Konjunkturerholung mit Fragezeichen

Inhaltsverzeichnis

Dieser Tage kursieren wieder unterschiedlichste Daten zur bundesdeutschen Wirtschaftsentwicklung – doch sie sind von wesentlichen Unsicherheiten geprägt.

Manches spricht dafür, dass sich die Wirtschaft von der Coronakrise erholt und das Schlimmste bereits hinter sich hat, wobei diese Zwischenbilanz je nach Branche sehr unterschiedlich ausfällt: Bei Autobauern brummt der Absatz, die Tourismus- und Gastronomiebranche kämpft immer noch mit wackligen Beinen und der Veranstaltungssektor liegt nach wie vor weitgehend brach.

Autobauer ausgebremst durch globalen Materialmangel

Belastet wird die positive Entwicklung in der produzierenden Industrie jedoch durch den weltweiten Materialmangel: Es fehlt an vielem. Rohstoffe wie Holz sind ebenso zur teuren Mangelware geworden wie die heißbegehrten Halbleiter, die längst in praktisch allen elektronischen Geräten verbaut werden.

Deutsche Autohersteller wurden durch den Chipmangel bereits ausgebremst, die Produktion wurde an einigen Standorten zeitweise heruntergefahren, weil der Nachschub der Zulieferteile fehlte. Der US-Tech-Riese Apple kam im ersten Halbjahr noch glimpflicher davon als befürchtet, rechnet aber für das zweite Halbjahr ebenfalls mit materialbedingten Rückschlägen.

Firmenpleiten im Juli auf Rekordtief

Unterdessen sank die Zahl der Firmenpleiten in Deutschland im Juli auf ein Rekordtief: Lediglich 639 Firmen und Unternehmen meldeten im Juli Insolvenz an und damit so wenige wie nie zuvor. Die Zahl der zahlungsunfähigen Unternehmen sank gegenüber dem Juni um 10 Prozent – und gegenüber dem Juli des Vorjahres gar um 25 Prozent.

Letzteres ist vor allem daher bemerkenswert, weil die Bundesregierung in den ersten Monaten der Pandemie die Insolvenzantragspflicht für Unternehmen ausgesetzt hatte. Sukzessive wurde sie ab Oktober 2020 wieder eingeführt, die letzten Ausnahmeverlängerungen liefen im Mai dieses Jahres aus. Demensprechend sind Firmen nun wieder verpflichtet, bei Zahlungsunfähigkeit binnen 3 Wochen einen entsprechenden Antrag zu stellen.

Insolvenzpflicht erneut zeitweise ausgesetzt in Hochwassergebieten

Erneut ausgesetzt ist die Insolvenzpflicht unterdessen vorerst für Firmen, die von der Hochwasserkatastrophe Mitte Juli betroffen waren und nun auf die Auszahlung von Versicherungssummen oder staatlichen Hilfen warten – vorausgesetzt, die wirtschaftliche Misere ist direkt durch die Flut begründet und hat nicht schon zuvor bestanden.

Experten werten den Rückgang der Insolvenzen als Zeichen des Aufschwungs, und tatsächlich wuchs die deutsche Wirtschaft im abgelaufenen zweiten Quartal um rund 1,5 Prozent. Allerdings fließen auch nach wie vor staatliche Hilfsmilliarden, die so manchen Laden am Laufen halten. Die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie sind, insbesondere für die besonders hart getroffenen Branchen, noch längst nicht ausgestanden.

Zahlreiche Betriebe etwa aus der Nachtgastronomie oder der Eventbranche fürchten noch immer um ihre Existenz. Sollten im Herbst aufgrund einer weiteren Infektionswelle erneute Lockdown-Maßnahmen drohen, die die zaghaften Hoffnungen auf Öffnungsperspektiven wieder ersticken, könnte die lang befürchtete Insolvenzwelle im kommenden Jahr doch noch zuschlagen.

Staatliche Hilfsmaßnahmen mildern Wirtschaftsdebakel

Dass es die Wirtschaft nicht noch deutlich härter getroffen hat, lag an einem ganzen Bündel staatlicher Hilfsmaßnahmen: Neben Soforthilfeprogrammen, Insolvenzaussetzung oder Steuerstundungen hat sich insbesondere das Instrument der Kurzarbeit als sehr effektiv erwiesen, um Arbeitsplätze trotz stillstehender Betriebe zu erhalten.

Auch hier gab es zuletzt eine erfreuliche Entwicklung: Laut aktuellen Daten des Münchener Ifo-Instituts waren im Juli noch gut 1 Million Menschen in Kurzarbeit. Das entspricht dem niedrigsten Stand seit Beginn der Pandemie im Februar 2020. Im Juni waren es noch knapp 1,4 Millionen gewesen.

Weniger Menschen in Kurzarbeit – außer in der Industrie

Gebessert hat sich die Lage demnach insbesondere in jenen Branchen, die von den jüngsten Lockerungen der Corona-Beschränkungen profitierten: In Gastronomie und Hotellerie etwa ging die Zahl der Kurzarbeitenden deutlich zurück, im Einzelhandel konnte sie sich im Vergleich zum Juni mehr als halbieren von über 92.000 auf unter 42.000 im Juli.

Ausgerechnet in der eigentlich so erfolgreichen Autoindustrie schlägt das Pendel allerdings derzeit in die Gegenrichtung aus: Hier erhöhte sich die Zahl der Beschäftigten in Kurzarbeit auf mehr als das Doppelte im Vergleich zum Vormonat und lag im Juli bei gut 32.000 oder 3,4 Prozent der Beschäftigten. Hier macht sich der eingangs erwähnte weltweite Materialmangel bemerkbar, der in der zweiten Jahreshälfte für weitere Einbußen bei der Industrie sorgen könnte.