Lithium-Poker in Serbien: Geht diese Wette auf?

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Auch Rio Tinto sieht in Lithium einen interessanten Rohstoff mit ordentlich Wachstums- und Gewinnpotenzial. So erwartet Konzernchef Jakob Stausholm, dass die Nachfrage nach Lithium durch die Batterie- und vor allem Elektroautoindustrie jedes Jahr prozentual zweistellig wachsen und der Markt bis 2030 etwa zehnmal so groß sein wird wie 2020.

Stausholm will den Traditionskonzern deshalb in Richtung Lithium aufstellen und Branchengrößen wie Albemarle und SQM unter Druck setzen. Das wichtigste Projekt hierfür hört auf den Namen Jadar und befindet sich im gleichnamigen Tal in Serbien.

Lithium-Projekt in Serbien: Rio Tinto und das Dilemma mit Jadar

Die Mine soll über einen Zeitraum von 40 Jahren rund 58.000 Tonnen Lithiumkarbonat-Äquivalent pro Jahr hervorbringen. Damit wäre Rio Tinto auf einen Schlag einer der zehn größten Lithiumhersteller der Welt. Jadar könnte pro Jahr rund 1 Million Elektroautos versorgen.

Doch ganz unproblematisch ist das Projekt nicht. Laut einer aktuellen Umfrage der Denkfabrik New Serbian Political Thought sprechen sich fast zwei Drittel der Serben gegen das Projekt von Rio Tinto aus – wegen erheblicher Umweltbedenken. In den letzten Jahren kam es immer wieder zu lautstarken Protesten auf den Straßen, denen sich Zehntausende Menschen angeschlossen hatten.

2022 hatte die serbische Regierung das Projekt Jadar deshalb gestoppt. Doch kürzlich hat Belgrad die Lizenz zur Entwicklung der Mine wieder reaktiviert. Staatspräsident Aleksandar Vučić betonte das wirtschaftliche Potenzial des Projekts. Die Regierung schätzt, dass Jadar das jährliche Bruttoinlandsprodukt des Landes um 10 bis 12 Milliarden Euro steigern könnte.

Zum Vergleich: 2022 hatte Serbien insgesamt knapp 64 Milliarden Euro erbracht. Vučić will Jadar zum Ausgangspunkt einer tiefgreifenden Wertschöpfungskette aufbauen. So sollen in Serbien künftig nicht nur der Rohstoff gefördert, sondern auch batteriefähiges Material, die Batterien selbst und letztendlich auch Elektroautos produziert werden.

EU und Bundeskanzler Scholz unterstützen Jadar

Unterstützung gibt es derweil aus der EU. Unlängst hat zum Beispiel Bundeskanzler Olaf Scholz das strategische Interesse an europäischem Lithium bekräftigt und Jadar in diesem Kontext als wichtiges Projekt geadelt.

Das Kalkül: Die EU-Staaten wollen ihre Bezugsquellen beim Lithium diversifizieren und ihre Abhängigkeit vor allem von China reduzieren. Hierfür soll das massive Vorkommen im Jadar-Tal, immerhin wohl das größte in Europa, eine wichtige Rolle spielen.

Chinesische Unternehmen haben in den letzten Jahren viel Geld in die Hand genommen, um weltweit in entsprechende Minenbetriebe und Raffinerieanlagen zu investieren, während westliche Akteure größtenteils an der Seitenlinie blieben. China kontrolliert derzeit etwa 60 % der weltweiten Lithiumraffination in Batteriequalität, so die Daten von S&P Global Market Intelligence. Für die europäischen Regierungen ist das mit Blick auf die Handelskonflikte mit Peking ein Unsicherheitsfaktor, den es so schnell wie möglich zu lösen gilt. Jadar wäre hierfür ein wichtiger Faktor.

Proteste halten an: Rio Tinto geht in die Offensive

Trotzdem: Unter Dach und Fach ist das Projekt längst noch nicht. Trotz der inzwischen wieder erteilten Entwicklungsgenehmigung fehlt Rio Tinto nach wie vor die Lizenz zur Rohstoffförderung und zum Bau der Mine. Um die Baugenehmigung zu erhalten, muss eine umfangreiche Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden. Der Konzern jedenfalls sieht sich in der Opferrolle: Angesichts der immer noch andauernden Proteste konstatiert Rio Tinto eine angebliche Desinformationskampagne und fordert einen faktenbasierten Dialog.

Tatsächlich will der Minengigant seine öffentliche Kampagne in Serbien nun stärken, wie das Unternehmen vor wenigen Tagen bekannt gab. Hierfür sollen Auftritte in den lokalen Medien und bei Konferenzen die Stimmung zugunsten des Konzerns kippen. Ob sich dieses Engagement am Ende als wirksam herausstellen wird, bleibt freilich abzuwarten.

Mein Fazit für Sie

Die Unsicherheiten rund um Jadar bleiben also bestehen. Für Rio Tinto wäre ein Scheitern des Projekts natürlich erst einmal ein herber Schlag und würde die bisherigen Investitionen zunichtemachen. Eine Katastrophe wäre es meiner Meinung nach aber nicht. Der Konzern hat etliche andere Assets, die stark zukunftsfähig sind – z.B. Aluminium und Kupfer. Zumal Rio auch in Sachen Lithium noch andere Pfeile im Köcher hat, etwa das Rincon-Projekt in Argentinien, die inzwischen angekündigte Raffinerie-Kooperation mit Green Lithium in Großbritannien oder die kürzlich kolportierte, mögliche Übernahme von Arcadium Lithium.

Mit Blick auf das Große und Ganze wäre ein Scheitern von Jadar möglicherweise sogar positiv. Denn: Der globale Lithium-Markt wird aktuell von Überkapazitäten geprägt, die noch einige Jahre anhalten dürften. Das setzt den Marktpreis unter Druck und verringert die Gewinnmargen führender Akteure wie Albemarle oder SQM.

Im Chart sehen Sie den massiven Preisverfall des Batteriemetalls nach der Rallye im Jahr 2022 (Stand: 01.10.2024):

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Quelle: https://tradingeconomics.com/commodity/lithium

Für den Weltmarkt wäre es im Sinne einer wieder dringend notwendigen Verengung meiner Meinung nach also wohl gar nicht so schlecht, wenn ein Mega-Projekt wie Jadar zu den Akten gelegt werden würde. Aktien wie Albemarle könnten davon somit eher profitieren.