Ukraine-Krieg hinterlässt tiefe Spuren an den Märkten

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Vor genau einem Jahr begann der russische Angriff auf die Ukraine. Nicht nur geopolitisch herrschen seither andere Zeiten. Auch wirtschaftlich waren die Folgen vielfach spürbar.

Kriegsdepression statt Post-Pandemie-Aufschwung

Der erhoffte Post-Corona-Aufschwung fiel kurzerhand aus. Stattdessen rückten Ängste um die Versorgungssicherheit in Europa und gerade in Deutschland in den Vordergrund. Anders als zu Zeiten des Kalten Krieges zeigte sich Russland ab dem Sommer nicht mehr als verlässlicher Energielieferant. Immer wieder wurden die Gaslieferungen gedrosselt, bis sie schließlich ganz zum Erliegen kamen.

Die Energiepreise schossen durch die Decke und trieben die Inflation auf historische Höchststände. Zweistellige Inflationsraten hatte es in Europa seit gut vier Jahrzehnten nicht mehr gegeben, plötzlich waren sie Realität. Erstmals übersprang der Spritpreis an der Tankstelle die 2-Euro-Schwelle.

Russland-Rückzug und Zinswende belasten Firmen und Märkte

Etliche westliche Firmen, darunter auch zahlreiche Dax-Konzerne, beendeten bereits im Frühjahr ihr Russlandgeschäft. Der hastige Abzug kostete Milliarden und war direkt ablesbar in den Geschäftsbüchern.

An den Märkten deutlich spürbar war zudem die von den Notenbanken eingeleitete Zinswende: Federal Reserve, Bank of England und schließlich auch die Europäische Zentralbank beendeten die Ära der Niedrig- und Nullzinspolitik und hoben die Leitzinsen jeweils in mehreren Schritten an. Weitere Anhebungen sind geplant.

Geopolitisch verhärtete Fronten

365 Tage nach dem Einmarsch russischer Truppen gehen die brutalen Kämpfe in der Ukraine unvermindert weiter. Der von Wladimir Putin mutmaßlich erhoffte Blitzkrieg gelang nicht, stattdessen sieht die Welt ein zähes Ringen um jede Region, Gräueltaten an der Zivilbevölkerung inklusive.

Die Fronten zwischen Russland und westlichen Nato-Staaten sind verhärtet. Anderswo auf der Weltbühne steht Moskaus Machthaber hingegen weniger isoliert da. Im Zuge der jüngsten UN-Resolution unterzeichneten 141 Staaten die Forderung nach einem Abzug Russlands aus der Ukraine, es gab jedoch auch zahlreiche Enthaltungen sowie vereinzelte Gegenstimmen. Insbesondere Länder des globalen Südens, die wirtschaftlich stark von Russland abhängig sind, wagten es teilweise nicht, sich der Mehrheit der Vereinten Nationen anzuschließen.

Inflation und Warnstreiks: Folgen weiterhin spürbar

Die wirtschaftlichen Folgen sind indes auch weiterhin nicht zu übersehen. Die massiv gestiegenen Verbraucherpreise führen aktuell zu Warnstreiks in zahlreichen Branchen. Gewerkschaftsvertreter fordern in Tarifverhandlungen erhebliche Lohnsteigerungen, nicht selten bewegen sich auch die Forderungen im zweistelligen Prozentbereich.

Was seit dem vergangenen Jahr jedoch auch stärker zu vernehmen ist als zuvor ist die wachsende Sorge um die Abhängigkeit Europas – von China. Der Rückzug aus Russland war für einige Unternehmen schmerzlich, doch insgesamt weitaus besser verkraftbar als ein etwaiger Bruch mit der Volksrepublik.

Sorge um China-Abhängigkeit wächst

Seit Jahren gilt China als wichtiger Absatz- und Wachstumsmarkt, insbesondere auch für die deutsche Automobilbranche. Ein Vorgehen wie mit Russland könnte sich Europa im Fall von China schlichtweg nicht leisten.

Die Zentralregierung in Peking hielt sich in Sachen Russland lange zurück und stärkte Putin auf der weltpolitischen Bühne mehrfach den Rücken. Einige Beobachter fürchten, es könnte zwischen China und Taiwan zu einer ähnlichen Eskalation kommen wie zwischen Russland und der Ukraine. Die Ausgangslage ist durchaus vergleichbar: China betrachtet Taiwan als Teil des eigenen Territoriums, Russlands Machthaber will die Ukraine ebenfalls als eigenständigen Staat von der Landkarte tilgen.

Dass vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine Abhängigkeiten reflektiert wurden und man sich in Europas Hauptstädten über die Risiken einer zu engen Verflechtung mit China bewusst geworden ist, kann als positiver Nebeneffekt gewertet werden.

Aktienmärkte auf Erholungskurs – kein Kriegsende in Sicht

Die Aktienmärkte rauschten im vergangenen Jahr in den Keller, haben aber seit Beginn dieses Jahres eine Trendwende eingeläutet und zum Teil bereits zweistellig zugelegt. Dennoch: Die wirtschaftlichen Risiken einschließlich der Rezessionsgefahr sind noch längst nicht gebannt. Ein Ende des Krieges ist nicht in Sicht, stattdessen rüsten westliche Verbündete die ukrainischen Streitkräfte weiter auf, um gegen Russlands Armee bestehen zu können.

Dass mit Rheinmetall ein waschechter Rüstungsriese neulich kurz davor stand, in die Riege der Dax-Konzerne aufzusteigen, ist ein Symbol dieser Zeit.