Was sind Stablecoins?

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Ein interessanter „Krypto-Konflikt“ ist derzeit in der Schweiz zu beobachten. Die Interessens-Vereinigung Swiss Blockchain Federation (SBF) ist besorgt über die Aufsichtsmitteilung der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA zu Stablecoins. Die von der FINMA geforderte flächendeckende Identifikation aller Nutzer hat keine erkennbare gesetzliche Grundlage. Die Anforderungen der FINMA verunmöglichen die Ausgabe von konkurrenzfähigen Stablecoins durch Schweizer Emittenten. Zudem erfolgte die Mitteilung überraschend und ohne Konsultation der Betroffenen.

Was sind Stablecoins?

Um das Potenzial von Anwendungen auf Basis der Distributed-Ledger-Technologie auszuschöpfen, braucht es digitale Zahlungsmittel, die Transaktionen in einer offiziellen Währung wie dem Schweizer Franken, dem Euro oder US-Dollar ermöglichen. Stablecoins sind digitale Währungen, die durch Einlagen oder Finanzinstrumente in der entsprechenden offiziellen Währung gedeckt sind und deshalb gegenüber der Referenzwährung einen mehr oder weniger stabilen Wert aufweisen. Im Gegensatz zu Kryptowährungen, die aufgrund ihrer starken Preisschwankungen für Transaktionen in offiziellen Währungen ungeeignet sind, spielen Stablecoins eine zentrale Rolle im dezentralen Finanzwesen und bei vielen anderen Blockchain-Anwendungen.

Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA hat am 26. Juli 2024 die Aufsichtsmitteilung „Stablecoins: Risiken und Anforderungen für Stablecoin-Herausgebende und garantiestellende Banken“ (06/2024) publiziert, die in der Blockchain-Branche für Unruhe und Kritik sorgt, denn die FINMA geht damit weit über die bisherige Praxis hinaus, die von der Branche ebenfalls kritisiert wurde.

Stablecoins entwickeln sich zu einer bedeutenden Anlageklassen für die Finanzwirtschaft

In der vorliegenden Aufsichtsmitteilung äußert die FINMA die Ansicht, dass Emittenten von Stablecoins verpflichtet seien, alle Inhaber von Stablecoins als Kunden zu erfassen und ihre Transaktionen zu überwachen. Bei Stablecoins handelt es sich um elektronische Zahlungsmittel. Die etablierte Praxis bei Zahlungsmitteln ist, die Gegenpartei lediglich bei der Ausgabe und bei der Rücknahme zu prüfen. Abweichend von dieser Praxis und von der internationalen Usanz konstruiert die FINMA nun aufgrund des Existierens einer Forderung zwischen Stablecoin-Inhaber und Stablecoin-Emittent eine „dauerhafte Geschäftsbeziehung“ und damit eine Kundenbeziehung nach Geldwäschereigesetz. Damit müssen alle Personen, die im Besitz von Stablecoins sind, vom herausgebenden Institut oder von angemessen beaufsichtigten Finanzintermediären mit Hilfe einer geprüften Passkopie oder anderer offizieller Dokumente identifiziert werden.

Nach Auffassung der Swiss Blockchain Federation lässt sich ein solches Erfordernis nicht aus dem geltenden Geldwäschereigesetz herleiten. Das vorübergehende Halten eines Stablecoins als „dauerhafte Geschäftsbeziehung“ zum Herausgeber einzustufen, übersteigt das, was nach Sinn und Zweck der betreffenden Vorschriften vertretbar wäre, bei weitem. Die FINMA verfügt insofern für ihre Praxis über keine ausreichende gesetzliche Grundlage.

Die von der FINMA vertretene Auslegung der geldwäschereirechtlichen Rahmenbedingungen geht deutlich weiter als das, was internationale Standardsetzer und andere Staaten verlangen.

Agiert die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA päpstlicher als der Papst?

Weder die Europäische Union noch Singapur, Hong Kong, Japan oder die USA verlangen eine Identifikation aller Zwischeninhaber eines Stablecoins oder eine Beschränkung seiner Übertragbarkeit. Auch die Financial Action Task Force (FATF) – das wichtigste internationale Gremium für Geldwäschereiregeln – fordert das nicht. Dafür gibt es gute Gründe: Stablecoins, die nur zwischen Kundinnen und Kunden eines einzelnen Instituts übertragen werden können, sind als Zahlungsmittel ungeeignet und damit nutzlos.

Sollte sich diese Praxis der FINMA durchsetzen, würde die Emission von Stablecoins aus der Schweiz heraus faktisch verunmöglicht, weil es mit den von der FINMA mitgeteilten Einschränkungen kein tragfähiges Geschäftsmodell geben kann. Schweizer Emittenten von Stablecoins sind daher gezwungen, ihr Projekt im Ausland zu realisieren. Setzen sie es in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union um, so unterstehen sie einer auf diesen Anwendungsfall zugeschnittenen Regulierung und können den Stablecoin im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum frei anbieten.

Darüber hinaus können sie ohne jede Einschränkung den Stablecoin auch in der Schweiz vertreiben, sofern sie hierzulande keine dauernde physische Präsenz aufweisen, insbesondere keine Mitarbeitenden beschäftigen. Die SBF ist schließlich befremdet darüber, dass die FINMA auf die gesetzlich verankerten Mitwirkungsrechte (Art. 7 Abs. 4 FINMAG) verzichtet und die direkt Betroffenen nicht angehört wurden. Die SBF setzt sich seit Jahren für einen konstruktiven Dialog mit den Behörden ein mit dem Ziel, die langfristige Stabilität des Finanzplatzes zu gewährleisten und die Pionierrolle, die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit des Blockchain-Standorts Schweiz zu stärken.

Mein Fazit: Quo Vadis Blockchain-Standort Schweiz?

Konstruktive Diskussionen und durchaus auch Kontroversen zwischen Politik, Aufsichtsbehörden, Interessens- bzw. Lobbygruppen und auch Krypto-Unternehmen und Verbraucherverbänden sind wichtig für die Evolution der Krypto-Industrie. Ich bewerte es als sehr interessant, dass in diesem Konfliktfall zwischen einer Aufsichtsbehörde und einer Interessens-Vereinigung der Raum der Öffentlichkeit genutzt wird und bin sehr gespannt auf die weiteren Entwicklungen.