USA vs. China: Dieser Rohstoff steht zwischen den Fronten
Ob Kupfer, Aluminium, Silber, Nickel, Kobalt oder Lithium: Sie alle sind wichtige Rohstoffe der Energiewende und stehen wegen ihrer teils kritischen Versorgungslage aktuell in der Öffentlichkeit. Doch einen ganz bestimmten Rohstoff haben viele Menschen in diesem Kontext gar nicht auf dem Schirm: Graphit.
Für Sie zur Einordnung: Graphit ist eine Kohlenstoffform und in verschiedenen Industriebreichen ein wichtiger Rohstoff. So wird Graphit zum Beispiel in der Stahlherstellung als Kohlenstoffquelle und in Form von Elektroden in Lichtbogenöfen gebraucht. Zudem gilt Graphit als wirksamer Schmierstoff – vor allem in Anwendungen, die mit einer hohen Temperatur in Zusammenhang stehen. Weitere Anwendungsfelder sind Kunststoffe, Dichtungen, Bremsbeläge, Flugzeugkomponenten, Schmelztiegel, Katalysatoren, Schreibwaren und nicht zuletzt Lithium-Ionen-Batterien.
Graphit unverzichtbar für Lithium-Ionen-Akkus
Vor allem letztere sind derzeit hoch brisant. Denn: Zum einen wird die Nachfrage nach solchen Akkus in den kommenden Jahren im Zuge der Elektromobilität deutlich ansteigen und zum anderen ist Graphit für eben diese Batterien unverzichtbar. Die Kohlenstoffmodifikation kommt in Lithium-Ionen-Akkus in der Anode zum Einsatz.
Die schichtartige Struktur des Graphits kann die Lithium-Ionen aufnehmen, speichern und bei Bedarf wieder an die Kathode abgeben, wodurch letztendlich elektrische Energie freigesetzt wird. Der Rohstoff ist also für die grundlegende Funktion einer solchen Batterie verantwortlich. Gleichzeitig bietet Graphit eine hohe spezifische Kapazität, wodurch der Stoff große Mengen an Lithium-Ionen pro Gramm Material aufnehmen kann, was die Energiedichte des Akkus verbessert. Nicht zuletzt ist Graphit chemisch stabil und kann etliche Ladezyklen durchlaufen, ohne dass sich dessen Struktur maßgeblich verändert.
Batterie-Boom = Graphit-Boom
Der Bedarf an Graphit jedenfalls hat in den letzten fünf Jahren nach Angaben des U.S. Geological Survey bereits um mehr als +200 % zugelegt – wegen dessen Bedeutung für wiederaufladbare Batterien. Experten erwarten für die kommenden Jahre und Jahrzehnte weitere enorme Wachstumssprünge.
Das Problem: Auch bei diesem Rohstoff ist die Welt von China abhängig. Die Volksrepublik ist für rund 75 % der weltweiten Primärförderung von natürlichem Graphit verantwortlich und spielt auch beim synthetischen Graphit, das aus kohlenstoffhaltigen Materialien wie Erdöl und Kohle unter Nutzung sehr hoher Temperaturen produziert wird, eine ausschlaggebende Rolle. Zudem ist China der mit Abstand wichtigste Raffineur und verarbeitet fast die gesamte globale Graphitmenge zu batteriefähigem Material.
China hat die westlichen Staaten in Sachen Graphit also praktisch in der Hand. Kein Wunder also, dass der Stoff längst ein Politikum ist. Vielleicht hatten Sie es auch in den Medien gelesen: China hatte im letzten Herbst für verschiedene Graphitsorten verschärfte Exportregularien etabliert, um die Ausfuhren im Zweifelsfall behördlich einschränken oder verbieten zu können. Peking antwortete damit auf die Sanktionen der USA gegen den chinesischen Chipsektor.
USA lassen Zollausnahmen für Graphit auslaufen
Interessant ist, dass jetzt auch die USA ihrerseits in Sachen Graphit zurückschlagen. Hintergrund: Zwar haben die USA in den letzten fünf Jahren mit Blick auf den Handelskonflikt etliche neue Zölle auf chinesische Produkte erhoben. Doch Graphit blieb davon bislang ausgenommen, um zu verhindern, dass die Kosten für die heimische Batterie- und Autobranche signifikant steigen.
Nun aber gibt es offenbar eine Kehrtwende. Medienberichten zufolge soll die Zollbefreiung für chinesische Graphitanoden auslaufen – und das bereits Ende dieser Woche. Die Zölle sollen sich auf 25 % belaufen und synthetische sowie natürliche Graphitanoden umfassen. Der Schritt folgt auf eine bereits im Mai angekündigte Maßnahme, wonach auch auf unverarbeitetes Naturgraphit aus China Zölle erhoben werden sollen.
Die Folge: Die Produkte aus China werden perspektivisch deutlich teurer, was sowohl die Batterien als auch letztendlich die Elektroautos kostspieliger machen dürfte. Ganz auf chinesische Graphitanoden kann die US-Industrie angesichts der hohen Abhängigkeit im Bereich der verarbeiteten Batteriematerialien zwar nicht verzichten. Dennoch dürften die Batteriehersteller nun verstärkt nach den wenigen Lieferanten Ausschau halten, die außerhalb Chinas Graphitanoden produzieren.
Neue Lieferketten müssen her: IRA-Sonderregelung soll 2027 enden
Hinzu kommt, dass nach aktuellem Stand 2027 die Sonderregelung für Graphit im Rahmen des Inflation Reduction Act (IRA) wegfallen soll. Subventionen für Elektroautos sind in den USA an Bedingungen gebunden – etwa die Herkunft der Rohstoffe. Stammen diese z.B. aus Russland und China dürfen die entsprechenden E-Autos staatlich nicht per Steuergutschriften gefördert werden. Doch auch hier gibt es freilich Ausnahmen. Wegen der hohen Abhängigkeit von China ist Graphit nicht, bzw. noch nicht Teil dieser Subventionskondition. Heißt: Zunächst bis 2027 dürfen US-Autobauer Batterien mit chinesischem Graphit nutzen und erhalten trotzdem staatliche Unterstützung.
Anschließend müssen die US-Akteure jedoch alternative Graphitquellen vorweisen, also rechtzeitig eine gänzlich neue Lieferkette aufbauen – und das innerhalb relativ kurzer Zeit. Denn: Bis dato hatte sich die Branche vor allem auf die auch in der Öffentlichkeit wesentlich präsenteren Batterierohstoffe wie Lithium, Nickel und Kobalt konzentriert und Graphit kaum beachtet. Das könnte den US-Autobauern nun auf die Füße fallen, insofern Washington die Ausnahmeregelung für Graphit im Rahmen des IRA nicht über 2027 hinaus weiter verlängert. Das wiederum würde jedoch die Glaubwürdigkeit der USA im Handelsstreit mit China wohl massiv untergraben.
Mein Fazit für Sie
Graphit ist der wohl am meisten unterschätzte Rohstoff der Elektromobilität. Als Anleger können Sie den politischen Streit um den wichtigen Batteriestoff zu Ihrem Vorteil nutzen. Achten Sie auf Unternehmen und Aktien, die in den USA Graphit fördern und vor allem eine Weiterverarbeitung dort forcieren. Zudem interessant sind Graphit-Minen und Raffinerien, die sich in Ländern befinden bzw. gebaut werden, mit denen die USA ein Freihandelsabkommen bzw. sonstige Handelserleichterungen unterhalten.