EZB räumt ein: Doch kein Ende der Inflation in Sicht
Es gleicht einer Rolle rückwärts, was Europas Notenbanker dieser Tage vollführen: Noch im Oktober hatten die Währungshüter um Christine Lagarde, Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB), ihre Einschätzung bekräftigt, wonach die Inflation schon bald vorüber sein werde.
Auch EZB rechnet mit längerer Inflationsphase
Nun räumte Lagarde jedoch ein, dass die Phase stark steigender Preise doch etwas länger andauern dürfte als zunächst angenommen. Mit Preissteigerungen um teils mehr als 5 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat liegt die Inflationsrate derzeit deutlich über dem offiziellen Ziel der EZB, das da lautet: 2 Prozent.
Lag die Teuerungsrate zuvor jahrelang unterhalb dieses Wertes, schlägt die Inflation nun deutlich nach oben aus – sehr zum Leidwesen der Verbraucher, die an allen Ecken und Enden zu spüren bekommen, dass sie tiefer in die Tasche greifen müssen. Tatsächlich sind es eine ganze Reihe von Faktoren, die derzeit für die hohen Preissteigerungen im täglichen Leben führen, auch jenseits des deutschen Sondereffekts.
Nicht nur Mehrwertsteuereffekt
Hierzulande fällt die Inflation in diesem zweiten Halbjahr 2021 besonders hoch aus, weil im Vorjahreszeitraum eine befristete Mehrwertsteuersenkung um 3 Prozent eingesetzt wurde, um den privaten Konsum nach dem ersten Corona-Schock wieder in Schwung zu bringen und damit die Wirtschaft zu stützen. Zum Jahreswechsel erhöhte sich die Mehrwertsteuer wieder auf die üblichen 19 Prozent, sodass der Basiseffekt nun voll durchschlägt.
Doch daran allein liegt es nicht, wie der Blick ins benachbarte Ausland zeigt: Auch andere Staaten im Euroraum kämpfen mit vergleichsweise hohen Inflationsraten. Immobilienpreise schießen bereits seit Jahren durch die Decke, vor allem in Metropolregionen sind Neubauten wie auch Bestandsimmobilien für private Käufer oftmals unerschwinglich geworden.
Energie und Rohstoffe treiben Teuerungsrate
Hinzu kommen explodierende Energiepreise: Sowohl Gas als auch Öl sind seit Jahresbeginn massiv teurer geworden. Zusätzlich angefacht wird die Preisspirale durch politische Interventionen. So nutzt Russland seine Gasexporte, um politischen Druck auszuüben, während die Länder der Opec+ die Ölfördermengen künstlich begrenzt halten und nur in kleinen Schritten allmählich wieder ausweiten.
Auch weitere Rohstoffe, Materialien und Bauteile sind zur begehrten Mangelware geworden, sodass Erzeuger- wie Verbraucherpreise sich immer weiter nach oben schrauben. Prominentes Beispiel ist die weltweite Chipkrise, die unter anderem dazu führt, dass hunderttausende Fahrzeuge nicht fertiggebaut werden können und Kunden monatelang auf ihren Neuwagen warten müssen. Der Engpass schlägt sich aber auch auf die Gebrauchtwagenbörsen nieder: Auch hier schnellen die Preise in die Höhe, während das Angebot inzwischen deutlich knapper ausfällt als noch vor einigen Monaten.
Lagarde lehnt Zinswende ab
Eine Entspannung ist kurzfristig nicht in Sicht. Auch die EZB geht mittlerweile davon aus, dass die hohe Inflation sich noch weit ins kommende Jahr hinein erstrecken dürfte. Angesichts der Großwetterlage fordern inzwischen immer mehr Banken ein Ende der Niedrigzinspolitik, doch Lagarde winkt ab. Weder in diesem noch im kommenden Jahr sehe sie dafür das nötige Umfeld, sagte die Französin, und verwies dabei nicht zuletzt auf die Unwägbarkeiten der weiterhin andauernden Pandemie.