Umstrittenes Gesetz zur Inflationsbekämpfung: Droht jetzt ein Handelskonflikt mit den USA?

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Über zwei Jahrzehnte galt die Globalisierung als wesentlicher weltwirtschaftlicher Erfolgsfaktor. Die Pandemie mit ihren Grenzschließungen und Beschränkungen sowie die neuen geopolitischen Realitäten nach Beginn des Krieges in der Ukraine weisen deutlich darauf hin, dass diese Zeiten erst einmal vorbei sein dürften.

Folgt nun eine Ära des Protektionismus?

Gestörte oder ganz unterbrochene Lieferketten sorgten in den vergangenen Jahren ebenso für Produktionsengpässe wie nationale Lockdown-Bestimmungen. Als politische Reaktion darauf ist ein stärkerer regionaler Fokus zu erkennen: Standortnahe Zulieferer statt weltumspannender Komponentenketten könnten sich als tragfähiges Zukunftsmodell erweisen.

Stark kritisiert wurde der Wirtschaftsprotektionismus eines US-Präsidenten Donald Trump, Jahre vor Beginn der Pandemie. Unter Trump zettelten die USA einen handfesten Handelskrieg mit China an, wechselseitige Strafzölle folgten und weiteten sich auch auf die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den USA und Europa aus.

US-Regierung bringt milliardenschweres Gesetzespaket auf den Weg

Wer aber geglaubt hatte, dass unter einem demokratischen Präsidenten Joe Biden alles anders werden würde, sieht sich in diesen Tagen eines Besseren belehrt. Ein 370-Milliarden-Dollar-Paket hat die US-Regierung jüngst auf den Weg gebracht, der sogenannte Inflation Reduction Act soll Unternehmen in Zeiten steigender Preise durch die Krise helfen. Das Gesetz zielt stark ab auf den Ausbau erneuerbarer Energien und verfolgt damit klimapolitische Ziele, die auch die Bundesregierung grundsätzlich teilt.

Der Haken aus europäischer Sicht ist jedoch, dass die Zuwendungen in Form von Subventionen oder Steuergutschriften für Unternehmen an die Bedingung gekoppelt sind, dass diese vor Ort in den USA produzieren. Derartige Anreize könnten zu einer Verlagerung von Produktionsstätten hinaus aus Europa und hinein in die USA führen, fürchtet nicht nur Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck.

Habeck warnt vor Standortnachteilen für Europa

Er mahnte an, die Europäische Union müsse mit vergleichbaren Mitteln reagieren, um ihrerseits attraktiv für die Unternehmen zu bleiben. Die protektionistischen Züge, die sich im Inflation Reduction Act widerspiegeln, schüren die Angst vor einem transatlantischen Handelskonflikt. Das Szenario kommt aus deutscher Sicht zur Unzeit: Gerade erst versucht man, sich aus der energiepolitischen Abhängigkeit von Russland zu lösen und auch die wirtschaftlichen Verquickungen mit China zumindest ein Stück weit zu entflechten.

Wenn nun auch noch ein Konflikt mit den USA heraufzieht, ist es an den Staaten der Europäischen Union, enger zusammenzurücken, um gemeinsam ihren Anliegen in der Welt Gehör zu verschaffen und nicht zwischen den neuen Blöcken aufgerieben zu werden. Dass sich auch innerhalb Europas nationalistisch-protektionistische Ansätze etwa bei Wahlen zuletzt stärker durchsetzen konnten, verheißt vor diesem Hintergrund nichts Gutes.

Deutschland ratifiziert Freihandelsabkommen mit Kanada

Habeck mahnt im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit Europas zu umfassenden industriepolitischen Maßnahmen, darunter einer Beschleunigung von Genehmigungs- und Umsetzungsverfahren, einer Entbürokratisierung und einer konstruktiveren Zuwanderungspolitik.

Zuletzt stärkte die Bundesregierung die europäische wirtschaftspolitische Position durch eine Zustimmung zum Freihandelsabkommen mit Kanada. Gerade für Deutschland als Exportnation sind stabile internationale Handelsbeziehungen von besonders hoher Bedeutung – das gilt umso mehr als in den vergangenen Monaten, die geprägt waren von einer historisch einmaligen Inflationsdynamik, die deutschen Exporte ins Ausland merklich zurückgingen.

Deutsche Exporte gehen merklich zurück – Industrie weiter pessimistisch

Im Oktober gingen die Ausfuhren aus Deutschland nach Angaben des Statistischen Bundesamtes um 0,6 Prozent gegenüber dem Vormonat zurück. Besonders drastisch fiel der Einbruch aus mit Blick auf die Absatzmärkte Europäische Union und USA: Hier lagen die deutschen Exporte um 2,4 beziehungsweise 3,9 Prozent unter dem Niveau des vorangegangenen Monats.

Die Stimmung in der deutschen Industrie ist weiterhin schlecht, fast die Hälfte der Unternehmen rechnet auch weiterhin mit rückläufigen Ausfuhren. Vor allem in der Chemieindustrie ist man pessimistisch, während die Automobilindustrie mit einer allmählichen Erholung rechnet, so die Schlussfolgerungen aus jüngsten Erhebungen des Münchener Ifo-Instituts.