Weg mit der Kohle? Warum Glencore jetzt zurückrudert!

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Vielleicht erinnern Sie sich: Der Schweizer Rohstoffkonzern Glencore hatte letztes Jahr angekündigt, für knapp 7 Milliarden US-Dollar eine hohe Beteiligung am Kohlegeschäft des kanadischen Konkurrenten Teck Resources zu übernehmen.

Das Ziel war es, diese Assets mit den eigenen Kohleaktiva zu verschmelzen und das fusionierte Kohlegeschäft schließlich in ein separates Unternehmen abzuspalten. Man wolle aus Glencore einen auf Batteriemetalle spezialisierten Bergbau- und Handelskonzern machen, hate CEO Gary Nagle im letzten Jahr mit Blick auf die Energiewende postuliert.

Glencore-Aktionäre sprechen sich gegen Kohle-Ausstieg aus

Doch nun ist diese Abspaltung erst einmal Geschichte. Der Schweizer Konzern hat vor wenigen Tagen im Rahmen seiner neuen Quartalspräsentation angekündigt, die Pläne rund um den Kohleausstieg zu verwerfen. Der Grund: Offenbar haben sich die Aktionäre mit großer Mehrheit dafür ausgesprochen, den fossilen Rohstoff nicht über Bord zu werfen.

Hintergrund: Glencore ist mit einer für 2024 erwarteten Produktion von bis zu 106 Millionen Tonnen (Kraftwerkskohle) der größte börsennotierte Kohleproduzent der Welt. Und das kam dem Unternehmen in den letzten Jahren zugute. 2022 hatten die Schweizer ihren Gewinn auf rund 17,3 Milliarden US-Dollar mehr als verdreifacht, während der Umsatz um etwa ein Viertel auf 256 Milliarden Dollar nach oben schoss:

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Quelle: www.aktienscreener.com

Glencore hatte 2022 massiv von den Verwerfungen auf den globalen Energiemärkten infolge des Ukraine-Kriegs profitiert. Vor allem die Kohle erwies sich als Profittreiber. Die Kohlepreise waren nach Beginn der russischen Großoffensive in der Ukraine massiv gestiegen, auch weil einige europäische Staaten als Alternative zum russischen Gas die Kohleverstromung verstärkten, um ihre Energieversorgung aufrechtzuerhalten. Zeitweise lag der Kohlepreis im Jahr 2022 bei mehr als 400 Dollar pro Tonne und war damit rund dreimal so teuer wie 2021.

Aktionäre wollen Kohle-Renditen nicht missen

Inzwischen haben sich die Marktpreise zwar wieder deutlich beruhigt, notieren aber immer noch signifikant über dem Vor-Corona-Niveau. Glencore meldete kürzlich für das erste Halbjahr 2024 ein bereinigtes Betriebsergebnis (adjusted EBITDA) in Höhe von 6,3 Milliarden Dollar. Das entspricht zwar einem Rückgang von 33 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Trotzdem generierte das Kohlegeschäft (Kraftwerkskohle und metallurgische Kohle) immer noch 2,7 Milliarden Dollar und machte damit weiterhin einen wesentlichen Teil des Ergebnisses aus.

Und eben diesen Profitbeitrag wollen die Aktionäre von Glencore offenbar nicht missen. Analysten hatten im Vorfeld bereits damit gerechnet, dass sich die Anteilseigner für einen Verbleib der Kohle-Assets im Konzern aussprechen würden.

Konzernchef Nagle: „Cash is King“

Unterstützung gibt es derweil von Konzernboss Nagle, der – wie oben erwähnt – noch letztes Jahr den Abschied von dem fossilen Rohstoff lautstark angekündigt hatte. Nun sprach der Manager im Zusammenhang mit der Entscheidung der Aktionäre hingegen von „gesundem Menschenverstand“.

Nagle verwies darauf, dass in den letzten 12 Monaten die ESG-Themen wieder an Relevanz verloren hätten. Stattdessen wollten die Investoren mehr denn je Cash sehen. „Cash bleibt der König“, so Nagle mit Blick auf das immer noch stark profitable Kohlegeschäft und die damit generierten Aktionärsrenditen. Tatsächlich konnte Glencore zuletzt seine Verschuldung reduzieren, und dürfte nun neuen Spielraum haben, seine Ausschüttungen zu erhöhen.

Was ist mit dem Klimaziel?

Es herrsche Einigkeit darüber, dass Energie nach wie vor oftmals aus fossilen Brennstoffen stammen müsse, betonte der CEO weiter. Glencore hatte bereits zuvor entgegen der Kritik von Klimaschützern auf die Bedeutung der Kohle hingewiesen und betont, dass die Vorkommen von verantwortungsbewussten Akteuren abgebaut werden sollten. Der Klimafußabdruck des Konzerns war 2023 mit CO2-Emissionen von 433 Millionen Tonnen größer als der von ganz Großbritannien.

Von ihrem Klimaziel wollen sich die Schweizer trotz des Festhaltens an der Kohle indes aber nicht verabschieden. Glencore soll weiterhin bis 2050 klimaneutral werden. Mit der Kohle im Gepäck ließe sich dieses Ziel wohl nicht erreichen. Heißt: Entweder muss der Konzern sein Klimaziel aufgeben – was dem Unternehmen erheblichen Widerstand am Kapitalmarkt unter anderem von ESG-orientierten Banken einbringen könnte und nicht zuletzt staatliche Repressalien zur Folge haben dürfte – oder er muss früher oder später die Kohle abstoßen.

Mein Fazit für Sie

Dass sich die Aktionäre gegen den Kohleausstieg gestemmt haben, kommt nicht von ungefähr. Ohne die Kohle-Assets wäre Glencore im Prinzip nur noch ein Rumpfunternehmen, das zwar profitabel wäre, allerdings deutlich weniger als aktuell. In der Folge hätte das Management die Dividenden und Aktienrückkaufprogramme auf Sparflamme stellen müssen.

Was ebenfalls nicht zu unterschätzen ist: Glencore kann zumindest einen Teil des Kohle-Cashflows zur Finanzierung des aussichtsreichen Geschäfts rund um Energiewendemetalle einsetzen und somit seine Zukunftsfähigkeit durchaus verbessern.

Dass das Zeitalter der Kohle auf globaler Ebene alsbald zu Ende gehen wird, ist meiner Meinung nach sehr unwahrscheinlich. Die Internationale Energieagentur (IEA) meldete für 2023 eine Rekordnachfrage nach Kohle. Demnach stieg der weltweite Verbrauch um 1,4 % auf 8,5 Milliarden Tonnen. Vor allem in Asien boomt die Kohle und dient dort als wichtiger Energielieferant für das Wirtschaftswachstum. In China ging der Verbrauch 2023 um 4,9 % nach oben, in Indien um 8 % und in Indonesien gar um 11 %. Vor allem Indien und Südostasien werden laut der IEA weiterhin massiv auf den fossilen Brennstoff setzen, sowohl zur Verstromung als auch zur Produktion von Stahl.

Insofern entspricht Glencore dem aktuellen makroökonomischen Trend – auch wenn die Entscheidung in den kommenden Wochen und Monaten nicht ohne Kritik bleiben wird.