Vor Coronagipfel: Rückkehr zur Normalität?
Es wirkt paradox: Die 7-Tages-Inzidenzen sind seit Wochen vierstellig, hunderttausende Neuinfektionen mit dem Coronavirus werden Tag für Tag in Deutschland registriert – und doch scheint es so, als würden sich Bund und Länder bei ihrem morgigen Treffen auf umfassende Lockerungsschritte verständigen.
Fallen alle Beschränkungen noch vor Ostern?
Laut einem in den Medien vielzitierten Diskussionspapier ist die Rede von mehreren Öffnungsschritten, die Ende März in der vollständigen Aufhebung der allermeisten Beschränkungen gipfeln sollen. Am Ende bleibt womöglich nur die Maskenpflicht in Innenräumen übrig.
Was betroffene Betriebe, etwa aus der Gastronomie- oder Veranstaltungsbranche, jubeln lässt, sorgt beim Gesundheitsminister für Bauchschmerzen. Karl Lauterbach, Professor mit Spezialgebiet Epidemiologie, warnt vor zu frühen Lockerungen und würde lieber bis Ostern abwarten.
Bringt Omikron nach 2 Jahren Pandemie die Rückkehr zur Normalität?
Doch der Expertenrat, der die Bundesregierung berät, sowie auch Vertreter aus dem Gesundheitswesen halten die Vorbereitung der Lockerungen für machbar. Trotz hoher Infektionszahlen – auch bei doppelt und dreifach Geimpften – hat sich die Hospitalisierungsrate sowie die Intensivbettenbelegung durch Corona-Patienten nicht wesentlich verschlechtert. Seit Beginn der Pandemie geht es darum, das Gesundheitssystem nicht kollabieren zu lassen.
Ausgerechnet Omikron, die hochansteckende Variante, die seit Ende November grassiert und zwar für vermehrte Impfdurchbrüche, aber auch für insgesamt offenbar mildere Krankheitsverläufe sorgt, könnte nun die langersehnte Rückkehr zur Normalität mit sich bringen. Würden die Beschränkungen im März abgeschafft, hätte Deutschland sich fast auf den Tag genau 2 Jahre lang massiven Einschränkungen unterworfen, um das Virus einzudämmen.
Warnungen vor dem nächsten Herbst – und der nächsten Mutante
Doch bei aller Euphorie warnen mahnende Stimmen schon jetzt vor dem kommenden Herbst – und möglichen neuen Virusmutationen. Noch über Jahre hinaus könnte Corona das Leben immer wieder lahmlegen, könnten neue Varianten zu wiederkehrenden Wellen führen, insbesondere in den Wintermonaten, wenn sich das Leben in die Innenräume verlagert.
Umfassende Gegenmaßnahmen bis hin zu Grundrechtseinschränkungen lassen sich jedoch nur dann rechtfertigen, wenn die Lage gesamtgesellschaftlich bedrohlich ist. Bei hohen Mortalitätsraten etwa, oder ohne fehlende Schutzmedikation, wie etwa im Frühjahr 2020, als man von Impfstoffen nur träumen konnte und auch wirksame Medikamente noch längst nicht gefunden waren.
Wirtschaft kämpft längst mit anderen Problemen
Sollte sich das Virus nach der Omikron-Welle nun nicht mehr in ein massenhaft tödliches Monster zurückverwandeln, sondern überwiegend harmlose Erkältungssymptome hervorrufen, stünde einer Rückkehr zur fast verloren geglaubten Normalität wohl wirklich nichts mehr im Wege.
Es würde das Leben der Menschen erleichtern, jedoch nicht unbedingt auch gleich wirtschaftlich durchschlagen – denn die meisten Unternehmen kämpfen derzeit weniger mit Pandemiemaßnahmen als vielmehr mit Problemen in den Lieferketten. Die hängen zwar zum Teil auch mit Restriktionen zusammen – etwa, wenn China ganze Häfen dichtmacht, nachdem ein einzelner Infektionsfall aufgetreten ist –, doch ist es eher der Materialmangel und die Chipkrise, die Branchen wie die Automobilindustrie mittlerweile ausbremsen. Und das lässt sich auch mit fallenden Beschränkungen kurzfristig nicht ändern.