Verschärfter Lockdown in Kraft – es reicht noch nicht

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Na, blicken Sie noch durch bei den Corona-Regeln? Wissen Sie, wie hoch die 7-Tage-Inzidenz in Ihrem Landkreis ist, wie weit Sie sich unter welchen Umständen von zuhause entfernen dürfen, wo überall eine Maske zu tragen ist und wann Ihre Kinder wieder die Schule besuchen dürfen?

Man kann da allmählich ganz gut durcheinanderkommen. Am heutigen Montag wird der Lockdown verlängert, der im November als „Light“-Version begann, im Dezember dann ausgeweitet wurde, über die Feiertage für hitzige Diskussionen sorgte und nun noch einmal verschärft wird.

Länderchefs: Nichts dazugelernt?

Unübersichtlich sind die Beschlüsse vor allem, weil sie – wieder einmal – nicht bundeseinheitlich durchgesetzt werden, sondern eine ganze Reihe von Bundesländern erneut ihr eigenes Süppchen kochen. Dieser Flickenteppich war in der Vergangenheit oftmals kritisiert worden. Kein Wunder, denn wer im Grenzgebiet lebt und beispielsweise Kinder in unterschiedlichen Bundesländern zur Schule schickt, verliert hier schnell den Überblick.

Auch epidemiologisch lässt sich kaum glaubhaft erklären, was genau ein 15-Kilometer-Radius bringen soll und warum diese Bewegungsbeschränkung bei einer Inzidenz von 200 gelten soll, bei 198 aber nicht. Wer sich 10 Meter über einen überfüllten Bahnsteig schlängelt ist weitaus stärker gefährdet als jemand, der 500 Kilometer alleine im Auto sitzt.

Wer sich mit Viren auskennt, weiß, dass es eigentlich nur eine Regel bräuchte: Begegne niemandem. Wenn sich die ganze Welt auf einen Schlag für zwei bis drei Wochen strikt daran hielte, die Pandemie wäre im Februar beendet.

Aber Politik ist nicht Virologie, und deswegen müssen Interessen gegeneinander abgewogen werden. Deswegen können Kinder zum Homeschooling verdonnert werden, Arbeitgeber aber nicht zum Homeoffice gezwungen.

Arbeitnehmer wieder häufiger im Büro

Tatsächlich sind einer aktuellen Studie zufolge gerade einmal halb so viele Beschäftigte im Homeoffice wie noch im Frühjahr während des ersten coronabedingten Lockdowns. Arbeiteten damals rund 27 Prozent der Arbeitnehmer von zuhause aus, sind es aktuell gerade einmal 14 Prozent. Das bedeutet im Umkehrschluss: Mindestens jene 13 Prozent gehen jetzt ins Büro, obwohl ein Arbeiten von Zuhause aus grundsätzlich möglich wäre in ihrem Beruf und ihrem Betrieb.

Die Gründe hierfür sind vielfältig. Manch berufstätiger Elternteil kann sich inmitten der Horde von Klein- und Schulkindern nicht auf die Arbeit konzentrieren und bevorzugt die ruhigere Umgebung bei den Kollegen, manch ein Chef weiß seine Untergebenen lieber im Nebenzimmer, wo er sie und ihre Arbeit besser kontrollieren kann.

Pandemietreiber sind alle Begegnungsstätten

Alles Schönreden und alle Rücksichtnahme nutzt nichts, das Bruttoinlandsprodukt ist dem Virus herzlich egal. Genauso wenig wie die Gastronomie oder die Schulen und Kitas können Büroräume für sich die Behauptung in Anspruch nehmen, keine Treiber der Pandemie zu sein. Faktisch jede Begegnungsstätte, von der Straßenbahn bis zur Supermarktkasse, von der Theke bis zum Theater, vom Klassenzimmer bis zum Kinosaal ist potenzieller Pandemietreiber.

Büros und Werkshallen bilden da keine Ausnahme. Die ausgefeiltesten Abstandsregeln nützen nichts, wenn die Beschäftigten sich morgens auf dem Weg zur Arbeit dicht an dicht im ÖPNV drängeln oder in der Raucherpause ohne Maske dicht beieinanderstehen.

Fazit: Es reicht noch nicht

So heftig die neuerlichen Einschnitte, die heute in Kraft treten, auch sein mögen: Sie reichen nicht. Die Politik wäre gut beraten, anstelle einer Aneinanderreihung halbherziger Teil-Lockdowns einmal richtig herunterzufahren, kurz und schmerzhaft – Umfragen zufolge wünscht sich knapp ein Drittel der Bevölkerung genau das.

Stattdessen ist unter den Länderchefs einmal mehr ein Wettstreit entbrannt, wer die Regeln am wenigsten streng umsetzt und seinen Bürgern die größten Freiheiten lässt. Der Ansatz ist ehrenwert, aber er sollte erst dann großzügig verfolgt werden, wenn die Lage unter Kontrolle ist und nicht bei akut drohender Triage in einigen Landkreisen.

Die Zeit der Lockerungen wird kommen, schon bald werden die Sonnenstrahlen wärmer und die Impfdosen verfügbarer. Bis dahin aber bleibt es auch im neuen Jahr die Zeit des Lockdowns – und der müsste nicht nur strenger, sondern vor allem flächendeckender und einheitlicher umgesetzt werden als das, was diese Woche in Kraft tritt.