Biontech Impfstoff: Wann ist Deutschland dran?

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Es werde nicht angehen, hatte der Gesundheitsminister noch vor wenigen Wochen versprochen, dass ein in Deutschland entwickelter Impfstoff zuerst im Rest der Welt zugänglich gemacht werde und Deutschland als letztes an die Reihe komme.

Im Zuge des Zulassungsantrags der Mainzer Firma Biontech und ihrem Kooperationspartner Pfizer war die Hoffnung auf einen schnell verfügbaren Impfstoff in der Welt und mit ihr das Klammern an eine verheißungsvolle Zukunft ohne Lockdown und mit mehr Normalität.

Lockdown in Deutschland, Impfen in London

Stattdessen geht Deutschland nun von morgen an in den nächsten Lockdown, nach dem Frühjahr wird es zum zweiten Mal einer der härteren Sorte sein, auch Schulen, Kitas und Geschäfte werden geschlossen, mit wenigen Ausnahmen zur Deckung des täglichen Bedarfs.

Parallel wird in anderen Ländern bereits fleißig drauflos geimpft. Großbritannien, Kanada und die USA haben dem Biontech-Pfizer-Impfstoff jeweils eine Notfallzulassung erteilt und konnten dadurch bereits anfangen mit ihren Massenimpfungen.

Was im Vereinigten Königreich gern als Brexit-Erfolg glorifiziert wird, hätte tatsächlich jedem EU-Staat offen gestanden: Jeder hätte dem Impfstoff auf eigene Faust eine Notfallzulassung geben und mit den Impfungen beginnen können. Man hat sich stattdessen auf eine gemeinsame europäische Zulassung im Normalverfahren verständigt – und dabei unterschätzt, wie langsam die Mühlen in Europa selbst bei solch pressierenden Dingen mitunter mahlen.

Jetzt noch eine Notfallzulassung zu erteilen, ist hingegen nicht sinnvoll. Zudem machte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn dieser Tage Hoffnung auf eine Verfügbarkeit der ersten Impfdosen noch vor Weihnachten. Bislang war diesbezüglich stets der 29. Dezember im Gespräch.

Gefühlte Sicherheit durch längeren Prüfprozess?

Ein gewichtiges Argument für den längeren Zulassungsprozess ist der psychologische Effekt: Eine breit angelegte Impfkampagne ist nur dann sinnvoll, wenn sich auch tatsächlich ein Großteil der Bevölkerung zu einer Impfung entschließt. Eine Pflicht hierzu hatte die Bundesregierung stets vehement ausgeschlossen.

Um sich freiwillig einen Impfstoff injizieren zu lassen, der von Entwicklungsbeginn bis zur Zulassung nicht einmal ein Jahr in den Laboren und klinischen Studien verbracht hat, braucht es Vertrauen. Vertrauen nicht nur in die Wirksamkeit des Impfstoffs gegen die Covid-19-Erkrankung, sondern auch in die Sicherheit, etwa im Hinblick auf mögliche Nebenwirkungen oder Langzeitfolgen. Hierzu liegen in der Kürze der Zeit noch keine finalen belastbaren Ergebnisse vor, wie bei jedem neuen Medikament kann es also auch hier noch mit monatelanger Verzögerung neue Warnhinweise geben.

Für eine Rückkehr zur gesellschaftlichen Normalität ohne Lockdown, Grenzschließungen und dergleichen mehr braucht es jedoch eine gewisse Herdenimmunität. Um diese zu erreichen, müssen mindestens 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung geimpft sein. Ob das bis Ende 2021 gelingen wird, ist derzeit kaum absehbar. Auch viele Menschen, die sonst gegen alles Mögliche geimpft sind, legen in diesem Fall eine gewisse Skepsis an den Tag.

Spahn macht Hoffnung

Gerade deswegen war es der EU wichtig, auf das länger dauernde, reguläre Zulassungsverfahren zu setzen, um noch einmal die vorliegenden Daten genauer unter die Lupe zu nehmen, anstatt sie einfach durchzuwinken. Der Impfstoff wird jedoch auch in zwei Wochen derselbe sein, wie er in London und anderswo bereits tausendfach verimpft wird.

So müssen sich Spahn und die anderen Regierungsmitglieder nun eben doch die Frage gefallen lassen, warum ein in Deutschland entwickelter Impfstoff hierzulande vergleichsweise spät zur Verfügung stehen wird.

Immerhin: Bald soll es soweit sein, noch vor dem Jahreswechsel, da ist man zuversichtlich, auch wenn Biontech und Pfizer ihre Produktionszusagen zuletzt drastisch nach unten korrigieren mussten. Hoffnung macht immerhin, dass sich auch zwei weitere Impfstoffe im Zulassungsprozess befinden. Schon bald könnten also drei Präparate zur Verfügung stehen, weitere werden folgen. Spätestens zum neuen Jahr wird dann wohl auch in Deutschland losgeimpft.

Anleger machen Kasse

Die Aktien von Biontech und Pfizer haben unterdessen zum Wochenauftakt Federn gelassen. Nachdem sich die Biontech Aktie im Jahresverlauf nahezu verdreifacht hat, stand Pfizer vor zwölf Monaten höher im Kurs.

Kurzfristige Impulse konnten beide Firmen aus dem Umstand ziehen, als erste einen Impfstoff zur Zulassung angemeldet zu haben. Die Konkurrenten Moderna und AstraZeneca folgten jeweils in den beiden darauffolgenden Wochen. Da die Konkurrenzprodukte leichter zu lagern und somit auch besser zu transportieren sind als der temperaturempfindliche Biontech/Pfizer-Wirkstoff, hat dies den Kurs beider Unternehmen zuletzt wieder etwas belastet.