EZB liefert Begründung – reicht das den Karlsruher Klägern?

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Im Zuge der Corona-Krise ist es ein bisschen untergegangen, aber vor etwa drei Monaten fällte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein Urteil, das es in sich hatte.

Dabei ging es um die Europäische Zentralbank und deren umfassenden Aufkauf von Staatsanleihen im Zuge der globalen Finanzkrise vor rund einem Jahrzehnt. Dieses Programm sei in bisheriger Form nicht mit dem deutschen Verfassungsrecht vereinbar, urteilten die Richter – und setzten sich damit über einen Urteilsspruch des Europäischen Gerichtshofs hinweg, der das Programm zuvor als zulässig eingestuft hatte.

Karlsruhe setzt sich über EuGH hinweg

Das ist in mehrerlei Hinsicht brisant: Der Europäische Gerichtshof ist innerhalb der EU eigentlich die höchste juristische Instanz, an seiner Rechtsprechung haben sich nationale Gerichte zu orientieren. Der anderslautende Richterspruch aus Karlsruhe wurde dementsprechend in Juristenkreisen als offener Affront gewertet.

Doch nicht nur das Prozedere, auch der Inhalt stößt vor allem in Brüssel auf wenig Gegenliebe. Das Anleihekaufprogramm der EZB war seinerzeit ein wesentlicher Baustein jener Strategie, mit der die Gemeinschaftswährung und somit auch die Währungsgemeinschaft stabilisiert werden sollte. Der Weg war holprig, hat aber letztendlich zum Erfolg geführt: Der Euro existiert noch, er gilt weiterhin als starke Währung und kein Land musste die Eurozone bislang verlassen.

Was ist mit den Corona-Hilfen?

Dass die Verfassungshüter in Karlsruhe nun die Rechtmäßigkeit der Beteiligung über die Deutsche Bundesbank an einem solchen Programm in Zweifel ziehen, ist auch im Hinblick auf das Timing brisant: Erst kürzlich hat die EZB, nun unter Führung der früheren französischen Finanzministerin und ehemaligen IWF-Chefin Christine Lagarde, ein ganz ähnliches Programm aufgelegt zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise in Europa.

Wenn ausgerechnet Deutschland als wirtschaftsstärkste Nation der EU und größter Netto-Einzahler hier querschießen würde, dürfte das für viel Unruhe sorgen. Doch die Karlsruher Richter ließen ein Hintertürchen offen: Drei Monate Zeit gaben sie der EZB, ihr damaliges Rettungsprogramm als zulässig und notwendig zu begründen.

Gehen die Kläger in die nächste Runde?

Dies ist dem Vernehmen nach nun fristgerecht geschehen, wenngleich man auf offener Bühne davon wenig mitbekommen hat – wohl auch, um nicht zusätzlich Öl ins Feuer zu gießen. Aus Berlin und Brüssel heißt es, alles sei zufriedenstellend geregelt und die Causa damit abgehakt. Doch das Ganze könnte noch in die Verlängerung gehen.

Die Kläger, die seinerzeit das Bundesverfassungsgericht bemüht hatten, verlangen nun Akteneinsicht und wollen sich selbst ein Bild machen über die gelieferten Begründungen. Sollten sie diese als unzureichend auffassen, könnte das juristische Geschacher weitergehen – mit ungewissem Ausgang.

Gerade in Zeiten der Pandemie und wirtschaftlicher Verwerfungen wäre das ein fatales Signal angesichts der ohnehin bereits bestehenden immensen Verunsicherung.