwa 40% über dem Preisniveau von vor 10 Jahren.

Die meisten Öl- und Gaskonzerne verdienen nach wie vor prächtig

Trotz der Preisschwankungen verdienen die meisten Öl- und Gaskonzerne aktuell sehr gutes Geld. Die hohen Unternehmensgewinne führen in Kombination mit niedrigen Aktienkursen dazu, dass die fundamentalen Bewertungen sehr attraktiv sind. Das bedeutet: Die Aktien weisen oft ein niedriges Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) und eine hohe Dividenden-Rendite auf.

Warum schwächeln die Aktien dennoch? Hier gibt es mehrere Gründe:

  1. Angst vor Nachfrageeinbruch in einer Konjunkturkrise.
  2. Angst, dass Öl und Gas zeitnah durch erneuerbare Energien ersetzt werden.
  3. Einige Anleger wollen oder dürfen nicht mehr in Unternehmen investieren, die ihr Geld mit fossilen Brennstoffen verdienen.

Der erste Punkt ist ein „Klassiker“ in der Ölbranche. Die Branche befindet sich permanent im Auf- oder Abschwung. Hier ist es taktisch klug, nicht dann zu kaufen, wenn die Stimmung gut ist (hohes Kursniveau), sondern genau dann, wenn die Stimmung schlecht ist (günstige Schnäppchenkäufe). Dafür benötigen Sie jedoch gute Nerven, da vorab nie klar ist, wann der Tiefpunkt erreicht wurde, und die nächste Rally startet.

Es kann also passieren, dass die Aktie nach Ihrem Einstieg zunächst noch 10 oder 20% fällt. Als „Schmerzensgeld“ kassieren Sie in diesen Phasen aber oft üppige Dividenden und können entspannt auf den nächsten Aufschwung warten.

Entwicklung der langfristigen Ölnachfrage unklar

Die Punkte 2 und 3 sind relativ neu. Da gibt es keine historischen Muster als Orientierungspunkt. Ich muss es offen sagen: Es ist völlig unklar, wie die Ölnachfrage langfristig aussehen wird.

Ein Beispiel: Die Internationale Energieagentur (IEA) hat im vergangenen Jahr folgendes Basisszenario veröffentlicht: Aktuell werden pro Tag knapp 100 Mio. Barrel Öl verbraucht. Dieser Wert könnte in den nächsten Jahren leicht steigen oder stagnieren, um dann bis 2030 auf rund 92,5 Mio. Barrel pro Tag zu sinken.

Bis 2050 setzt sich laut IEA der Rückgang fort und lässt den Verbrauch langfristig auf 54,8 Mio. Barrel pro Tag sinken, was auf Sicht von gut 25 Jahren grob eine Halbierung wäre. Sollten die großen Verbraucher die Energiewende deutlich langsamer vollziehen, hält es die IEA aber auch für möglich, dass der tägliche Ölverbrauch bis 2050 nur ganz leicht auf 97,4 Mio. Barrel sinkt.

Noch ganz andere Zahlen erwarten die Öl-Produzenten. Die OPEC, die Vereinigung der Erdöl exportierenden Länder, erwartet, dass die tägliche Ölnachfrage bis 2045 sogar auf 116 Mio. Barrel steigen wird.

Mein Fazit: In den kommenden Jahren könnte der Ölverbrauch auf über 100 Mio. Barrel pro Tag steigen, in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts dann Richtung 90 Mio. Barrel fallen. Das wäre insgesamt eine relativ stabile Nachfrage. Ein Ideal-Szenario für die Öl-Konzerne. Aus meiner Sicht also kein Grund, Öl- und Gas-Aktien aktuell zu meiden – ganz im Gegenteil.