Die USA haben die Wahl
Der Countdown läuft: Heute Nacht wird sich entscheiden, wie es weitergeht in Washington. Gelingt Donald Trump nach vier verheerenden Jahren die Wiederwahl oder wird sein Konkurrent Joe Biden vorne liegen, wie es alle Umfragen signalisieren?
Wahrscheinlicher ist, dass die Wähler für den Wechsel stimmen. Fraglich ist allerdings, ob Trump eine solche Niederlage akzeptieren würde. Nach allem, was der amtierende Präsident in den vergangenen Wochen verlauten ließ, bestehen berechtigte Bedenken.
Trump verlangt Unrealistisches – und droht andernfalls mit Wahlanfechtung
So verlangt der machthungrige Amtsinhaber ein finales Ergebnis noch am Wahltag – wohlwissend, dass dies logistisch nicht zu machen ist, haben doch Millionen Amerikaner ihre Stimme bereits in den vergangenen Wochen per Briefwahl abgegeben.
Per Briefwahl votieren vor allem Anhänger der Demokraten. Nicht zuletzt deswegen ist die bislang schon hohe Wahlbeteiligung Trump ein Dorn im Auge – und eine Warnung, die seine Anhänger am heutigen Dienstag mobilisieren und an die Wahlurnen treiben könnte.
Joe Biden – ein demokratischer Kompromisskandidat
Sollte Biden die Wahl gewinnen, läge das nur bedingt an seinen Qualitäten. Der ehemalige Vizepräsident ist ein Kompromisskandidat, das weiß er so gut wie seine Wähler. Viel lieber hätten Teile der Demokraten den wesentlich weiter links positionierten Bernie Sanders aufgestellt, der auch vor vier Jahren neben Hillary Clinton schon im Rennen um die Kandidatur war und damals einer breiteren Öffentlichkeit, auch über die US-Grenzen hinaus, bekannt wurde.
Doch mit Sanders hätte man keine unzufriedenen Protestwähler zurückgewonnen, die vor vier Jahren ihre Stimme an Trump gegeben haben. Genau darum ging es aber: Um eine Wiederwahl Trumps zu verhindern, stellten die Demokraten mit Biden einen Kandidaten auf, der näher an der politischen Mitte der USA ausgerichtet ist und den einen oder anderen wenig überzeugten vorherigen Trump-Wähler zurückgewinnen kann.
Die Anti-Trump-Wahl
Es geht nicht um Biden, es geht um Trump oder besser gesagt darum, eine weitere Amtszeit zu verhindern. So sehen es die meisten ausländischen Beobachter, insbesondere in Europa, aber auch weite Teile der US-Bevölkerung, die unzufrieden sind mit der Bilanz der bisherigen Präsidentschaft des Immobilienmoguls und Reality-TV-Stars.
Trump ist kein Politiker, er ist Geschäftsmann. Die zarten Töne der Diplomatie liegen ihm nicht, er ist ein Freund knallharter Deals. Auf internationaler Bühne hat er sich damit wenig Freunde gemacht. Vor allem der Konfrontationskurs gegenüber China, aber auch Europa sowie übergeordneten internationalen Allianzen und Organisationen gegenüber haben die USA isoliert und nicht zuletzt der US-Wirtschaft geschadet.
Handelskriege und Strafzölle sind kein probates Mittel für eine langfristig stabile Prosperität. Stattdessen erntete Trump anfangs die Früchte der Wirtschaftspolitik seines Vorgängers und finanzierte im Anschluss eine Börsenrally auf Pump. Doch die Party geht nicht ewig weiter, das hat spätestens das desaströse Krisenmanagement der Trump-Administration während der bisherigen Corona-Monate offenbart.
Eskalation nach der Wahlnacht?
Die US-Wirtschaft ist abgestürzt, genau wie der Rest der Welt, doch die fehlenden Sozialsysteme sorgen für Massenarbeitslosigkeit und Millionen Todesopfer, die sich eine teure medizinische Behandlung schlicht nicht leisten können.
Sollte Trump in der Gunst der Wähler seinem Herausforderer unterliegen – und darauf deutet bislang alles hin –, droht die Lage zu eskalieren. Es ist noch nicht allzu lang her, dass Trump den rechtsradikalen und gewaltbereiten „Proud Boys“ öffentlich zuraunte, man solle sich zurück- und bereithalten.
Die Worte des Präsidenten, sie hallen nach an diesem schicksalhaften Wahltag.