Videokonferenzanbieter Zoom kauft deutsches Start-up
Zoom gilt als einer der größten Gewinner der Coronapandemie. Der US-Anbieter für Videokonferenzen ist binnen weniger Monate vom wenig bekannten Nischen-Start-up zum weltweit bekannten Marktführer avanciert.
Zoom: Einer der stärksten Pandemie-Profiteure
Hintergrund ist die stark gestiegene Nachfrage, die sich im beruflichen wie auch im privaten Bereich im Laufe der Pandemie ergeben hat: Geschäftsreisen wurden abgesagt, Konferenzen in den virtuellen Raum verlegt, die Menschen arbeiteten vielfach im Home Office und private Kontakte waren über Monate hinweg nur stark eingeschränkt möglich.
Vom Business-Meeting über das Familientreffen bis hin zum Sportkurs wurde daher auf virtuelle Alternativen zurückgegriffen – und dabei vor allem auf Zoom. Allein im ersten Quartal 2021 konnte das Unternehmen einen Umsatz von deutlich über 950 Millionen Dollar verbuchen – fast 200 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Der Gewinn schoss parallel von 27 auf 227 Millionen Dollar in die Höhe.
Zoom kauft deutschen Übersetzungsspezialisten Kites
Nun bekommt auch ein deutsches Start-up ein Stück vom Kuchen ab: Wie Zoom vor wenigen Tagen bekanntgab, kauft das Unternehmen die Karlsruher Firma Kites (Karlsruhe Information Technology Solutions). Das erst im Jahr 2015 im Umfeld des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) gegründete Unternehmen hat sich auf Echtzeit-Übersetzungen spezialisiert.
Bislang gibt es automatisch erstellte Untertitel in Echtzeit lediglich in englischer Sprache. Kites verspricht nun Instant-Untertitel in der Originalsprache sowie auch die Übersetzung in weitere Sprachen, darunter Deutsch. Zoom will die Technologie, die von Kites selbst entwickelt wurde, in seine Dienste implementieren und somit vor allem für Businesskunden noch attraktiver werden – auch für die Zeit nach der Pandemie.
Standort Deutschland immer beliebter
Die Übersetzung von gesprochener Sprache mittels Software gilt als besonders komplex, da im Gegensatz zu schriftlich vorliegenden Texten Sätze nicht unbedingt korrekt gebaut oder zu Ende geführt werden und auch individuelle Dialekte und Akzente Berücksichtigung finden müssen. Das gilt umso mehr bei Vorträgen, die nicht in der Muttersprache des Speakers gehalten werden.
Die Übernahme von Kites ist unterdessen womöglich nur ein erster Schritt in Richtung Deutschland. Zoom zieht offenbar in Erwägung, ein eigenes Forschungszentrum aufzuziehen. Deutschland scheint als Wirtschaftsstandort für Technologieunternehmen wieder an Attraktivität zu gewinnen: Im brandenburgischen Grünheide entsteht zurzeit der erste Tesla-Standort Europas.
Zoom stärkt Angebot für Zeit nach Pandemie
Mit fortschreitender Impfkampagne kehren zurzeit immer mehr Menschen zurück an den Arbeitsplatz, Home Office wird wieder seltener, Geschäftsreisen nehmen demgegenüber wieder zu. Bis das Vorkrisenniveau wieder erreicht werden wird, dürfte es aber angesichts der nach wie vor grassierenden Virusmutationen noch eine Weile dauern.
Arbeitsmarktexperten gehen außerdem davon aus, dass nicht alle Unternehmen ihre Beschäftigten vollständig ins Büro zurückrufen werden: Da nun die Infrastruktur für umfassende Home-Office-Tätigkeiten geschaffen und etabliert wurde und nicht zuletzt Reisekosten eingespart werden konnten, könnte in vielen Vorstandsetagen ein Umdenken mit Blick auf die Präsenzkultur einsetzen – ausgelöst nicht zuletzt durch Zoom, einen Anbieter, der zugleich auch Profiteur einer solchen langfristigen Entwicklung sein dürfte.
Anleger griffen zuletzt wieder beherzt zu: Die Zoom Aktie hat allein binnen eines Monats rund 20 Prozent hinzugewonnen und kostete am Freitag rund 330 Euro oder 390 Dollar.