Walt Disney – Weniger Kunden im Streaminggeschäft trüben die Bilanz
Bob Iger ist kein Wunderheiler. In der ersten vollständig von ihm verantworteten Quartalsbilanz seit der vielgepriesenen Rückkehr im November 2022 kann der Walt Disney-Chef zwar ein paar Fortschritte vorweisen. Das insgesamt solide Ergebnis wird aber durch einen unerwarteten Abonnentenrückgang im Streaminggeschäft verhagelt.
Streiks und DeSantis
Es ist eine turbulente Zeit für die gesamte US-amerikanische Film- und Fernsehbranche. Kaum ist die Pandemie überwunden und die Kino-Einspielergebnisse nähern sich zumindest dem Vor-Corona-Niveau an, schon legt ein angesichts verhärteter Fronten möglicherweise langwieriger Autorenstreik größere Teile der Branche wieder lahm. Die anstehenden Tarifverhandlungen mit den Regisseuren drohen ebenfalls schwierig zu verlaufen, weshalb weitere Streiks in der Luft liegen.
Für den kalifornischen Unterhaltungsriesen Walt Disney kommt noch der eskalierende Streit mit dem republikanischen Rechtsaußen-Gouverneur von Florida Ron DeSantis dazu, der inzwischen mit Klagen und Gegenklagen auch die Gerichte beschäftigt. Unternehmenschef Iger sah sich deshalb bei der Bilanzkonferenz zu kaum verhohlenen Drohungen veranlasst, künftig lieber in anderen US-Bundesstaaten zu investieren als in Florida (wo Disney dank Disney World bei Orlando zu den wichtigsten Arbeitgebern zählt).
Bei dieser Gemengelage geht beinahe unter, dass Disneys Quartalsbilanz an sich reichlich unspektakulär ausfiel mit Ergebnissen, die genau im Bereich der Erwartungen lagen – abgesehen vom unschönen Rückgang der Streaming-Abokunden.
Umsatzwachstum dank Disney Parks
Im am 1. April 2023 abgeschlossenen zweiten Quartal des Geschäftsjahres 2023 legte Disney beim Umsatz aus fortgeführten Geschäften im Vorjahresvergleich um 8 Prozent auf 21,82 Milliarden US-Dollar zu und übertraf damit minimal die von Branchenanalysten berechneten knapp 21,8 Milliarden Dollar. Wie in den letzten Quartalen trug erneut primär das Segment Disney Parks, Experiences and Products zu diesem Wachstum mit einem Umsatzplus von 17 Prozent auf 7,78 Milliarden Dollar. Während der Umsatz in den US-amerikanischen Freizeitparks um 14 Prozent auf 5,57 Milliarden Dollar anstieg, verdoppelte er sich im Rest der Welt auf 1,18 Milliarden Dollar.
Gemischtes Bild bei Disney Media
Vergleichsweise bescheiden fiel der Zuwachs im Segment Disney Media and Entertainment Distribution aus, wo der Umsatz um 3 Prozent auf 14,04 Milliarden Dollar zulegte. Den größten Beitrag leisten weiterhin die Linear Networks rund um den großen TV-Sender ABC, jedoch ging der Umsatz um 7 Prozent auf 6,63 Milliarden Dollar zurück.
Dagegen zogen die Geschäfte im Bereich Content Sales/Licensing and Other um 18 Prozent auf 2,2 Milliarden Dollar an, in dem James Camerons im Dezember gestarteter Blockbuster „Avatar: The Way of Water” inzwischen zum (nicht inflationsbereinigt) weltweit dritterfolgreichsten Film aller Zeiten aufgestiegen ist. Damit belegt Disney nun die Plätze 1 („Avatar”), 2 („Avengers: Endgame”) und 3 der größten Kinohits der Geschichte.
Unerwarteter Kundenrückgang im Streaminggeschäft
Im vom Streamingdienst Disney+ angeführten Direct-to-Consumer-Bereich stieg der Umsatz um 12 Prozent auf 5,51 Milliarden Dollar. Für Sorgenfalten sorgt jedoch der unerwartete Rückgang der Abonnentenzahlen, die zum Weihnachtsquartal um vier Millionen oder zwei Prozent auf 157,8 Millionen gesunken sind.
Dafür zeichnet vor allem der indische Streamingdienst Disney+ Hotstar verantwortlich, der weiterhin unter dem Verlust zugkräftiger Cricket-Übertragungsrechte leidet und einen Kundenrückgang von 8 Prozent auf 52,9 Millionen hinnehmen musste. In Nordamerika stagnierte die Zahl der Abonnenten weitgehend mit einem leichten Minus von 1 Prozent auf 46,3 Millionen.
Einen Kundenanstieg von 2 Prozent auf 58,6 Millionen verbuchte dagegen das internationale Geschäft ohne Indien. Wenig Veränderungen gab es beim Sportkanal ESPN+ (plus 2 Prozent auf 25,3 Millionen) und bei Hulu (plus 0,04 Prozent auf 48,2 Millionen). . Auch eine weitere Preiserhöhung bei Disney+ kündigte Iger an.
Gewinn steigt, Streamingverluste sinken
Im zweiten Quartal gelang es Disney, den Vorsteuergewinn aus fortgeführten Geschäften um 93 Prozent auf 2,12 Milliarden Dollar zu erhöhen. Das operative Ergebnis aus den beiden Segmenten sank hingegen um 11 Prozent auf 3,29 Milliarden Dollar. Dabei verzeichnete Disney Parks, Experience and Products einen um 23 Prozent auf 2,17 Milliarden Dollar gesteigerten operativen Gewinn, wogegen es für Disney Media and Entertainment Distribution um 42 Prozent auf 1,12 Milliarden Dollar nach unten ging. Immerhin konnten die Verluste aus dem Streaminggeschäft um 26 Prozent auf 659 Millionen Dollar verringert werden.
Disneys Nettogewinn aus fortgeführten Geschäften verdreifachte sich beinahe auf 1,27 Milliarden Dollar. Insgesamt fiel der verwässerte Gewinn je Aktie um 14 Prozent auf 0,93 Dollar und traf damit genau die durchschnittliche Prognose der Experten. Die Anleger reagieren etwas verschreckt auf den nicht erwarteten Abonnenten-Rückgang und lassen die Walt Disney-Aktie im deutschen Mittagsgeschäft um rund 5 Prozent auf etwa 87,50 fallen.