Spaniens Tourismusbranche: Externer Exitus
Plötzlich wieder Risikogebiet: Ein paar Wochen, nachdem Spanien den Lockdown aufgehoben und das Tourismusgeschäft wieder angekurbelt hat, könnte jetzt schon wieder alles vorbei sein.
Weil die definierten Grenzwerte – 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen – teils deutlich überschritten wurden, erklärte die Bundesregierung zunächst einige spanische Regionen, zuletzt aber das gesamte Land, mit Ausnahme der Kanarischen Inseln, zum Risikogebiet, inklusive Reisewarnung.
Veranstalter sagen Pauschalreisen ab
Eine Warnung ist kein Verbot. Das hat Außenminister Heiko Maas sogleich betont, als das Auswärtige Amt seine Einschätzung wieder verschärfte. Die Deutschen dürften also weiterhin nach Spanien reisen, müssten sich aber auf die mit Risikogebieten verknüpften Nachteile einstellen: Testpflicht und gegebenenfalls Quarantäneanordnung nach ihrer Rückkehr nach Deutschland. Auch eine groß angelegte, staatliche Rückholaktion für gestrandete Urlauber, wie es sie zu Beginn der Pandemie gegeben hatte, hat die Regierung ausgeschlossen. Wer im Ausland festsitzt, muss selbst sehen, wie er nach Deutschland zurückkommt.
Unmittelbar nach der neuerlichen Reisewarnung haben etliche Reiseveranstalter ihre Pauschalreiseangebote nach Spanien gestrichen, Flüge wurden gecancelt, bereits gebuchte Reisen storniert. Kunden hatten teilweise die Möglichkeit, kurzfristig auf andere Urlaubsziele umzubuchen, etwa auf die Kanaren. Doch die Verunsicherung bleibt.
Wenig Verzichtbereitschaft
Angesichts der in vielen Ländern zuletzt wieder steigenden Infektionszahlen ist es nicht auszuschließen, dass auch weitere Urlaubsländer bald wieder mit Reisewarnungen versehen werden. Und wenn nun alle Spanienurlauber auf die Kanaren ausweichen, könnte das die Problematik ebenfalls lediglich verlagern, anstatt sie zu lösen.
Gezeigt hat sich das unter anderem auch in Deutschland, wo die Strände an Nord- und Ostsee so überfüllt waren wie lang nicht mehr. Aus Mangel an Alternativen reisten viele deutsche Urlauber eben im eigenen Land ans Meer. Auf den Urlaub zu verzichten in Zeiten einer Pandemie, scheint vielen ausgesprochen schwerzufallen.
Dass es ausgerechnet Reiserückkehrer sind, die für ungefähr ein Drittel der neuerlich gestiegenen Infektionszahlen verantwortlich sind, unterstreicht das Dilemma. Das Virus kennt keine Ferien, egal wie weit man verreist.
Die Saison ist gelaufen
So wird die gefährliche Lungenkrankheit nun auch nach Deutschland wieder verstärkt eingeschleppt, im Gegensatz zum Frühjahr mit etlichen dezentralen Ausbruchsgeschehen anstelle weniger regionaler Hotspots. Das macht die Eindämmung des Infektionsgeschehens deutlich schwieriger – insbesondere dann, wenn logistische Pannen hinzukommen, wie etwa jüngst in Bayern die verschleppte Kommunikation von Testergebnissen.
Im schlimmsten Fall bedeutet das einen weiteren Lockdown für bestimmte Regionen, im schlimmsten Fall aber auch für Deutschland oder Europa. Zwar gilt es als oberste politische Priorität, ebendies zu vermeiden, doch die kommenden Wochen werden zeigen, ob es wirklich zu verhindern ist.
In Spanien jedenfalls herrscht Ernüchterung. Kaum ein anderes Land in Europa ist wirtschaftlich so stark vom Tourismus abhängig, und einen nicht unerheblichen Teil des Umsatzes macht die Branche mit Gästen aus Deutschland, die nun wohl erst einmal fernbleiben. Die Urlaubssaison 2020, sie ist katastrophal für Spanien und seine Hotels, Gastronomiebetriebe und sonstige mit dem Tourismus verknüpften Industriezweige. Für dieses Jahr ist das Geschäft wohl gelaufen.