Sonderabgabe für Online-Pakete?

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Es ist ein gewagter Vorschlag, der dieser Tage aus den Reihen einiger Unionspolitiker zu vernehmen ist: Sie bringen eine Zusatzabgabe auf online bestellte Versandware ins Spiel.

Wer im Internet bestellt, soll für die Paketlieferung künftig einen Aufschlag zahlen. Dieser wiederum soll zweckgebunden in einen Fonds einfließen, aus dem „die Innenstädte“ gefördert werden sollen.

Krise des Einzelhandels lange vor Corona

Es klingt wie ein Vorstoß aus den 1990er Jahren, als das Internet noch Neuland war und sich Traditionsgeschäfte mit der Bedienung eines ISDN-Modems überfordert sahen. Vor allem aber ist es ein schwarz-weiß-Ansatz, der die erheblichen Grauzonen der Realität völlig verkennt oder gleich ganz ausblendet.

Die einen gegen die anderen, gut gegen böse, online gegen stationär, Großkonzern gegen Tante-Emma-Laden – diese Gegensätze bestehen in dieser Form schon lange nicht mehr. Das beginnt schon mit der Erkenntnis, dass die Krise des stationären Einzelhandels nicht erst mit Corona begann.

Vorzüge für Kunden liegen auf der Hand

Spätestens der Siegeszug von Online-Marktplätzen wie Amazon oder Ebay hat für einen grundlegenden Wandel in der Anbieter-Kunden-Beziehung gesorgt: Man war nicht mehr gezwungen, sich innerhalb vorgegebener Ladenöffnungszeiten bei Wind und Wetter auf den Weg zu machen, sich über ausverkaufte Waren zu ärgern und schließlich in einer langen Kassenschlange zu warten.

Stattdessen ist die Bestellung bequem vom heimischen Sofa aus möglich, per Mausklick lassen sich blitzschnell die Preise verschiedener Anbieter vergleichen und innerhalb weniger Tage wird die Ware bequem an die Tür geliefert. Die Vorzüge des Onlinehandels aus Kundensicht liegen auf der Hand, und somit ist es kaum verwunderlich, dass eine massenhafte Abwanderung aus der Innenstadt ins Internet vollzogen wurde – und zwar schon vor mehr als einem Jahrzehnt.

Innenstädte wenig individuell

Hinzu kommt der Umstand, dass die Innenstädte als solche – zumindest, was das Angebot des Einzelhandels angeht – erheblich an Attraktivität eingebüßt haben. Die Häuserfassaden und mittelalterlichen Brunnen mögen unterschiedlich sein, doch die Inhalte, sprich: die großen Handelsketten sind überall gleich, völlig unabhängig davon, ob man sich gerade in Hamburg, Köln, Frankfurt, Lübeck, Leipzig oder Stuttgart aufhält.

Von H&M über Zara bis Douglas, von dm und Rossmann über Fielmann bis zu Bijou Brigitte – die Läden sind überall die gleichen, genauso wie ihr Angebot überall das Gleiche ist, das im Übrigen nicht nur in den Fußgängerzonen von Nord bis Süd und Ost bis West offeriert wird, sondern selbstverständlich auch in den jeweiligen Onlineshops der Handelsketten.

Regionalhändler mit eigenen Online-Shops

Die wenigen original-regionalen Läden, die es geschafft haben, sich gegen die Übermacht der Großkonzerne zu behaupten, taten gut daran, selbst einen Onlineshop aufzubauen. Wer klug war, hat das längst gemacht, der Rest sollte spätestens seit dem Lockdown im Frühjahr nachgezogen haben.

Genau hierin besteht das nächste Dilemma des CDU-Vorschlags: Bestraft würden mit einer Abgabe auf den Online-Versandhandel nämlich auch genau jene Einzelhändler, die eigentlich davon profitieren sollten. Wer sich gerade ein Online-Standbein aufgebaut hat, müsste seine Kunden nun mit der Weitergabe höherer Versandkosten abschrecken, während die großen Handelsketten diese leichter selbst kompensieren könnten.

Dementsprechend halten Vertreter von Einzelhandelsverbänden wenig von dem ziemlich gestrig anmutenden Vorschlag, Online- und stationären Handel gegeneinander ausspielen zu wollen. Fakt ist: Beide Sphären sind so eng miteinander verwoben und ineinander übergegangen, dass eine trennscharfe Belastung des Einen zugunsten des Anderen schlichtweg nicht möglich ist.