EZB in der Zwickmühle: Rezession oder Inflation?

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Die Europäische Zentralbank (EZB) steckt in einer historischen Zwickmühle.

Auf der einen Seite belasten die Folgen von Pandemie, Materialengpässen und Problemen in den globalen Liefernetzwerken die Stimmung in der Wirtschaft und bremsen das Wachstum aus. Eine weiterhin anhaltende expansive Geldpolitik – Niedrigzinsen inklusive – wäre hier üblicherweise das Mittel der Wahl der Notenbanker.

EZB-Gretchenfrage: Rezession oder Inflation?

Auf der anderen Seite aber steht eine horrende Inflation, wie sie Europa lange nicht mehr erlebt hat. In Deutschland lag die Teuerungsrate zuletzt bei 5,1 Prozent, im gesamten Euroraum fiel sie mit 5,8 Prozent sogar noch höher aus. Eigentlich strebt die EZB eine stabile Preissteigerungsrate von rund 2 Prozent an. Um in diese Richtung zu wirken, müsste sie die Zinsen anheben – und damit das Abrutschen der Wirtschaft in eine Rezession riskieren.

Es galt also bei der Sitzung der Währungshüter in der vergangenen Woche, eine Richtungsentscheidung zu treffen, die alles andere als einfach war. Dementsprechend aufmerksam verfolgten Anleger das Geschehen.

Notenbanker halten an Nullzins fest – zumindest vorerst

Im Ergebnis verkündeten die Notenbanker rund um EZB-Chefin Christine Lagarde, dass der Leitzins vorerst weiterhin bei null Prozent bleiben wird und auch weiterhin Strafzinsen in Höhe von minus 0,5 Prozent von Banken erhoben werden, die ihr Geld bei der Zentralbank „parken“.

Einen Kursschwenk nimmt die EZB mit Blick auf ihr Anleihekaufprogramm APP vor. Dieses soll nun bereits Ende Juni auf 20 Milliarden Euro reduziert werden – ein Schritt, der ursprünglich erst für Oktober vorgesehen war. Zudem dürfte das Programm früher auslaufen als geplant, möglicherweise sogar schon im dritten Quartal des laufenden Jahres.

Währungshüter korrigieren Inflationsprognose kräftig nach oben

Erst danach will man offenbar über eine Zinsanhebung entscheiden, um der galoppierenden Inflation entgegenzuwirken. War die EZB in der Vergangenheit noch davon ausgegangen, dass es sich bei der Inflationsdynamik um ein vorübergehendes Phänomen handele, das sich binnen weniger Monate mehr oder weniger von selbst erledigen würde, hat sie ihre Einschätzung nun angepasst.

Anstelle von 3,2 Prozent rechnet die Notenbank nun mit einer deutlich höheren Teuerungsrate von 5,1 Prozent im Euroraum für das Gesamtjahr 2022. In den beiden Folgejahren könnte sich die Inflation den Prognosen zufolge zwar wieder abschwächen, allerdings geht die EZB mit 2,1 und 1,9 Prozent auch für die kommenden Jahre von etwas höheren Werten aus. Bislang hatte sie für 2023 und 2024 mit Inflationsraten von jeweils 1,8 Prozent kalkuliert.

Krieg in Ukraine lässt Energiepreise explodieren

Dass man die Inflationsdynamik in der EZB nun ernster nimmt, dürfte auch mit den dramatischen Entwicklungen in der Ukraine seit Ende Februar zu tun haben. Der russische Einmarsch hat nicht nur Handelsketten unterbrochen, sondern auch die Energiepreise schlagartig in die Höhe schießen lassen. Autofahrer bezahlen an Tankstellen inzwischen Rekordpreise, deutlich mehr als 2 Euro je Liter Benzin werden mittlerweile fällig.

Daneben ist auch die europäische Diskussion über die Abhängigkeit von Gaslieferungen aus Russland neu entbrannt, die Ostseepipeline Nord Stream 2 wurde von der deutschen Bundesregierung nach langem Zögern auf Eis gelegt. All das dürfte die Energiekosten weiter ansteigen lassen, die schon im vergangenen Jahr erheblich zur Inflationsentwicklung beigetragen haben.

Anleger reagieren in turbulenter Handelswoche nervös

Inwieweit möglicherweise ein früheres, entschiedeneres Eingreifen der EZB im Laufe des Jahres notwendig werden könnte, hängt wohl auch davon ab, wie sich die Lage im Kriegsgeschehen in der Ukraine weiterentwickelt.

Anleger reagierten in einer insgesamt turbulenten Handelswoche nervös und schickten den Dax nach Bekanntgabe der jüngsten EZB-Entscheidungen zunächst auf Talfahrt. Auf Wochensicht beendete der Leitindex den Handel dennoch mit einem kräftigen Plus von 8 Prozent oder mehr als 1.000 Punkten bei rund 13.628 Zählern.