Autogipfel: Probleme erkannt, aber nicht gebannt
- Experten wollen an 2030er-Zielmarke festhalten
- Viele Probleme – wenig Lösungen
- Mangel an günstigen Kleinwagen im Elektrosegment
- Jahrelanger Vorsprung bei Tesla und Co.
- Preiskampf setzt Hersteller zusätzlich unter Druck
- Autogipfel bringt wenig Neues hervor
- Wegfall von Subventionen: Wo bleibt der Kaufanreiz?
15 Millionen Elektrofahrzeuge sollen bis 2030 auf Deutschlands Straßen unterwegs sein. Aktuell sind es gerade einmal 1,3 Millionen E-Autos, also nicht einmal ein Zehntel dessen, was innerhalb der kommenden 7 Jahre als Zielmarke definiert wurde.
Experten wollen an 2030er-Zielmarke festhalten
Ein Spitzentreffen im Kanzleramt mit Spitzenvertretern aus Politik und Automobilbranche hat sich gestern daher in erster Linie damit befasst, wie die Verkehrswende hin zu mehr Elektromobilität in Deutschland vorangetrieben werden kann.
Einig waren sich die Experten beim Autogipfel darin, dass weiteres Engagement von allen Beteiligten erforderlich ist, um das 2030er-Ziel in greifbarer Nähe zu halten. Auch soll an der Zielmarke von 15 Millionen E-Autos weiterhin festgehalten werden.
Viele Probleme – wenig Lösungen
Doch während die Herausforderungen schnell benannt sind, hapert es an gangbaren Lösungsansätzen, um die Hürden aus der Welt zu schaffen. Aus Perspektive potenzieller Kunden bestehen diese vor allem im nach wie vor unzureichenden Ladenetz, geringer Reichweite und zu hohen Kaufpreisen.
Tatsächlich gibt es am deutschen Markt derzeit gerade einmal 3 Elektromodelle für unter 30.000 Euro zu kaufen. Die Hersteller – und allen voran die deutschen Traditionskonzerne BMW, Mercedes-Benz und Volkswagen – haben sich zunächst ganz auf die hochpreisigen Oberklassemodelle und die beliebten SUVs fokussiert, denn hier lässt sich dank entsprechender Margen auch unternehmensseitig am ehesten Gewinn abgreifen.
Mangel an günstigen Kleinwagen im Elektrosegment
Kleinwagen dagegen wurden ins Elektrosegment bislang nicht aufgenommen – und aus den Verbrennerflotten zudem teils ganz gestrichen. Wer ein günstiges Auto anschaffen möchte (oder muss), ist daher nicht selten auf Gebrauchtfahrzeuge angewiesen – und dürfte dementsprechend noch für lange Zeit beim Verbrennungsmotor landen.
Aus Herstellersicht sind die Fertigungskosten eine Herausforderung. Die Batterie ist das mit Abstand teuerste Bauteil im Elektrofahrzeug. Die Kunden wünschen sich eine möglichst hohe Reichweite pro Batterieladung. Das wiederum erfordert höhere Kapazitäten, was die Herstellerkosten und damit auch die Verkaufspreise weiter in die Höhe schnellen lässt.
Jahrelanger Vorsprung bei Tesla und Co.
Zudem haben hiesige Hersteller Schwierigkeiten, zu Platzhirsch Tesla oder neuen Wettbewerbern aus Fernost aufzuschließen. Gerade Tesla verfügt über mehrjährigen Vorsprung entlang der gesamten Wertschöpfungskette, profitiert von Erfahrungswerten und Know-how, das sich klassische Autobauer erst einmal mühevoll aneignen müssen. Zugleich wird die Verbrennersparte weiter hochgehalten. Viele Modelle erhalten noch im Laufe des Jahrzehnts ein Update mit Verbrennungsmotor, ehe der politische Zwang zur Elektrifizierung der gesamten Neuwagenflotte in den 2030er Jahren greift.
Diese Gleichzeitigkeit des Festhaltens am alten Verbrenner bei parallelem Auf- und Ausbau der eigenen Kompetenzen im Segment der Elektromobilität stellt alteingesessene Autohersteller vor Herausforderungen, die seit Jahren bekannt, aber bislang nicht zufriedenstellend gelöst sind.
Preiskampf setzt Hersteller zusätzlich unter Druck
Erschwerend kommt hinzu, dass Tesla, BYD und andere Unternehmen, die sich ganz auf die Elektromobilität fokussiert haben, es sich mittlerweile leisten können, mit den Verkaufspreisen nach unten zu gehen. Gerade Tesla hat vor ziemlich genau einem Jahr damit begonnen, umfassende Rabatte auf seine Neufahrzeuge zu gewähren. Das macht es BMW, Mercedes-Benz und Volkswagen noch schwerer, den Anschluss nicht zu verlieren.
Auch jenseits der reinen Herstellungskosten und Verkaufspreise sowie dem schmalen Angebot an E-Fahrzeugen steht die Verkehrswende vor Problemen. Wer keine private Ladesäule installieren kann oder will, ist auf öffentliche Ladeinfrastruktur angewiesen. Die gibt es zwar zunehmend im urbanen Raum, doch gerade kleinere Kommunen tun sich schwer mit den Investitionen und werden zudem ausgebremst durch langwierige bürokratische Verfahren.
Autogipfel bringt wenig Neues hervor
All das sind Herausforderungen, die seit Jahren bekannt und hinlänglich diskutiert sind. Wirkliche Lösungsansätze konnte jedoch auch der gestrige Autogipfel nicht liefern. Eine Verpflichtung von Tankstellenbetreibern zur Bereitstellung von Schnellladesäulen oder eine Vereinheitlichung der Zahlungsmodalitäten an den Ladesäulen verschiedener Anbieter sind zwar angedacht, aber noch weit davon entfernt, Realität zu werden.
Zwar tut sich etwas auf Deutschlands Straßen: Immer häufiger begegnet man im Straßenbild einer Limousine aus dem Hause Tesla oder erwischt den Nachbarn am Ladesäulen-Parkplatz des örtlichen Supermarktes. Doch unterm Strich ist all das noch viel zu wenig, um bis 2030 die angepeilten 15 Millionen Elektrofahrzeuge an die Kunden zu bringen.
Wegfall von Subventionen: Wo bleibt der Kaufanreiz?
Wer ein Elektroauto kaufen wollte, hat das in der Regel bereits getan – und dabei noch einige tausend Euro an Kaufprämie eingestrichen, bereitgestellt vom Bund. Diese Subventionen sind in den vergangenen Monaten mehrfach deutlich zurechtgestutzt worden, was den Anschaffungspreis wiederum teurer werden lässt. Angesichts hoher Inflation und nachlassender Kaufkraft durch sinkende Reallöhne ein verheerendes Signal – doch nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts sieht es erst einmal nicht danach aus, als würde die Subventionsgießkanne in nächster Zeit noch einmal gezückt werden.
Warum aber sollte ein Autokäufer sich heute dazu entscheiden, hohe Anschaffungskosten in ein E-Auto zu investieren, dessen Aufladung schwieriger, langwieriger und aufgrund geringerer Reichweite auch noch häufiger notwendig ist als eine Tankfüllung beim Verbrenner? Es fehlt der Kaufanreiz aus Kundensicht, zumal Verbrenner als Neufahrzeug noch etwa zehn Jahre lang zulässig sind. Da kann man als Verbraucher durchaus noch ein, zwei Autogenerationen abwarten, ehe man zu potenziell günstigeren Preisen unter hoffentlich besseren Rahmenbedingungen beim Aufladen ein möglicherweise reichweitenstärkeres Elektrofahrzeug anschafft – eher nicht vor 2030.