Walt Disney – Selbst Superhelden sind nicht homophob
Es war nicht viel nötig, um die altehrwürdige, eigentlich bekannt konservative Walt Disney Company in den USA zum neuen Lieblings-Feindbild der republikanischen Partei zu machen. Investoren schauen aber eher auf Umsatz und Gewinn.
Spenden an Republikaner ausgesetzt
Ein eher zahmes Statement von Konzernchef Bob Chapek gegen ein homophobes Gesetz in Florida (wo der Vergnügungspark Disney World beheimatet ist) in Verbindung mit dem vorübergehenden Ende von Parteispenden an die Republikaner reichte aus, um die US-Republikaner wuschig zu machen.
Das könnte längerfristig ernste Auswirkungen auf das Unternehmen haben. So hat der Gouverneur von Florida und wahrscheinliche Präsidentschaftsanwärter der Republikaner für 2024, Ron DeSantis, Disney Ende April mit Wirkung ab 1. Juni 2023 das jahrzehntelange Sonderrecht der Selbstverwaltung für Disney World gestrichen (wobei sich das als teures Eigentor erweisen könnte, weil somit auch Schulden von Disney in Höhe von über einer Milliarde US-Dollar vergesellschaftet werden dürften).
Unfreiwillig Hauptdarsteller im amerikanischen „Culture War”
Der republikanische Rechtsaußen-Senator Josh Hawley hat diese Woche sogar einen – von Experten als offensichtlich verfassungswidrig beurteilten – Gesetzentwurf eingebracht, der Disney durch eine rückwirkende starke Verkürzung der Copyright-Dauer von aktuell 95 auf 56 Jahre auf einen Schlag viele wertvolle Urheberrechte für Klassiker wie „Bambi”, „Dumbo”, „Schneewittchen” oder „101 Dalmatiner” kosten soll (und natürlich auch andere Künstler und Unternehmen treffen würde).
Wie viel davon reines Wahlkampfgetöse vor den “Midterms” im November und damit ohne echte Konsequenzen ist, lässt sich schwer einschätzen. Auf jeden Fall kann Disney aber gute Nachrichten brauchen. Idealerweise könnte der Konzern diese selbst verbreiten, doch die Zahlen für das am 2. April beendete zweite Quartal des Geschäftsjahres 2022 fallen gemischt aus.
Marvel und „Star Wars” befeuern Streaming-Wachstum
Eindeutig auf der Haben-Seite zu verbuchen ist die Entwicklung des Streamingdienstes Disney+. Dieser setzt seinen Wachstumskurs ungebremst fort und kann seine Kundenzahl gegenüber dem Vorquartal um weitere 7,9 Millionen auf 87,6 Millionen steigern. Hinzu kommen 50,1 Millionen Kunden des indischen Disney+ Hotstar. Innerhalb eines Jahres wuchs die Kundenzahl somit um 28 Prozent, wobei der Löwenanteil des Wachstums mit einem Plus von 39 Prozent auf das internationale Geschäft entfällt (Hotstar: plus 42 Prozent), während es in den USA und Kanada „nur” um 19 Prozent nach oben ging.
Gerade im Vergleich zu Marktführer Netflix, der zuletzt erstmals seit mehr als einer Dekade einen Kundenrückgang vermelden musste, sind das beeindruckende Zahlen. Disney+ ist es gelungen, speziell mit seinen enorm populären und meist ganz klassisch im wöchentlichen Rhythmus veröffentlichten Marvel- und „Star Wars”-Serien inzwischen fast das gesamte Jahr zu bespielen und den Fans dieser beiden Franchises somit kaum einen Grund zu einer Abo-Kündigung zu geben.
Umsatz und Gewinn verfehlen die Erwartungen
Während sich das Streaminggeschäft besser als von den meisten Analysten gedacht entwickelte, konnte Walt Disney in Sachen Umsatz und Gewinn die Erwartungen nicht ganz erfüllen. Der Konzernumsatz stieg im Vergleich zum Vorjahresquartal um 23 Prozent auf über 19,2 Milliarden Dollar, erwartet wurden allerdings etwas mehr als 20 Milliarden Dollar. Gleichzeitig verbesserte sich der verwässerte Gewinn je Aktie um 37 Prozent auf 1,08 Dollar, während die Experten im Schnitt von gut 10 Cent mehr ausgegangen waren.
Hauptsächlicher Grund für die verfehlte Umsatzerwartung war eine frühere Beendigung eines Vertrags mit einem Lizenznehmer, die mit 1 Milliarde Dollar negativ zu Buche schlug. Der Nettogewinn sank u.a. wegen deutlicher Steuererhöhungen für den Konzern sowie höherer Kosten um fast die Hälfte auf 470 Millionen Dollar.
Die Anleger ließen die Walt Disney-Aktie im nachbörslichen US-Geschäft zunächst um rund 3 Prozent steigen. Dann gewannen jedoch die Pessimisten die Überhand und der Kurs rutschte deutlich ins Minus. Im deutschen Vormittagsgeschäft steht die Aktie bei rund 96 Euro etwa 5 Prozent niedriger als gestern und damit weit entfernt vom durchschnittlichen Kursziel der Analysten bei etwa 175 Euro.