Politikum: Wie sich Disney in Florida auf dünnem Eis bewegt!
Wohl kaum ein anderer Ort wird so stark mit dem US-Unterhaltungskonzern Disney in Verbindung gebracht wie die Stadt Orlando im Bundesstaat Florida. Dort hatte Konzerngründer Walt Disney in den 70er Jahren den Grundstein für das heutige „Walt Disney World Resort“ gelegt.
Dieser gigantische Komplex umfasst auf mehr als 11.000 Hektar vier Freizeitparks, zwei Wasserparks, dutzende Hotels, Golfplätze, ein Camping-Resort, ein Einkaufszentrum sowie etliche Vergnügungseinrichtungen. Hinzu kommen Straßen, Lagerhäuser und Wohngebäude. Im Bild sehen Sie das ikonische „Cinderella“-Schloss mit Statuen von Walt Disney und Micky Maus im Vordergrund:
Quelle: Disney (Cinderella Castle | Walt Disney World Resort)
Disney in Florida: Staat im Staate
Mit etwa 75.000 Angestellten ist Disney der größte Arbeitgeber Floridas und gleichzeitig so etwas wie ein Staat im Staate. In den 60er Jahren hatte die Politik alles daran gesetzt, den damals aufstrebenden Unterhaltungsgiganten nach Orlando zu locken – mit allerlei Begünstigungen.
So wurde dem Micky-Maus-Konzern in dem Bezirk rund um das „Walt Disney World Resort“ ein Selbstverwaltungsstatus zugesprochen, der nicht nur eine eigene Grundversorgung (z.B. Müllabführ, Wassermanagement, Elektrizität, Sicherheitsdienste, Verwaltung) umfasst, sondern auch steuerliche Vorteile.
Ron DeSantis vs. Micky Maus
Doch nun ist diese Ära zu Ende. Im Mittelpunkt steht, Sie werden es wahrscheinlich ahnen, der republikanische Gouverneur des „Sunshine State“, Ron DeSantis. Der Politiker und das dortige Parlament hatten im letzten Jahr ein Gesetz auf den Weg gebracht, das inzwischen als „Don’t Say Gay Law“ bekannt ist. Das Gesetz besagt, dass in Kindergärten und Grundschulen bis zur dritten Klasse das Thema sexuelle Orientierung verboten sein muss.
Doch dem Unterhaltungsgiganten Disney missfiel diese politische Maßnahme, sprach sich öffentlich dagegen aus, kündigte einen Spendenstopp für politische Parteien an und zog damit den Zorn von DeSantis auf sich.
Inzwischen hat der Republikaner dafür gesorgt, dass Disney seine Selbstverwaltungsrechte für seine Liegenschaften in Florida abgeben musste. Demnach wird für das „Walt Disney World Resort“ künftig ein Aufsichtsgremium etabliert, das sich aus Mitgliedern zusammensetzt, die entweder von DeSantis persönlich oder vom dortigen Senat bestimmt werden.
Steuervorteile ade – Disney stoppt Investition
Dass der Gouverneur, der immerhin als größter Trump-Rivale bei den Republikanern gilt, Disney die Sonderrechte entzogen hat, hat aber nicht nur mit der Kritik am „Don’t Say Gay“-Gesetz zu tun. Vor allem die steuerlichen Bevorteilungen sind DeSantis und übrigens auch anderen politischen sowie wirtschaftlichen Akteuren ein Dorn im Auge. Immer wieder hatte zum Beispiel Floridas Mittelstand gegen den „Special Taxing District“ von Disney lautstark protestiert und Wettbewerbsverzerrungen moniert.
Inzwischen jedenfalls trägt die Anti-Disney-Politik von DeSantis auch operative Früchte. Der Unterhaltungsriese hat erst vor wenigen Tagen angekündigt, den Bau eines großen Mitarbeiterkomplexes im Großraum Orlando zu streichen. Der für die Freizeitparks zuständige Manager Josh D’Amaro begründete die Entscheidung unter anderem mit „erheblichen Veränderungen“ der Geschäftsbedingungen. Ein klarer Seitenhieb gegen DeSantis also.
Aber was heißt das jetzt für Sie als Anleger?
Klar: Der politische Widerstand in Florida setzt die Disney-Aktie unter Druck – und das ausgerechnet in einer Zeit, in der das Park-Geschäft des Micky-Maus-Konzerns endlich wieder auf der Spur ist.
Schauen Sie: 2022 hatte der Unternehmensbereich „Disney Parks, Experiences and Products“ einen Umsatz von 28,7 Milliarden US-Dollar erwirtschaftet und somit wieder deutlich mehr als in den Corona-Jahren 2020 (17,0) und 2021 (16,5). Die Menschen strömen nach Ende der Virus-Restriktionen regelrecht wieder in die beliebten Freizeitparks, und Disney kann über Preiserhöhungen diese hohe Nachfrage in zusätzlichen Gewinn umwandeln.
Eben dieses Profitpotenzial wird nun durch die Aussicht auf höhere Steuern belastet. Natürlich ist Disney breit diversifiziert und an vielen anderen Standorten und Geschäftsbereichen tätig. Entsprechend dürfte der Konzern sein Investitionsengagement nun etwa auf den Heimatbundesstaat Kalifornien verlagern.
Doch das „Walt Disney World Resort“ in Orlando bleibt für den Konzern eine wichtige Geschäftssäule. Allein das „Magic Kingdom“, der wohl bekannteste Freizeitpark des Komplexes, hatte im letzten Jahr rund 57.000 Besucher empfangen – pro Tag. Das entspricht in etwa dem Niveau der Vor-Corona-Zeit. Einfach abschütteln lassen sich die Risikofaktoren in Florida also nicht.
Mein Fazit für Sie
Der Disney-Konzern vertritt seit jeher eine politische Botschaft und bewirbt diese öffentlichkeitswirksam in seinen Serien und Filmen. Diese (mal mehr, mal weniger) klare Positionierung wird dem Konzern in Florida jetzt zum Verhängnis.
Gerade mit Blick auf das hochsensible Thema rund um die Geschlechteridentität gibt es auch im „Sunshine State“ eine erhebliche Polarisierung. Als Anleger sollten Sie jedoch berücksichtigen, dass es bei DeSantis‘ Anti-Disney-Maßnahmen wohl nur vordergründig um ethische Themen geht. Der wirkliche Kern des Ganzen ist laut Beobachtern die bis vor kurzem geltende, steuerliche Bevorteilung Disneys.
Für den Micky-Maus-Konzern hat das auf strategischer Ebene durchaus Vorteile. Denn: Disney gibt sich derzeit alle Mühe, die Debatte um die sexuelle Orientierung in den Vordergrund zu schieben, um sich selbst als liberal zu vermarkten, während die durchaus kritikwürdige Steuerthematik zumindest nach außen hin kaum eine Rolle spielt. Das ist erneut ein kluger Marketing-Schachzug des Unterhaltungsgiganten.
Schaut man sich einige US-Medienberichte zu diesem Thema an, merkt man schnell, dass das Kalkül von Disney zumindest teilweise aufzugehen scheint. Dass Ron DeSantis nun einlenken wird, ist angesichts seiner erzkonservativen Wählerschaft und des anstehenden Wahlkampfs gegen Parteirivale Donald Trump trotzdem unwahrscheinlich.
Disney jedenfalls versucht jetzt über juristische Wege das Ende seines Selbstverwaltungsstatus in Florida anzufechten. Das letzte Kapitel dieser Geschichte ist also noch längst nicht geschrieben.