Wall Street fiebert den Quartalszahlen entgegen

Wall Street fiebert den Quartalszahlen entgegen
Péter Mács / stock.adobe.com
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In dieser Woche beginnt an der Wall Street die hohe Zeit der Quartalsberichte. Den Anfang macht traditionell der Finanzsektor. Für den S&P 500-Aktienindex insgesamt rechnen Analysten fürs zweite Quartal 2022 mit einem durchschnittlichen Gewinnplus von 5,7 %. Ohne die Riesenprofite der Energieunternehmen wird allerdings ein Minus von 3 % geschätzt.

Die meisten Vorreiter haben positiv überrascht

In den letzten Wochen haben die Börsenprofis ihre Prognosen leicht reduziert – von einem Zuwachs um 7,7 % auf aktuell plus 5,7 %.  Die Vorsicht der Analysten eröffnet durchaus Raum für positive Überraschungen. Die Kurserholung an der Wall Street in den letzten Tagen war denn auch zum Teil darauf zurückzuführen, dass die ersten Gesellschaften, die ihre Zahlen bereits gemeldet haben (meistens Unternehmen, deren Geschäftsquartal Ende April oder Ende Mai abgeschlossen wurde), überwiegend mehr verdient haben als erwartet worden war.

18 AGs aus dem S&P 500 haben bis zum Ende der vorigen Woche  Zahlen veröffentlicht, und rekordverdächtige 89 % von ihnen – nämlich 16 Unternehmen – haben bessere Ergebnisse  abgeliefert als es dem Experten-Konsens entsprach.

Öl- und Gaskonzernen werden über 800 % Gewinnzuwachs zugetraut

Mit weitem Abstand die höchsten Steigerungen trauen Analysten den Energiekonzernen zu. Die Gewinn-Meldungen von ExxonMobil, Chevron und Co. sollen in den drei Monaten von April bis Juni durchschnittlich 239 % höhere Erträge ausweisen. Am meisten zu diesen sagenhaften Zuwächsen werden den Prognosen zufolge die Öl- und Gasunternehmen beisteuern, deren Ergebnisse um nicht weniger als 871 % höher als im zweiten Vierteljahr 2021 ausfallen sollen.

Nennenswerte Zuwächse werden sonst nur noch Industriefirmen wie den Autoherstellern (+ 31 %) und Rohstoffaktien (+ 17 %) zugetraut. Die deutlichsten Gewinnrückgänge werden für den Finanzsektor (- 19 %), die Kommunikationsindustrie (- 14 %) und die Versorger (- 12 %) erwartet.

Die Schätzungen der Analysten sind die Richtschnur dafür, wie die Märkte auf die Unternehmensgewinne im zweiten Quartal reagieren. Die Prognosen für die wichtigsten Unternehmen und Branchen sind allerdings in der Regel schon weitgehend in den Kursen enthalten. Denn sie sind keine Geheimnisse mehr.

Wichtiger als die nackten Zahlen werden  deshalb die Ausblicke sein. Angesichts der seit Monaten herrschenden hohen  Unsicherheit bezüglich Konjunktur und Inflation fiebert die Wall Street den Firmenprognosen noch mehr als üblich entgegen. Je mehr Konzernchefs ihren Ausblick auf nächste Quartal und das Gesamtjahr 2022 bestätigen oder sogar erhöhen, desto zuversichtlicher dürfte die Börsenstimmung werden – und natürlich auch umgekehrt.

Die Bewertung des S&P 500 ist nicht mehr übertrieben hoch

Die Kursverluste der letzten Monate bei gleichzeitig weiter verbesserten Unternehmensgewinnen haben dafür gesorgt, dass US-Aktien nicht mehr deutlich überbewertet, sondern in einen normalen Bewertungsbereich eingeschwenkt sind. Das erwartete KGV für die nächsten 12 Monate liegt mit 16,1 nur noch knapp oberhalb des langjährigen Durchschnitts von 15,5.

Das bietet auf der einen Seite Raum für Kurssteigerungen, falls sich die Konjunktur und die Firmenausblicke besser als bisher angenommen entwickeln. Auf der anderen Seite ist aber auch klar: Falls die US-Wirtschaft in eine Stagnation abgleitet oder sogar in eine Rezession abstürzt, werden die Ergebnisschätzungen in den kommenden Quartalen  mit in die Tiefe gerissen. Und dann sind die günstigen aktuellen Aktien-Bewertungen nur noch Makulatur.