Netflix – Erster Abonnenten-Rückgang verschreckt Anleger
Die Rückschläge für den Streamingdienst-Pionier Netflix werden häufiger. Nun sind Investoren erheblich verunsichert. Die Aktien sind im freien Fall.
Enttäuschende Prognose für das erste Quartal
Zunächst sorgte im Januar eine von Branchenexperten und Investoren als enttäuschend wahrgenommene Prognose für das erste Quartal des Geschäftsjahres 2022 (Q1) für einen heftigen Kurseinbruch. Im März ging man trotz vieler Nominierungen vor allem für das Westerndrama “The Power of the Dog” als großer Verlierer aus der OSCAR-Verleihung hervor.
Und nun wird in Q1 auch noch die bereits sehr verhaltene Prognose deutlich unterboten, es gibt sogar den ersten Rückgang der Abonnenten-Zahlen seit mehr als zehn Jahren! Kein Wunder, dass der Aktienkurs im Vormittagshandel erneut um mehr als ein Viertel einbricht und mit nur noch rund 240 Euro inzwischen weit von seinem pandemiegetriebenen Höchststand bei fast 600 Euro im Oktober 2021 entfernt ist.
Umsatzwachstum unter den Erwartungen, Gewinn überzeugt
Der Netflix-Umsatz in Q1 stieg zwar im Vorjahresvergleich um 9,8 Prozent von 7,16 auf 7,87 Milliarden US-Dollar, verfehlte damit aber die durchschnittlichen Erwartungen der Analysten, die mit fast 8 Milliarden Dollar gerechnet hatten. Die Zahl der weltweiten Abonnenten, bei der das Management von Netflix in seiner Prognose selbst nur mit einem verhaltenen Anstieg um 2,5 Millionen gerechnet hatte, fiel sogar um rund 200.000 auf 221,6 Millionen – der erste Quartalsrückgang seit 2011.
Positiv überraschte dagegen der Gewinn je Aktie, der mit 3,53 Dollar nur leicht unter dem Vorjahreswert von 3,75 Dollar lag und zugleich weit über den von Analysten berechneten knapp 3 Dollar.
Weiterer Nutzerrückgang befürchtet, Gegenmaßnahmen eingeleitet
Gar nicht gut kam auch der Ausblick an, dass man im zweiten Quartal 2022 sogar mit einem noch stärkeren Abonnenten-Verlust von zwei Millionen rechnet. Immerhin: Das Management kann die besorgniserregende Entwicklung gut begründen und hat bereits Gegenmaßnahmen in die Wege geleitet, die für eine Trendumkehr sorgen sollen.
Der Rückgang der Nutzerzahlen lässt sich einerseits durch die Einstellung des Russland-Geschäfts als Folge des Ukraine-Kriegs erklären, die das Unternehmen etwa 700.000 Abonnenten kostete. Des Weiteren bleibt das unerlaubte Accountsharing ein großes Problem für Netflix, das von mindestens 100 Millionen Haushalten ausgeht, die auf diese Weise das Bezahlen umgehen.
Das ist bis zu einem gewissen Grad ein hausgemachtes Problem, da Netflix das Accountsharing bis dato sehr offensiv duldete. Als Pionier konnte man sich das lange leisten, doch angesichts immer stärkerer Konkurrenz durch Amazon Prime Video, Disney+, Apple TV+ oder HBO Max sowie lokale Streamingdienste rächt sich die jahrelange laxe Einstellung zu dieser Thematik inzwischen – zumal Preiserhöhungen auf vielen Märkten den Anreiz zum Accountsharing noch erhöhen.
Dagegen will man vorgehen, indem man einerseits stärker kontrolliert, ob jemand illegal auf ein Nutzerkonto zugreift, dessen Besitzer nicht im gleichen Haushalt wohnt. Andererseits soll ein neuer Tarif eingeführt werden, der es gegen einen vergleichsweise geringen Aufpreis gestattet, das Konto mit jemandem außerhalb des Haushalts zu teilen. Aktuell wird dieser Tarif bereits in drei kleineren Märkten getestet.
Selbst die von Vorstandschef Reed Hastings jahrelang klar abgelehnte Einführung eines günstigeren, zum Teil werbefinanzierten Tarifs scheint kein Tabu mehr zu sein. Wie erfolgreich diese Maßnahmen sein werden, lässt sich naturgemäß schwer einschätzen. Klar dürfte aber sein: Die beste Methode, weitere zahlende Kunden anzulocken, ist und bleibt für Netflix die Produktion hochwertiger Filme und Serien, über die man spricht …