Varta-Aktie: Blackbox oder Chance? Das sollten Sie wissen!
2022 war für den deutschen Batteriekonzern Varta eine Tragödie in mehreren Akten. Sie erinnern Sich bestimmt: Im letzten Jahr hatte das Traditionsunternehmen mehrmals Gewinnwarnungen veröffentlichen müssen. Hinzu kamen Meldungen über gestörte Lieferketten, verzögerte Auftragsabwicklung, Kostenexplosionen und die schwache Konsumlaune.
Varta-Aktie ging 2022 der Saft aus
Im November hatte Varta dann für seinen neuen Standort in Nördlingen Kurzarbeit anmelden müssen, die im Januar auf 100 Prozent erhöht wurde. Im Aktien-Chart sehen Sie deutlich die Leidensgeschichte des Titels im letzten Jahr (Stand: 27.03.2023, 9.30 Uhr).
Signifikant ist vor allem der Einbruch im September, als Varta seine Prognose für das Geschäftsjahr und für das dritte Quartal komplett zurückgezogen hatte. Es sei aktuell nicht möglich, einen neuen Ausblick zu veröffentlichen, hatte das Management damals unter Verweis auf die hohen Energiepreise und das Unvermögen, diese an die Kunden weiterzugeben, einräumen müssen.
Standort Nördlingen: immer noch das Sorgenkind
Nun sind einige Monate vergangen, und Varta ist noch lange nicht über den Berg. Noch immer gibt es in Nördlingen zu 100 Prozent Kurzarbeit. An dem Standort produziert das Unternehmen eigentlich kleine Lithium-Ionen-Zellen, die etwa in kabellosen Kopfhörern zum Einsatz kommen. Doch die Nachfrage nach diesen Wireless-Headsets ist wegen der hohen Inflation zurückgegangen. Offenbar haben einige Verbraucher ihre Ausgaben für Unterhaltungselektronik überdacht.
Und das hat für Varta erhebliche Konsequenzen. Denn: Auch dem Konzern selbst machten zuletzt höhere Ausgaben zu schaffen. Vor allem der rasante Anstieg der Energiekosten in 2022 und die extrem höheren Preise für Lithium schlugen schwer ins Kontor. Da die Nachfrage zum Beispiel nach kabellosen Kopfhörern aber relativ gering war, konnte Varta die Preise nicht so weit erhöhen, um diese Mehrausgaben zu kompensieren. Die Folge: ein massiver Ergebniseinbruch.
In den ersten drei Quartalen 2022 fiel insgesamt ein Nettoverlust von 20,13 Millionen Euro an – nach +75,9 Millionen im Vorjahreszeitraum. Das Ergebnis zum Gesamtjahr 2022 will Varta indes im kommenden April im Rahmen seines Geschäftsberichts veröffentlichen.
Banken haben offenbar Vertrauen
Varta jedenfalls versucht nun mit Blick auf den strauchelnden Aktienkurs händeringend das Vertrauen der Anleger zurückzugewinnen. Erst vor wenigen Tagen sendete das Management hoffnungsfrohe Signale nach außen. Die Aktie sprang daraufhin am Freitag und Montagvormittag etwas nach oben (Stand: 27.03.2023, 9:30 Uhr). Die Verluste aus den Vormonaten konnten damit aber bei weitem nicht wettgemacht werden.
Um was geht es? Varta kündigte an, dass sich der Konzern mit Banken und seinem Mehrheitsaktionär (Montana Tech Components) auf einen umfassenden Umbau geeinigt habe. Dabei soll es unter anderem um eine Anpassung der Produktions- sowie Strukturkosten und Investitionen in Wachstumsbereiche wie Energiewende und Elektromobilität gehen.
Immerhin: Laut Varta-Angaben hat die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG die Restrukturierungsfähigkeit und Wachstumsperspektiven des Batteriespezialisten bestätigt. Voraussetzung hierfür sei das oben erwähnte Kostenprogramm – das sich übrigens auch auf den Personalbestand auswirken soll.
Kapitalerhöhung: mehr Geld für E-Auto-Hoffnung
In einem ersten Schritt hat Varta eine Kapitalerhöhung unternommen und dabei rund 51 Millionen Euro erlöst. Mit dem zusätzlichen Kapital sollen die Investitionen in die Wachstumsfelder gestemmt werden.
Zentral ist hierbei das Engagement rund um die relativ große, sogenannte „V4Drive“-Batteriezelle, die in Elektroautos und Energiespeichern verwendet werden soll. Varta hatte diese bereits 2021 vorgestellt und zwischenzeitlich eine Pilotanlage in Betrieb genommen. Doch das war bis dato das Ende der Fahnenstange.
Den geplanten Fabrikneubau rund um die „V4Drive“-Zelle musste das Management im letzten Herbst wegen des Geschäftseinbruchs vorerst auf Eis legen. Nun sollen die neuen Mittel aus der Kapitalerhöhung dazu beitragen, dass das Projekt doch noch umgesetzt werden kann. Schließlich verspricht sich Varta durch sein Engagement für Technologien der Energiewende hohes langfristiges Potenzial.
Reicht das aus?
Die Börse aber scheint dem Braten nicht wirklich zu trauen – auch wegen der immer noch recht unklaren Geschäftsentwicklung. Zudem ist der Schuldenberg des Konzerns im letzten Jahr wohl deutlich angewachsen. In den ersten neun Monaten 2022 lag der Free Cashflow bei -156 Millionen Euro. Varta hat also jede Menge Geld verbrannt.
Der Markt hat offenbar Zweifel, dass sich die Varta-Story kurzfristig zum Guten wenden wird. Entsprechend gibt es die Befürchtung, dass Varta noch eine Kapitalerhöhung tätigen muss, was den Wert der Aktie wohl erneut in Mitleidenschaft ziehen würde.
Mein Fazit für Sie
Varta wollte viel – schlug im letzten Jahr aber auf dem Boden der Tatsachen auf. Die Aktie ist zwar inzwischen deutlich günstiger. Doch die Geschäftsentwicklung bleibt eine Blackbox. Das Unternehmen muss nun alles daran setzen, neue Kunden für seine kommenden E-Auto-Batteriezellen zu gewinnen, um die Wachstumsperspektive zu schärfen. Sollte es hierzu positive Nachrichten geben, würde das den Aktienkurs wahrscheinlich unterstützen.
Was man dem Konzern zugutehalten sollte: Varta ist seit Jahrzehnten ein international anerkannter Technologieführer im Batteriesektor und verfügt über etliche Patente. Diese grundlegende Stärke ist sogleich der ausschlaggebendste Lichtblick für die Aktie. Varta hat prinzipiell das Zeug, auch bei der Elektromobilität ein gewichtiges Wörtchen mitzureden.
Unterschätzen sollten Sie die Aktie also nicht. Gerade wenn Sie langfristige Renditen anpeilen, könnte das Papier für Sie interessant sein – insbesondere wegen des aktuell immer noch recht schwachen Aktienkurses. Ganz ohne Risiko wäre ein solches Investment aber natürlich nicht. Ein Scheitern des Konzerns lässt sich derzeit leider nicht ausschließen.
Achten Sie jetzt auf den 26. April 2023. Dann wird Varta nämlich seine endgültigen Geschäftszahlen zu 2022 veröffentlichen und wohl auch eine Aussage zur weiteren Entwicklung machen.