Konjunkturprognosen: Das Schlimmste kommt erst noch

Inhaltsverzeichnis

Es wird früh dunkel, es bleibt kälter, es regnet wieder mehr – kurzum: Der Herbst kehrt ein in Deutschland. Für die Wirtschaftsforscher bedeutet das eine Revision ihrer bisherigen Prognosen und eine Anpassung der Annahmen, basierend auf aktualisierten Parametern. In den vergangenen Wochen haben etliche renommierte Forschungsinstitute ihre neuen Vorhersagen vorgelegt – und die verheißen wenig Gutes für die kommenden Monate.

Ifo-Institut rechnet mit zweistelliger Inflationsrate – Normalisierung erst 2024?

So rechnet das Münchener Ifo-Institut in seiner Herbstprognose, die vor kurzem vorgestellt wurde, mit einer durchschnittlichen Inflationsrate von 8,1 Prozent für das Gesamtjahr 2022 in Deutschland. Im kommenden Jahr steigert sich die Teuerung den Berechnungen zufolge abermals und erreicht dann im Schnitt 9,3 Prozent, wobei der Höchstwert wohl im Auftaktquartal erreicht werden dürfte und mit rund 11 Prozent beziffert wird.

Zugleich rechnen die Wirtschaftsforscher in ihrem Szenario mit einem Abrutschen der deutschen Wirtschaft in eine Rezession. Während das Ifo-Institut für das laufende Jahr noch ein Plus beim Bruttoinlandsprodukt von 1,6 Prozent voraussagt, geht die aktuelle Prognose für das kommende Jahr mit einem Rückgang der Wirtschaftskraft um 0,3 Prozent aus.

Eine Normalisierung ist demnach erst 2024 zu erwarten: Dann soll die Wirtschaft laut Ifo-Institut wieder um 1,8 Prozentpunkte wachsen und die Inflationsrate auf 2,4 Prozent zurückgehen. Damit würde sie sich der Zielmarke der Europäischen Zentralbank annähern, die eine Währungsstabilität bei einer Inflation von 2 Prozent anstrebt.

Unsichere Zeiten – es kann alles viel schlimmer kommen

Die Prognosen sind nach der Erfahrung der Vorjahre jedoch mit Vorsicht zu genießen: Die Pandemie mit all ihren weltwirtschaftlichen Verwerfungen hat vor drei Jahren niemand vorhersehen können, ebenso wenig hatten die Wirtschaftsforscher vor einem Jahr den russischen Einmarsch in die Ukraine einkalkuliert.

Vor einem Jahr standen die Zeichen noch auf Erholung, man hatte die Hoffnung, nach knapp zwei Jahren Pandemie die Talsohle hinter sich zu lassen und im Jahresverlauf 2022 allmählich wieder Licht am Horizont erkennen zu können. Stattdessen stand das Schlimmste tatsächlich erst noch bevor.

Den Hoffnungsschimmer nicht aus den Augen verlieren

Die Aussicht auf ein wirtschaftlich heikles und für Unternehmen wie Verbraucher extrem herausforderndes Jahr 2023 werden wohl die meisten unterschreiben. Die Aussicht auf eine Erholung ab 2024 hingegen wirkt eher wie ein frommer Wunsch – den Hoffnungsschimmer nur nicht aus den Augen verlieren.

Der immer weiter nach hinten verschobene wirtschaftliche Aufschwung erinnert ein bisschen an die Lockdown-Rhetorik in der Pandemie: Nur noch einmal die Zähne zusammenbeißen, einen harten Winter überstehen, noch einmal zusammenreißen und dann ist es geschafft. Was in Sachen Corona allmählich Wirklichkeit geworden ist, dürfte mit Blick auf die Konjunktur noch länger dauern – zumal angesichts der Unberechenbarkeit von Wladimir Putin, der längst mit weiteren Eskalationsstufen droht.

Auch Bundesbank warnt vor Rezession

Das Ifo-Institut ist unterdessen nicht die einzige renommierte Instanz, die die Bürger auf harte Monate einstimmt. Auch die Deutsche Bundesbank rechnet in ihrem aktuellen Monatsbericht mit einer zunehmenden Rezessionsgefahr „im Sinne eines deutlichen, breit angelegten und länger anhaltenden Rückgangs der Wirtschaftsleistung“.

Beginnend mit dem bald endenden 3. Quartal geht die Bundesbank davon aus, dass die deutsche Wirtschaftsleistung zurückgeht und sich diese Tendenz im Schlussquartal noch einmal verstärkt. Auch für das Auftaktquartal 2023 ist den Schätzungen zufolge noch nicht mit einer Rückkehr in die Wachstumszone zu rechnen. Ähnlich wie das Ifo-Institut warnt auch die Bundesbank vor zweistelligen Inflationsraten in den kommenden Monaten.

Bankenverband rechnet mit Stagflation im kommenden Jahr

In dieselbe Richtung äußerte sich zuletzt auch der Bankenverband. Der massive Kaufkraftverlust der privaten Konsumenten in Folge der Inflation sowie die Nachwirkungen der Pandemie mit unterbrochenen oder gestörten Lieferketten setzten die hiesige Wirtschaft erheblich unter Druck. Die hohen Energiekosten kommen als zusätzlicher Belastungsfaktor noch hinzu.

Die Experten rechnen sogar mit einem wirtschaftlichen Abschwung, der vier Quartale in Folge anhalten werde und somit bis in den Sommer 2023 hineinreicht. Eine Rezession ist demnach unumgänglich, da sind sich inzwischen die Ökonomen weitgehend einig. In Kombination mit der wohl auch 2023 weiterhin anhaltenden Inflationsdynamik droht dann die gefürchtete Stagflation, vor der bereits seit Monaten immer wieder gewarnt wird.

Kieler IfW: Durchschnittliche Inflation 2023 noch höher als in diesem Jahr?

Neue Herbstprognosen haben in diesem Monat auch das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) und das Essener RWI vorgelegt. Beide korrigieren ihre bisherigen Vorhersagen dabei deutlich nach unten.

Das Kieler IfW rechnet für das laufende Jahr mit einem Wirtschaftswachstum von 1,4 Prozent. Im Sommergutachten war man noch von 2,1 Prozent ausgegangen. Für das kommende Jahr gehen die Kieler Wirtschaftsforscher von einem Rückgang des deutschen Bruttoinlandsprodukts um 0,7 Prozent aus. Zuvor hatte man noch mit einer Konjunkturerholung und einem Wachstum von mehr als 3 Prozent im kommenden Jahr gerechnet.

In Sachen Inflationsentwicklung gehen die Kieler – ähnlich wie das Münchener Ifo-Institut – davon aus, dass diese sich im kommenden Jahr noch weiter verschärft. Nach 8 Prozent im laufenden Jahr prognostiziert das IfW für das kommende Jahr eine durchschnittliche Inflation von 8,7 Prozent, ehe sich die Dynamik in 2024 etwas abflauen und die Teuerung auf 3,1 Prozent zurückgehen werde.

RWI zeigt sich weniger pessimistisch

Das Rheinisch Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen geht von einem etwas geringeren Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr aus. Nach 1,9 Prozent im Sommer rechnen die Essener nunmehr lediglich mit einem Plus des Bruttoinlandsprodukts von 1,1 Prozent in 2022. Für das kommende Jahr sagt das RWI – im Gegensatz zu anderen Forschungsinstituten – weiterhin ein Wachstum voraus, wenngleich der Umfang ebenfalls deutlich zurechtgestutzt wurde: Hatte die Juni-Prognose für 2023 noch bei 2,7 Prozent gelegen, sind davon nurmehr 0,8 Prozent übrig. Für 2024 geht das RWI von einem Wachstum des deutschen BIP um 2,6 Prozent aus.

Mit Blick auf die Inflationsdynamik weichen die Berechnungen der Essener Forscher deutlich von denen der anderen Experten ab. Für das aktuelle Jahr wird demnach mit 7,3 Prozent ein im Schnitt etwas moderaterer Preisanstieg erwartet. Bereits im kommenden Jahr soll die Inflationsrate dann bereits auf 3,5 Prozent zurückgehen und 2024 gar auf 1,6 Prozent fallen.

Letzteres ist aus Sicht der Verbraucher mehr als wünschenswert, angesichts der vielen Unwägbarkeiten jedoch mehr als ungewiss. Das Gros der Ökonomen blickt dieser Tage weitaus weniger optimistisch in die Zukunft als das RWI.