Hitzewelle sorgt für Niedrigwasser: Lieferketten zusätzlich belastet
- Frachter nur halb beladen – wenn überhaupt
- Geringere Kapazitäten – höhere Preise
- Klimawandel, Pandemie und Krieg belasten die Wirtschaft
- Wetterexperten: Trockene Hitze wird neue Normalität
- Industrie muss sich auf neue Rahmenbedingungen einstellen
- 2020er Jahre dürften historischen Paradigmenwechsel in Politik und Wirtschaft einläuten
Auch das noch: Die Hitzewelle in Europa sorgt dafür, dass die Pegelstände der Flüsse rapide sinken. Das ist ein Problem vor allem für die vielbefahrenen Schifffahrtsstraßen wie etwa den Rhein, über den tagtäglich tausende Frachter schippern, um ihre Ladung von A nach B zu bringen.
Frachter nur halb beladen – wenn überhaupt
Weil der Rhein aber dieser Tage so wenig Wasser führt, können die Schiffe zurzeit nicht mehr voll beladen werden – andernfalls bestünde die akute Gefahr, auf Grund zu laufen. Je nach Schiffstyp werden derzeit nur 50 Prozent, zum Teil sogar nur 30 Prozent der sonst üblichen Ladung über den Rhein transportiert.
Vor allem Agrarprodukte wie Getreide, aber auch Energieträger wie Kohle und Öl werden mit Hilfe der Rheinfrachter transportiert. Der Kapazitätsausfall verschärft somit die ohnehin schon bestehenden Engpässe: Wegen des Krieges in der Ukraine und den daraus resultierenden Spannungen mit Russland sind die Öl- und Benzinpreise in den vergangenen Monaten bereits stark gestiegen, selbst die Bundesregierung mahnt Privatpersonen wie Unternehmen zum Energiesparen.
Geringere Kapazitäten – höhere Preise
Wenn nun aber die Transportkapazitäten schwinden und somit die Preise noch weiter anziehen, dürfte das die Inflation noch zusätzlich anheizen. Einige Schifffahrtsbetriebe haben bereits damit begonnen, Aufträge zu stornieren, weil sie einen sicheren Transport an einigen Engstellen des Rheins nicht mehr für gewährleistet halten.
Bereits die Sommermonate 2018 und 2019 waren außergewöhnlich heiß und trocken. Auch damals gab es Niedrigwasser im Rhein, Lieferketten wurden belastet oder ganz unterbrochen. Schon damals litten Industriebetriebe unter dem Mangel an Material- und Rohstoffnachschub.
Klimawandel, Pandemie und Krieg belasten die Wirtschaft
Inzwischen aber hat sich die Lage erheblich zugespitzt: Nicht nur der Krieg in der Ukraine, auch die vorangegangenen zwei von der Pandemie geprägten Jahre haben den globalen Lieferketten arg zugesetzt. Lockdowns, Produktionsausfälle, Grenzschließungen, Flugverbote und Kontaktbeschränkungen sind zuletzt zwar wieder weniger geworden. Doch die Auswirkungen der beiden Pandemiejahre sind noch längst nicht überwunden. Ganz im Gegenteil: Der Weg zurück zur Normalität ist noch weit.
Nach wie vor belasten Materialengpässe, Chipkrise, Rohstoffmangel und Lieferkettenprobleme die Wirtschaft, immer wieder kommt es deswegen zu Produktionsausfällen, unter anderem in der Automobilindustrie, aber längst nicht nur dort.
Wetterexperten: Trockene Hitze wird neue Normalität
Doch Wetterexperten zufolge wird man sich an Extremwetterereignisse gewöhnen müssen, die künftig sowohl häufiger als auch heftiger auftreten dürften. Erderwärmung und Klimawandel haben auch jetzt schon verheerende Auswirkungen. Im Laufe des Jahrhunderts dürfte das noch deutlich schlimmer werden, selbst unter Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels, das die Politik in Europa noch immer als Mantra ausgibt.
Selbst wenn es gelänge, das Ruder jetzt radikal herumzureißen und politische Versäumnisse der vergangenen drei bis fünf Jahrzehnte abzufedern, der Klimawandel hat bereits begonnen und lässt sich nicht mehr verhindern, lediglich begrenzen. Weil sowohl Flutereignisse wie im vergangenen Sommer, aber auch Dürreperioden und extrem heiße Sommer damit immer wahrscheinlicher werden, ist es auch an der Industrie, sich auf die veränderten Rahmenbedingungen einzustellen und entsprechende Vorkehrungen zu treffen.
Industrie muss sich auf neue Rahmenbedingungen einstellen
In Ludwigshafen bei BASF hat man damit bereits begonnen. Nach den Erfahrungen mit den niedrigen Rheinpegelständen im Sommer 2018 hat man dort spezielle Schiffe angeschafft, die auch bei Niedrigwasser noch fahren und Fracht transportieren können.
Damit setzt BASF ein Zeichen gegen den langjährigen Trend: In den vergangenen Jahrzehnten waren die Frachter auf dem Rhein immer größer geworden. Damit ging auch ein größerer Tiefgang einher. In Zeiten normaler Flusspegelstände ist das wirtschaftlich sinnvoll, in Extremsituationen wie jetzt werden dadurch im schlimmsten Fall Lieferketten komplett unterbrochen, wenn es an Alternativen fehlt.
2020er Jahre dürften historischen Paradigmenwechsel in Politik und Wirtschaft einläuten
Weil aber heiße und trockene Sommer mit niedrigem Pegel im Rhein und anderswo in Zukunft wohl eher die Regel als die Ausnahme darstellen dürften, ist die Industrie gut beraten, sich schon jetzt darauf einzustellen.
Die Erfahrungen der frühen 2020er Jahre werden wohl in der historischen Rückschau prägend sein: Pandemie, Deglobalisierungstendenzen, geopolitische Verwerfungen und die Auswirkungen des Klimawandels dürften in vielen Bereichen einen Paradigmenwechsel einläuten.