Inflationsrate auf 28-Jahres-Hoch – (k)ein Grund zur Panik?
Das Inflationsgespenst erhält neue Nahrung: Laut Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) liegt die Teuerungsrate für August bei rund 3,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Der Wert basiert auf vorläufigen Zahlen, die endgültigen Werte werden am Freitag dieser Woche, 10. September, vorgestellt.
Stärkster Preisanstieg seit Wiedervereinigung
Doch schon der vorläufige Wert sorgte für Schlagzeilen – immerhin beziffert er die höchste Teuerungsrate seit Dezember 1993. Damals machten sich die Effekte der gerade erst vollzogenen deutschen Wiedervereinigung bemerkbar, die Inflationsrate lag seinerzeit bei 4,3 Prozent.
Diesmal sind es vor allem Basiseffekte, die durchschlagende Wirkung entfalten: Um den privaten Konsum anzukurbeln, hatte die Bundesregierung im zweiten Halbjahr 2020 vorübergehend die Mehrwertsteuer abgesenkt von 19 auf 16 Prozent. Seit Jahresbeginn gilt nun wieder der reguläre Satz, sodass allein dadurch Waren und Dienstleistungen in der zweiten Jahreshälfte im Vorjahresvergleich deutlich teurer werden dürften.
Inflation bald bei 5 Prozent?
Experten rechnen damit, dass die Inflationsrate bis zum Jahresende in Richtung 5 Prozent ansteigen könnte. Damit würde sie dann selbst die Wiedervereinigungseffekte vor 28 Jahren übertreffen. Längst ist auch eine Diskussion darüber entbrannt, ob sich die Preise im kommenden Jahr – wenn der Basiseffekt durch die veränderte Mehrwertsteuer entfällt – wieder stabilisieren oder ob sich die Inflation noch weiter erhöht.
Zudem grassiert die Angst vor einer Lohn-Preis-Spirale: Weil die Löhne zuletzt weniger stark angestiegen sind als die Inflationsrate, sinkt unterm Strich die Kaufkraft der Arbeitnehmer. Daher könnten Gewerkschaften höhere Tarifabschlüsse fordern, deren Zusatzkosten die Unternehmen wiederum über höhere Preise kompensieren würden. Es würde ein wechselseitiger Domino-Effekt in Gang gesetzt werden, der sich nur schwer stoppen ließe.
Ökonomen warnen vor Lohn-Preis-Spirale
Um dies zu vermeiden, raten Ökonomen dazu, zunächst Ruhe zu bewahren und abzuwarten, wie sich die Inflation 2022 entwickelt. Um kurzfristig Kaufkraftverluste auszugleichen, sind anstelle grundsätzlicher Lohnerhöhungen Corona-Einmalzahlungen oftmals das Mittel der Wahl: Arbeitnehmer haben etwas mehr in der Tasche, um die kurzfristige inflationsbedingte Durststrecke zu überbrücken, so die Idee.
Allerdings: Nach Monaten in Kurzarbeit mit ohnehin geringerem Lohnniveau müssen viele Haushalte auch ohne Inflationseffekte schon enger kalkulieren als vor der Pandemie. Die Forderung nach Lohnerhöhungen, wenn sich die Unternehmen wieder erholen, ist dementsprechend sehr nachvollziehbar.
Energiepreise steigen besonders stark
Hinzu kommt, dass nicht nur Luxusgüter von den Preissteigerungen betroffen sind, sondern auch Güter des täglichen Bedarfs, an denen man als Verbraucher kaum vorbeikommt: So haben sich nach Angaben des Statistischen Bundesamtes Lebensmittel um 4,6 Prozent und somit überdurchschnittlich verteuert. Noch drastischer fällt die Preissteigerung bei den Energiepreisen aus: Hier lag die Teuerungsrate zuletzt bei 12,6 Prozent.
Gerade im Hinblick auf die noch bevorstehende kältere Jahreszeit sind das überaus schlechte Nachrichten für Verbraucher, aber auch für die Industrie, deren Produktionsstätten energieintensiv arbeiten und nun höhere Kosten verursachen.
Für das Gesamtjahr rechnen Ökonomen mit einer Inflationsrate von 2,5 bis 3 Prozent. Die Löhne werden demgegenüber um lediglich rund 2 Prozent steigen.