Wende: US Notenbank will überraschend oft die Zinsen anheben
Die gestrige Sitzung der US-Notenbank Fed erwartete der Markt mit besonderer Spannung. Denn im Vorfeld hatten die Währungshüter überraschend angekündigt, die starke Inflation jetzt doch ernst nehmen zu wollen und darauf zu reagieren. Die Frage war lediglich noch, wie die Zentralbanker das anstellen wollen. Und da gab es gestern eine Überraschung.
Anleihenkäufe laufen bald komplett aus
Zunächst zum erwartbaren Teil. Die Käufe von Staatsanleihen und Hypothekenpapieren sollen ab Januar um 30 Milliarden Dollar pro Monat reduziert werden. Im November und Dezember war das Volumen der Käufe bereits um 15 Milliarden Dollar pro Monat gesenkt worden.
Bei diesem Tempo dürften die Anleihenkäufe bis Ende März 2022 ganz auslaufen. Beim bisherigen Tempo wären sie erst Mitte 2022 beendet worden. Über die Anleihenkäufe beeinflusst die Notenbank indirekt die Marktzinsen. Also die Zinsen für Anleihen/ Schulden des Staates und von großen Unternehmen. Schulden werden also künftig teurer.
Die Fed hat aber noch eine weitere Stellschraube. Sie kann den Leitzins direkt festlegen. Dieser hat eine wichtige Indikatorfunktion. Auch für Zinsen, die nichts mit dem Anleihenmarkt zu tun haben. Der Leitzins beeinflusst also weit mehr Zinsen als das über die Anleihenkäufe möglich ist. Und hier gab es gestern die eigentliche Überraschung.
Kehrtwende: US Notenbank will jetzt überraschend oft die Zinsen anheben
Zwar wurde der Leitzins gestern noch in der „gewohnten“ Spanne von 0,0 bis 0,25 Prozent belassen. Aber die Fed kündigte gleichzeitig saftige Zinserhöhungen im kommenden Jahr an. Und zwar gleich drei Stück in 2022 und weitere drei in 2023! Jedes Mal um 0,25 Prozentpunkte. Das heißt, wir sehen im kommenden Jahr mindestens um 0,75 Prozent höhere Zinsen und im übernächsten Jahr sogar 1,50 Prozent höhere Zinsen in den USA als heute. Das ist schon eine Hausnummer!
Alleine die Zinserhöhungen des kommenden Jahres könnte vielen hochverschuldeten Unternehmen, die sich an die Nullzinsen gewöhnt haben, wirtschaftlich das Genick brechen.
Die Fed hat keine Wahl mehr zwischen Pest und Cholera
Aber die Notenbank hat keine große Wahl mehr. Sie kann die starke Inflation nur mit Zinserhöhungen bekämpfen. Ohne solche Maßnahmen könnte die gesamte Wirtschaft im Zuge einer Inflationsspirale in den Abgrund gerissen werden.
Mit den Zinserhöhungen träfe es nur den Teil der Wirtschaft, der ohnehin nicht dauerhaft lebensfähig ist. Dazu gehören viele Startups und Technologie-Unternehmen. Die Blase in diesem Sektor dürfte also bald platzen.
Immerhin ist bei der Fed Realismus eingekehrt. Sie erhöhte ihre Inflationsprognosen gestern deutlich. Die sogenannte PCE-Inflationsrate wird für 2021 im Median nun bei 5,3 Prozent (zuvor: 4,2 Prozent) gesehen. Im Jahr 2022 soll die gestraffte Geldpolitik dann wirken. Daher sieht die Fed die PCE-Inflationsrate des Jahres 2022 auf 2,6 Prozent (zuvor: 2,2 Prozent) sinken. Ob das wirklich klappt, werden wir sehen.
Interessanterweise wird im Statement zum gestrigen Zinsentscheid das Adjektiv “vorübergehend” bei der Beschreibung der Inflation (“transitory”) weggelassen. Fed-Chef Jerome Powell hatte zuletzt bereits erklärt, dass diese Bezeichnung nicht mehr angemessen sei. Was angesichts der höchsten Inflationsrate seit 39 Jahren auch plausibel klingt.
Immer mehr Analysten (mich eingeschlossen) sahen die Fed schon seit längerer Zeit “behind the curve” (also in ihrer Reaktion zu langsam). Noch im November lag die US-Inflationsrate bei unglaublichen 6,8 Prozent – dem höchsten Wert seit Juni 1982! Immerhin ist die Notenbank jetzt endlich aufgewacht.
Späte Reaktion der Fed könnte massive Probleme für Wirtschaft und Aktien bringen
Da dieses Aufwachen aber sehr spät kommt, werden die Schäden für die Wirtschaft deutlich größer sein als bei einem frühzeitigen Reagieren etwa im Frühjahr. Die US-Wirtschaft steuert bereits auf einen Abschwung zu. Höhere Zinsen verstärken diesen Prozess weiter.
Ich denke, es läuft darauf hinaus, im kommenden Jahr einen Teil der Wirtschaft zu opfern, damit der Rest überleben kann. Für die Börsen wird das ganz sicher nicht lustig. Auch wenn wir gestern eine Art Erleichterungs-Hüpfer sahen, der sich durchaus noch bis ins neue Jahr fortsetzen kann.
Ich habe allerdings keinen Zweifel daran, dass sich der Aktienmarkt in einer spekulativen Blase befindet. Die Zinserhöhungen der Fed sind die Nadel, die in diese Blase sticht. Die Frage ist lediglich, ob die Luft langsam und kontrolliert entweicht (lange zähe Korrektur). Oder ob der ganze Ballon mit einem lauten Knall platzen wird (Crash).
Auf jeden Fall sollten Sie als Anleger auf fällende Kurse im nächsten Jahr vorbereitet sein.