2024: Wohin schlittert die Ampel?

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Das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts hat gesessen: Die Ampel-Koalition in Berlin, die zuvor schon nicht durch überschwängliche Harmonie aufgefallen war, zerfetzt sich seitdem rund um die Frage, wie das 60 Milliarden Euro schwere Haushaltsloch gestopft werden soll.

Eine erneute Aussetzung oder grundlegende Reformierung der Schuldenbremse wird vom FDP-geführten Finanzministerium kategorisch ausgeschlossen, ebenso wie potenzielle Steuererhöhungen. Stattdessen soll der Rotstift rigoros zum Einsatz kommen – und offenbar dort sparen, wo es ohnehin schon wehtut.

Sparen, wo es ohnehin schon wehtut

Ob internationale Entwicklungszusammenarbeit oder innerdeutsche Sozialkassen: Dort, wo die Lage ohnehin schon prekär ist, soll weiter gekürzt werden. Dabei fällt gern unter den Tisch, dass Kürzungen im Sozialbereich nur zu einem geringen Bruchteil Arbeitslose oder Asylsuchende betreffen dürften, beziehungsweise Einsparungen bei diesen Gruppen der Gesellschaft haushaltspolitisch nur ein kleiner Tropfen auf den heißen Stein sind. Denn der Großteil der Sozialleistungen fließt ins Rentensystem. Wer also Kürzungen im Sozialbereich fordert, sollte stets bedenken, dass dies vor allem Kürzungen oder Nullrunden bei den Renten bedeutet, wenn tatsächlich spürbare Sparwirkungen erzielt werden sollen.

Tatsächlich wird es vor allem für Verbraucher wohl deutlich teurer mit dem Jahreswechsel. Das liegt zum einen an höheren Belastungen – etwa steigenden Beitragssätzen zur Sozialversicherung oder der neuen Preisrealität an der Supermarktkasse. Selbst bei nachlassender Inflationsdynamik haben sich gerade die Lebensmittelpreise auf so hohem Niveau eingependelt, dass trotz teils üppiger Tarifrunden und Sonderzahlungen die Kaufkraft durchschnittlicher Privathaushalte im Vergleich zum Vorjahr deutlich gesunken ist. Hinzu kommt, dass ein Großteil der abhängig Beschäftigten von den höheren Tarifabschlüssen gar nicht mehr profitiert, da sie in Branchen oder Unternehmen ohne Tarifbindung arbeiten.

Was sich zum Jahreswechsel ändert

Zum anderen aber steigen die Preise auch durch ein (vorzeitiges) Auslaufen von Subventionen und politisch gesteuerten Entlastungen. Beispiel Energiepreisbremse: Diese war wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, den Stopp russischer Energieimporte nach Deutschland und Sorge vor ausufernden Preisen für Strom und Heizung eingeführt worden und sollte eigentlich die Wintermonate überdauern. Erst Ende März sollte der künstliche Preisdeckel auslaufen, nun fällt er wohl schon zum Jahreswechsel dem lindnerschen Rotstift zum Opfer.

Beispiel Gastronomie: Zur Unterstützung der Branche, die von der Pandemie und den damit einhergehenden Kontaktbeschränkungen besonders hart getroffen wurde, hatte die Politik seinerzeit den Mehrwertsteuersatz auf Speisen und Getränke in gastronomischen Betrieben auf 7 Prozent abgesenkt. Ab dem 1. Januar werden wieder die vollen 19 Prozent fällig. Der Preis fürs Auswärtsdinner oder das Mittagessen dürften damit deutlich steigen.

Zahlreiche Subventionen laufen aus

Beispiel Agrarsektor: Kurz vor Weihnachten sorgten Landwirte mit einer Großdemo im Berliner Regierungsviertel für Aufsehen. Sie sollten von gleich zwei Subventionskürzungen getroffen werden und sahen sich damit deutlich benachteiligt, zum Teil gar existenziell bedroht. Der zuständige Minister Cem Özdemir von den Grünen lenkte rasch ein und kündigte an, die Regierungsvorhaben hierzu noch einmal zu überprüfen.

Beispiel Autokauf: Völlig überraschend wurde auch die Kaufprämie für Elektrofahrzeuge eine Woche vor Weihnachten praktisch über Nacht einkassiert. Eigentlich hätten Verbraucher noch bis Ende 2024 von der staatlichen Förderung profitieren sollen. Vor allem Unternehmen, die ihre Firmenflotten im Vertrauen auf die Prämie umrüsten wollten, fühlen sich düpiert. Doch auch für Privatkunden hat das Aus mitunter fatale Folgen: Denn die Fördersumme konnte nicht etwa beim Kauf, sondern erst im Rahmen der Zulassung beantragt werden. Wer also ein Elektrofahrzeug bestellt hat, dieses aber noch nicht zulassen konnte, hat die Prämie in die Kaufentscheidung wohl einkalkuliert und könnte nun leer ausgehen.

Autokäufer vom Aus für Elektroprämie überrumpelt

Insbesondere vom Timing fühlen sich viele überrumpelt: Samstags zu verkünden, dass die Antragsfrist am Folgetag abläuft, und das eine Woche vor Weihnachten zeugt von einer gewissen Ferne von der Lebensrealität der Bürger. Dass Bundesfinanzminister Christian Lindner darauf verwies, dass ein Ende der Förderung absehbar gewesen sei und es nie eine „Fördergarantie“ gegeben habe, klingt in diesem Zusammenhang geradezu zynisch.

So misslich die Haushaltslage nach dem Verfassungsgerichtsurteil auch sein mag – ein so eklatanter Vertrauensbruch wenige Monate vor Landtagswahlen, die das Potenzial haben, die Republik nachhaltig zu verändern, ist kaum zu rechtfertigen. Eine Regierung, die die eigenen Zusagen nicht nur nicht einhalten kann, sondern deren Ende auch noch so kurzfristig, überrumpelnd und ungeschickt publik macht, braucht sich über einen Denkzettel am Wahltag nicht zu wundern.

Hersteller springen ein und gewähren Kaufprämien

Verbraucher immerhin werden nicht komplett alleingelassen. Mehrere Autohersteller, darunter Tesla und Volkswagen, haben angekündigt, die kurzfristig gestrichenen staatlichen Kaufförderungen für Elektrofahrzeuge aus eigener Tasche zu übernehmen. Wer also im Vertrauen auf die Kaufprämie ein E-Fahrzeug bestellt hat, muss dieses nicht zwangsläufig stornieren. Wie lange die Autobauer jedoch gewillt sein werden, für ein gebrochenes Versprechen der Politik geradezustehen und Prämien auszuzahlen, ist ungewiss.

Nicht wenige Branchenkenner befürchten deswegen einen weiteren herben Dämpfer für die Verkehrswende. Seit der Einführung im Jahr 2016 hat die Kaufprämie für Elektrofahrzeuge demnach den Markt kräftig angekurbelt. Die Bestellungen waren gegenüber 2022 bereits zurückgegangen, nachdem zum vorigen Jahreswechsel die Förderung für Plug-in-Hybride ausgelaufen war und nur noch rein batterieelektrisch betriebene Fahrzeuge bezuschusst wurden.

2024: Herber Rückschlag für Verkehrswende?

Das jetzige abrupte Aus für die Kaufprämie könnte wieder mehr Verbraucher veranlassen, beim Pkw-Neukauf zunächst doch weiter auf Verbrenner zu setzen. Das liegt auch an der breiter gefächerten Produktpalette: Am deutschen Markt sind bis heute nur 3 elektrisch betriebene Fahrzeuge für unter 30.000 Euro verfügbar. Hier sind auch die Hersteller selbst gefragt, Abhilfe zu schaffen und Low-Budget-Angebote zu etablieren.

Für 2024 allerdings ist wohl erst einmal mit einer deutlichen Flaute am hiesigen Elektroautomarkt zu rechnen.