Brexit-Folgen belasten britische Wirtschaft
Pandemie, Lieferkettenprobleme, Ukraine-Krieg, Inflation und Energiekrise – die wirtschaftlichen Herausforderungen für Europa sind seit einigen Jahren extrem. Für Großbritannien aber kommt noch ein ausgewachsenes Problem hinzu: der Brexit.
Der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union verschärft die wirtschaftliche Schieflage des Landes, wie immer mehr Top-Ökonomen zuletzt auch öffentlich feststellten. Bereits vor gut 6 Jahren, als die Briten in einer Volksabstimmung knapp für den EU-Austritt votierten, gab es zahllose Warnungen aus der Wirtschaft, etliche Unternehmen verlagerten ihre Hauptsitze weg von der Insel.
Nordirlandprotokoll: Verstetigung eines unperfekten Provisoriums
Nach monatelangem Gezerre wurde letztendlich ein Bürokratiemonster auf den Weg gebracht, das bis auf Weiteres ein Provisorium verstetigt: Das Nordirland-Protokoll, das die EU-Außengrenze de facto in die Gewässer verlagert, um bloß den alten Konflikt zwischen der Republik Irland und dem Norden nicht erneut aufflammen zu lassen. Unter keinen Umständen soll es zu Grenzkontrollen auf der Insel kommen, zugleich aber zementiert das Konstrukt eine Sonderrolle für Nordirland, mit der niemand so recht zufrieden ist. Zugleich nehmen in Schottland die Bemühungen zu, ein weiteres Referendum auf den Weg zu bringen, in dem die Schotten sich von Großbritannien lossagen – und in einem weiteren Schritt womöglich der EU wieder annähern könnten.
Kurzum, politisch ist der Brexit schon jetzt ein historisches Desaster, das dem Mutterland der Demokratie einen atemberaubenden Verschleiß an Premierministern beschert hat. Wirtschaftlich aber beginnen die Folgen erst allmählich Wirkung zu entfalten. Unmittelbar nach dem EU-Austritt konnten viele ökonomische Krisenmeldungen noch mit der Pandemie begründet werden, die zweifelsohne einen erheblichen Einfluss auch auf die britische Wirtschaftsentwicklung hatte.
Finanzminister legt Sparhaushalt vor
Doch mittlerweile zeigt sich, dass das Königreich von den Krisen der vergangenen Jahre heftiger getroffen wurde als die Mitgliedsländer der EU. Zuletzt war die Arbeitslosenquote entgegen der Erwartungen von Experten angestiegen und lag im dritten Quartal bei 3,6 Prozent. Die Inflationsrate stieg unterdessen auf 11,1 Prozent und erreichte damit den höchsten Stand seit mehr als 40 Jahren. Für das kommende Jahr erwartet die Regierung unter dem neuen Premierminister Rishi Sunak einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 1,4 Prozent.
Hatte Kurzzeit-Regierungschefin Liz Truss im September noch großzügige steuerliche Entlastungen angekündigt, die über zusätzliche Kredite finanziert werden sollten, legte Sunaks Finanzminister Jeremy Hunt in dieser Woche einen Haushaltsentwurf vor, der in die komplett gegenteilige Richtung zielt.
Höhere Steuern, geringere Ausgaben
So sollen auf der einen Seite staatliche Ausgaben gekürzt und auf der anderen Seite die Steuern erhöht werden. Dies geschieht unter anderem durch eine Absenkung der Schwelle, ab der der Spitzensteuersatz fällig wird: Diese liegt künftig bei einem Jahreseinkommen von 125.140 Pfund anstelle von bisher 150.000 Pfund. Zudem werden auch Energiekonzerne stärker zur Kasse gebeten, zumindest zeitweise.
Auf ein neues Rekordhoch kletterte die Inflation zuletzt auch hierzulande: Wie das Statistische Bundesamt bekanntgab, stiegen die Verbraucherpreise im Oktober gegenüber dem Vorjahresmonat um 10,4 Prozent. Im September hatte die Teuerungsrate bei 10,0 Prozent gelegen. Vergleichbare Preissprünge waren in Deutschland zuletzt in den 1950er Jahren gemessen worden.
Rekordinflation in Deutschland
Preistreiber sind vor allem höhere Energiepreise: Kosten für Energie stiegen binnen Jahresfrist um 43 Prozent, Erdgas kostete mehr als das Doppelte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Nahrungsmittel verteuerten sich für Verbraucher in Deutschland um mehr als 20 Prozent gegenüber Oktober 2021.
Stark abhängig von Energieimporten aus dem Ausland ist unter anderem auch Japan, das zudem ähnlich wie Deutschland unter einer Abschwächung der eigenen Währung leidet. Anders als die Europäische Zentralbank, die seit dem Sommer an der Zinsschraube dreht, hält die Bank of Japan bislang an ihrer Niedrigzinspolitik fest.
Japans Wirtschaft schrumpft überraschend – Notenbank setzt weiter auf Niedrigzinspolitik
Das Bruttoinlandsprodukt ging im dritten Quartal ersten Schätzungen zufolge um 1,2 Prozent zurück. Beobachter hatten ein Wachstum von 1,1 Prozent erwartet, jeweils hochgerechnet aufs Gesamtjahr. Sowohl das zweite Quartal als auch das laufende Schlussquartal sollen aber deutlich besser ausfallen.
Für das kommende Jahr rechnen Ökonomen jedoch weltweit mit kräftigem konjunkturellem Gegenwind. Ein Abgleiten in die Rezession gilt in vielen Volkswirtschaften als nahezu sicher, auch Deutschland und der Euroraum dürften davon wohl betroffen sein.