Twitter: Der Haken mit dem Haken

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Chaostage bei Twitter: Seit Elon Musk im vergangenen Herbst den Kurznachrichtendienst Twitter aufgekauft und erst einmal tausende Mitarbeiter entlassen hat, befindet sich das Unternehmen auf einer kuriosen Reise ins Ungewisse.

Haken verifiziert Abo-Gebühr – nicht Identität

Besonders prominent zu beobachten ist das dieser Tage am blauen Haken, genauer gesagt einem kleinen weißen Haken auf blauem Grund. Dieser diente bislang der Verifikation prominenter Persönlichkeiten. Sie mussten ihre Identität nachweisen, um den Haken zu erhalten und auf diese Weise sicherzustellen, dass sie selbst hinter dem Account stecken und sich nicht Markus Müller von gegenüber auf Twitter als Barack Obama ausgibt. Kosten fielen dafür für die Nutzer nicht an.

Doch mit der altbewährten Praxis ist nun Schluss. Der blaue Haken wurde einkassiert. Musk hatte bereits vor einigen Monaten angekündigt, dass künftig nur noch zahlende Abonnenten den blauen Haken bekommen sollen. Twitter Blue nennt sich das Modell, eine Identitätsüberprüfung ist dabei nicht vorgesehen, lediglich eine monatliche Abo-Gebühr von derzeit 9,52 Euro je Nutzer. Die Sinnhaftigkeit des Symbols an sich verliert damit erheblich an Relevanz.

Willkürliche Gratishäkchen auch ohne Abo?

Doch es kommt noch besser: Zahlreiche prominente Accounts verloren das Häkchensymbol im April, darunter Profisportler, Hollywoodschauspieler oder Medienschaffende – zugleich aber wurden offenbar kostenlos willkürlich blaue Häkchen an einige Promi-Konten vergeben, die sich zuvor öffentlich gegen die Abo-Ankündigung ausgesprochen hatten. Sie sahen sich nunmehr veranlasst, klarzustellen, dass sie tatsächlich nicht zahlen und sich daher nicht erklären können, woher das Symbol nun kommt, das auch Twitter-Accounts bereits verstorbener Prominenter neuerdings ziert.

Wer in den zweifelhaften Genuss der gratis verteilten Häkchen kam, unterlag offenbar reiner Willkür. Mit dem Häkchen verknüpft ist ein Infotext, der darauf hinweist, die betreffende Person habe Twitter Blue abonniert. Dagegen setzen sich immer mehr prominente Beschenkte nun zur Wehr.

Fake Accounts wird Tür und Tor geöffnet

Die Abkehr vieler Nutzer von Twitter kommt nicht von ungefähr, die Verwässerung des Verifiierungshäkchens ist nur ein Mosaikstein von vielen, der es leichter macht, Fake Accounts zu erstellen, Falschmeldungen zu verbreiten und rechte Propaganda ungefiltert ins Netz zu tweeten. Mit seiner ganz eigenen Vorstellung von Meinungsfreiheit und Zensurkritik hatte Musk seine Übernahmepläne im vergangenen Jahr begründet, er fühlte sich offenbar gegängelt von den Nutzungsrichtlinien der Plattform.

Seit Twitter nun Elon Musk gehört, mehren sich trollende und rechtskonservative Tendenzen ebenso wie Fake News in dem Netzwerk. Allerdings hat sich die Plattform in den vergangenen Jahren zu einem wichtigen Kommunikationsinstrument nicht nur für Prominente und Unternehmen, sondern auch für Regierungen und NGOs etabliert. Wie sie künftig mit Twitter als Medium umgehen, wird wohl ausgelotet werden müssen.

Kehrt Trump zu Twitter zurück?

Während der Präsidentschaft Donald Trumps hatte Twitter für die Außenkommunikation des Weißen Hauses einen ganz neuen Stellenwert erhalten: Trump zog es vor, seine Meinung zu twittern anstatt Social Media Aktivitäten lediglich als Begleitprogramm offizieller Statements zu nutzen, wie es in der Politik sonst üblich ist. Offizielle Meldungen werden normalerweise durch Pressekonferenzen veröffentlicht, Trump führte nicht nur in diesem Zusammenhang bisherige Standards ad absurdum.

Trump selbst, dessen Twitter-Account kurz nach dem Sturm seiner Anhänger auf das Kapitol im Januar 2021 gesperrt wurde, könnte mittlerweile zu der Plattform zurückkehren. Musk hat ihn dazu eingeladen, doch Trump ziert sich bislang und bleibt seinem selbstgegründeten Format Truth Social treu. Dorthin war ihm jedoch nur ein kleiner Teil seiner Twitter-Follower gefolgt. Insofern ist nicht ausgeschlossen, dass auch Trump zu Twitter zurückkehrt, sollte er tatsächlich von den Republikanern erneut als Kandidat für die kommende US-Präsidentschaftswahl aufgestellt werden.

Werbekunden springen ab – Twitter vor Insolvenz?

Für Twitter als Unternehmen entwickelt sich die Übernahme durch die Privatperson Elon Musk zunehmend zum Desaster. Nicht nur haben viele namhafte Accounts ihre Nutzerkonten gelöscht oder ihre Aktivitäten stark eingeschränkt, auch etliche Werbepartner sind inzwischen abgesprungen.

Werbeeinnahmen bildeten – wie bei vielen Social Media Plattformen – bislang die Haupteinnahmequelle für Twitter. Ob die nun gerissene Lücke sich durch die neuen Abo-Einnahmen kompensieren lässt, bleibt zweifelhaft.

Musk selbst hatte bereits kurz nach der 44 Milliarden Dollar schweren Übernahme davon gesprochen, dass sich Twitter in wirtschaftlich schwieriger Lage befinde – und eine Insolvenz des Unternehmens nicht ausgeschlossen, sollte es im Jahresverlauf 2023 nicht gelingen, die Einnahme- und Kostenstruktur in den Griff zu bekommen.