Bahnstreik trifft Passagiere und Industrie
Er ist wohl einer der bekanntesten Gewerkschaftsführer Deutschlands – und zugleich einer der umstrittensten: Die Rede ist von Klaus Weselsky, Chef der Lokführergewerkschaft GDL.
GDL lehnt Angebot der Bahn ab
Der mittlerweile dritte Streik im aktuellen Tarifkonflikt mit der Deutschen Bahn traf Reisende an diesem Wochenende besonders hart: Rund 70 Prozent der Fernzüge fielen aus. Neben einzelnen Zügen wurden auch Knotenpunkte bestreikt, um den Betrieb umfassend lahmzulegen.
Die Bahn legte kurzfristig ein Angebot vor, das von Seiten des GDL-Chefs brüsk zurückgewiesen wurde. Daraufhin zog der Konzern vor Gericht und wollte den Streik per Eilverfahren unterbinden lassen – vergebens. Gleich zwei juristische Instanzen bestätigten das Recht der GDL auf die Arbeitsniederlegungen. Und so wurde und wird weiter gestreikt, noch bis zum morgigen Dienstag.
Wenig Verständnis bei Bahnreisenden
Bei den Bahnreisenden trifft der Streik auf wenig Verständnis. Vielfach wird Weselsky vorgeworfen, es gehe ihm weniger um tarifliche Belange als vielmehr um einen internen Machtkampf zwischen der kleineren GDL und der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG.
Hintergrund ist das Tarifeinheitsgesetz, das eigentlich genau solche Streitigkeiten, wie sie bei der Bahn immer wieder hochkochen, beseitigen sollte: Grundsätzlich sollte nur noch derjenige Tarifvertrag für alle Beschäftigten gelten, der mit der mitgliederstärkeren Gewerkschaft ausgehandelt wurde.
Machtkampf auf dem Rücken der Passagiere
Das Vorhaben ist nach hinten losgegangen, denn nun wirbt die GDL umso aggressiver um neue Mitglieder – in der Hoffnung, der EVG ihren Rang im Bahnkonzern abjagen zu können. Ausgetragen wird der Machtkampf auf dem Rücken der Passagiere – sehr zum Ärger all derjenigen, die Reisende davon überzeugen wollen, auf die Bahn umzusteigen als Alternative zum Auto oder Flugzeug.
In anderen Ländern werden Tarifkonflikte anders ausgetragen: Anstatt die Bahnverbindungen lahmzulegen, werden die Passagiere dort kostenlos befördert, indem das Personal schlichtweg die Tickets nicht kontrolliert. Ein solches Vorgehen mit Ansage trifft den Konzern finanziell, ohne aber die Passagiere zu verärgern.
Auch Güterverkehr bestreikt: Lieferengpässe verschärft
Nun aber herrscht gähnende Leere an den Bahnsteigen, frustrierte Fahrgäste sind größtenteils gleich zuhause geblieben oder auf alternative Verkehrsmittel umgestiegen. Bestreikt wird aber nicht nur der Personen-, sondern auch der Güterverkehr auf der Schiene. Dementsprechend sind nicht nur Fahrgäste betroffen, sondern auch Industriekonzerne, die ohnehin schon seit Monaten mit globalen Lieferengpässen zu kämpfen haben.
Sie weichen nun, soweit möglich, wieder vielfach auf die Straße aus – oder auf Konkurrenzunternehmen der Bahn, die längst nicht mehr das alleinige Monopol hält im deutschen Schienenverkehr.
Weitere Streiks nicht ausgeschlossen
Die aktuelle Streikrunde neigt sich ihrem Ende entgegen, doch Weselsky hat mit seiner GDL bereits in der Vergangenheit mehrfach unter Beweis gestellt, dass er einen langen Atem hat, wenn es um Tarifkonflikte geht.
Nachdem es zuletzt auch öffentliche verbale Entgleisungen gegeben hatte, scheinen die Fronten überdies zunehmend verhärtet. Ein Schlichtungsverfahren wird somit wahrscheinlicher – weitere Streiks indes sind ebenfalls nicht ausgeschlossen.