Lockdown in Shanghai: Stresstest für Europas China-Geschäft

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Etwas mehr als zwei Jahre ist es nun her, seit die Corona-Pandemie sich rund um den Globus ausbreitete. Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen, geschlossene Grenzen und viele weitere Maßnahmen wurden seither in etlichen Ländern erprobt, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen.

China setzt weiter auf Null-Covid-Strategie

Für einen besonders radikalen Weg hat sich dabei unter anderem China entschieden. Über das, was in Deutschland als „Lockdown“ verpönt war, können die Einwohner der Volksrepublik nur müde lächeln. Lockdown bedeutet dort tatsächlich, die eigenen vier Wände für mehrere Tage, zum Teil auch mehrere Wochen nicht verlassen zu dürfen.

Immer wieder wurden wegen einzelner Infektionsfälle ganze Metropolen abgeriegelt, aktuell wird mit Shanghai die größte Metropole des Landes abgeschottet. Die 26 Millionen Einwohner werden systematisch einzeln durchgetestet. Dem jüngsten Corona-Ausbruch wirkt aber auch diese Strategie nicht entgegen: Die hochansteckende Omikron-Variante breitet sich auch in China und Shanghai in rasantem Tempo aus, täglich werden zigtausende Neuinfektionen registriert.

Bedeutende Wirtschaftsmetropole im Lockdown

Während man in Deutschland vor der erheblichen Ansteckungsdynamik einknickt und bei Höchstinzidenzen die meisten Corona-Maßnahmen aufgibt, stützt sich die chinesische Führung weiterhin ganz auf ihre Null-Covid-Strategie. Der Unmut in der eigenen Bevölkerung wächst, doch auch in Europa blickt man zunehmend mit Sorge auf die Entwicklung.

Denn Shanghai ist eine der bedeutendsten Wirtschaftsmetropolen der Welt – und etliche europäische Firmen haben ihre Handelsbeziehungen mit China in den vergangenen Jahren massiv ausgebaut. Das Reicht der Mitte gilt vielen Exporteuren als einer der wichtigsten Absatzmärkte überhaupt, mit massivem Wachstumspotenzial in der Zukunft.

Chinesischer Markt – ein (Alb)Traum für deutsche Exporteure

Allein Deutschlands Autobauer sind stark abhängig vom chinesischen Markt: Mehr als ein Drittel aller weltweit verkauften Fahrzeuge von VW, Daimler und BMW gehen nach China, vor allem Volkswagen ist hier stark vertreten. Das China-Geschäft macht für die Wolfsburger seit Jahren rund 40 Prozent aller Absätze aus.

Shanghai beheimatet einen der weltweit wichtigsten Finanzplätze, außerdem liegt hier der größte Containerhafen der Welt. Kein Wunder also, dass rund 70 Prozent der deutschen Unternehmen, die Geschäfte in China machen, in der Region ansässig sind. Dementsprechend stark betroffen sind nun auch sie von den Lockdown-Maßnahmen.

Noch weit entfernt von Normalität

Es hakt in der Logistik, Arbeiter dürfen nicht in die Fabriken, immer wieder stehen die Bänder in den Produktionshallen still. Die Teilnehmer an den Finanzmärkten reagierten dementsprechend nervös, als der Lockdown für Shanghai Ende März verkündet wurde. Im Gegensatz zu früheren Beschränkungen, die auf wenige Tage begrenzt waren, dauern die Maßnahmen nun – mehrere Wochen später – immer noch an.

Zwar hat man die Metropole in zwei Teile aufgeteilt, die zeitversetzt abgeriegelt werden sollen. Doch angesichts weiterhin hoher Infektionszahlen zeichnet sich ab, dass es wohl noch länger dauern könnte, bis Shanghai zur Normalität zurückkehren kann.

Hafen (noch) in Betrieb

Immerhin der Hafen ist von den Einschränkungen bislang noch ausgenommen, hier läuft der Betrieb weiter. Doch ob das so bleiben wird, ist mittlerweile mehr als fraglich. Durch die Produktionsausfälle kommt es zu fehlendem Warennachschub, Lieferketten geraten ins Stocken oder werden unterbrochen. Zudem kann die chinesische Führung jederzeit auch für den Hafen den Stillstand verordnen, wie es in der Vergangenheit in anderen Hafenstädten bereits zu beobachten war.

Für europäische Firmen bedeutet das vor allem eines: Unsicherheit. Weil sich die Lage täglich verändern kann und die Folgen schwer absehbar sind, werden bestehende Abläufe und Lieferketten zunehmend unberechenbarer.

Wackelt Chinas Wachstumsziel?

Doch auch für die chinesische Wirtschaft dürfte das Geschehen in Shanghai nicht ohne Folgen bleiben. Das Wachstumsziel in diesem Jahr hat China mit 5,5 Prozent angegeben. Sollte sich der Lockdown in Shanghai aber länger hinziehen oder weitere seiner Art in ähnlich bedeutenden Wirtschaftsregionen folgen, gehen Ökonomen davon aus, dass das Ziel ins Wanken gerät.

In der Vergangenheit war China mit seiner Null-Covid-Politik recht erfolgreich gefahren, tatsächlich konnten die Infektionszahlen erheblich eingedämmt werden und sind auch jetzt noch im internationalen Vergleich relativ gering. Doch die hochansteckende Omikron-Variante bringt das System zunehmend an seine Grenzen – ganz ähnlich wie in Deutschland, wo vormals erfolgreiche Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie mit dem Auftreten von Omikron Ende November massiv an Wirkung verloren haben und nun weitgehend aufgegeben werden.