Droht Lohn-Preis-Spirale trotz konzertierter Aktion mit Sozialpartnern?
Die Inflation dürfte in diesem Jahr auf Rekordniveau steigen. Bereits zur Jahresmitte waren Teuerungsraten von rund 8 Prozent keine Seltenheit mehr in der Europäischen Union. Teilbereiche des täglichen Lebens verteuerten sich noch deutlich stärker: Energieversorgung, Sprit oder Lebensmittel etwa stiegen im Preis im Vergleich zum Vorjahr erheblich.
Sozialpartner pochen auf Tarifautonomie
Um den gesellschaftlichen Folgen dieser immensen Preissteigerungen entgegenzuwirken, hat die Bundesregierung kürzlich eine konzertierte Aktion ins Leben gerufen, an der unter anderem auch Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften beteiligt sind. Bis zum Herbst sollen sich die Experten zu Gesprächen treffen, um gemeinsame Strategien zu entwickeln und tragfähige Lösungen zu präsentieren, um Privathaushalte zu entlasten.
Gleich zu Beginn der Gespräche vor wenigen Tagen machten die Sozialpartner jedoch klar, was sie unter keinen Umständen wollen: sich vom Staat in ihre Tarifgestaltung hineinreden lassen. Die Tarifautonomie und Lohngestaltung liegt allein zwischen den Unternehmen und ihren Beschäftigten, darauf pochten sowohl Arbeitnehmervertreter wie auch die Arbeitgeberseite.
Lohn-Preis-Spirale: Horrorszenario immer realistischer
Die große Angst von Politik und Ökonomen ist dieser Tage die Entwicklung einer Lohn-Preis-Spirale – einem Mechanismus, in dem sich steigende Kosten und höhere Löhne gegenseitig befeuern in einem nur schwer zu durchbrechenden Kreislauf. Immer wieder appellierten Politiker wie Unternehmerverbände daher an die Gewerkschaften, sich bei den Lohnforderungen in anstehenden Tarifverhandlungen „maßvoll“ zu positionieren.
Nun haben zwei der mitgliederstärksten und einflussreichsten Gewerkschaften frische Lohnforderungen auf den Tisch gelegt – und für einen Aufschrei gesorgt. So fordert die IG Metall für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie ein Lohnplus von 8 Prozent. Angesichts der vollen Auftragsbücher und der soliden Geschäftsentwicklung im ersten Halbjahr sei das für die Unternehmen tragbar, argumentieren Gewerkschaftsvertreter.
IG Metall fordert 8 Prozent mehr Lohn
Arbeitgeber halten dagegen und verweisen auf drohende wirtschaftliche Schieflagen, sollte es ab dem Herbst tatsächlich zu einer Gas- und Energieversorgungsknappheit kommen. Gewerkschaftsboss Jörg Hofmann signalisierte im Falle einer solchen Zuspitzung der Lage Gesprächsbereitschaft und betonte, man werde sich die Situation kurz vor Beginn der Gespräche noch einmal anschauen und auf dieser Basis entscheiden, ob man an der Forderung von 8 Prozent festhalten oder von dieser noch abrücken werde. Die Verhandlungen sollen Mitte September beginnen, die Friedenspflicht endet Ende Oktober. Dann wären auch Streiks möglich.
Doch nicht nur die IG Metall sorgt mit ersten Lohnvorstößen für Aufsehen. Auch Ver.di fordert eine kräftige Lohnsteigerung, aktuell geht es dabei um rund 20.000 Beschäftigte im Bodenpersonal der Lufthansa. Das bisherige Angebot der Airline hat die Gewerkschaft als unzureichend abgelehnt – und fordert ein Lohnplus von 9,5 Prozent bei einer Laufzeit von 12 Monaten.
Ver.di fordert Inflationsausgleich – Lohnforderung von 9,5 Prozent
Dabei pochen die Arbeitnehmervertreter nicht zuletzt auf die immens gestiegene Inflation, die für die Beschäftigten einen Reallohnverlust bedeute und zumindest anteilig vom Arbeitgeber ausgeglichen werden müsse. Zudem verweist Ver.di auf die hohe Arbeitsbelastung der Beschäftigten, die seit Pfingsten immer wieder die Schlagzeilen dominiert.
Weil während der Pandemie tausende Stellen abgebaut, aber nicht rechtzeitig nachbesetzt wurden, klafft nun ein riesiges Loch in der Personaldecke von Airlines und Flughafenbetreibern – was zu chaotischen Zuständen an Flughäfen in Deutschland und Europa führt. Tausende Koffer stapeln sich unbearbeitet und nicht selten am falschen Ort, in den Warteschlangen vor den Sicherheitschecks stehen sich Passagiere stundenlang die Beine in den Bauch in völliger Ungewissheit, ob sie ihren Flieger am Ende erreichen – und etliche Verbindungen werden komplett gestrichen.
Lufthansa streicht weitere 2.000 Flüge
Allein die Lufthansa hat in mittlerweile drei Wellen insgesamt fast 6.000 Flüge aus dem Sommerflugplan annulliert. Betroffen sind dabei in erster Linie innerdeutsche Verbindungen oder Kurzstreckenflüge ins nahegelegene Ausland. Mit den Streichungen soll die Aufrechterhaltung des verbleibenden Flugplans gesichert werden. Dies sei in den vergangenen Wochen gelungen, sodass man nun für die verbleibende Sommersaison entsprechend weiterplane, so das Unternehmen. Touristische Reiseziele sollen nur im äußersten Notfall von den Streichungen betroffen sein.
Die Tarifgespräche zwischen Ver.di und der Lufthansa gehen Anfang August in die nächste Runde.