Microsoft, Open AI und ChatGPT: Eine gefährlich lukrative Mischung
Vor einem Jahr hat ein bis dahin recht unbekanntes Start-up aus der US-Technologiebranche ein Programm der Öffentlichkeit vorgestellt, das seither für Hoffnungen, Befürchtungen und vor allem Schlagzeilen sorgt: ChatGPT.
Gefahr von Deep Fakes nimmt zu
Der Chatbot basiert auf künstlicher Intelligenz und ist imstande, Texte zu verfassen, bei denen auf den ersten Blick nicht erkennbar ist, ob sie von Mensch oder Maschine geschrieben wurden. Nicht nur an Bildungseinrichtungen wie Schulen und Universitäten fürchtet man nun vermehrten Betrug bei schriftlichen Ausarbeitungen. Auch „Deep Fakes“ sind längst Realität.
Bilder, Fotos, Videos oder Sprachnachrichten lassen sich durch künstliche Intelligenz schon jetzt auf eine Weise kreieren, dass der rein virtuelle Ursprung für den Laien nicht zu entschlüsseln ist. Kritiker warnen vor verheerenden Folgen, etwa im Kontext von Desinformationskampagnen in Wahlkämpfen oder militärischen Auseinandersetzungen. Auch die von Science-Fiction-Autoren seit Langem erdachten Horrorszenarien, wonach sich eine KI am Ende gegen die Menschheit richten und diese vernichten könnte, wird von Kritikern als nicht auszuschließendes Szenario beschrieben.
Risikobewusstsein oder Profitstreben?
Es gilt also, die mit der KI einhergehenden Risiken sorgsam abzuwägen – oder sollte der Fokus der Firma Open AI, die den Chatbot ChatGPT entwickelt hat, doch eher darauf liegen, diese bahnbrechende Innovation möglichst lukrativ zu monetarisieren?
Darüber ist firmenintern ein Streit entbrannt, der in der vergangenen Woche eine kuriose Abfolge von News-Meldungen im Wirtschaftsressort ausgelöst hat: Zunächst wurde Open-AI-Chef Sam Altman vom Verwaltungsrat geschasst, dann hieß es, er wechsle zu Microsoft – der Softwarehersteller hält 49 Prozent der Anteile an Open AI –, doch binnen weniger Tage kehrte Altman als CEO zu Open AI zurück. Zu groß war der Druck von Angestellten und Aktionären gewesen: Hunderte Beschäftigte hatten damit gedroht, die Firma zu verlassen und ebenfalls zu Microsoft zu wechseln, um dort eine neue KI-Abteilung unter der Leitung Altmans aufzubauen.
Altman setzt sich durch
Mit der Rückkehr Altmans ging ein Umbau des Verwaltungsrats einher: Diejenigen, die ihn zuvor entlassen hatten, mussten nun ihrerseits den Hut nehmen. Altman, der als Verfechter der Kommerzialisierung von KI im Allgemeinen und ChatGPT im Speziellen gilt, hat damit seine Position letztendlich gestärkt.
Zugleich zeigt der Fall jedoch auch die Anfälligkeit einer ganzen Branche: Wenn ein Unternehmen steht und fällt wegen einer einzelnen Person an der Spitze, ist das durchaus bedenklich. Gerade im Silicon Valley mit seiner technologieaffinen Start-up-Szene ist es jedoch nicht selten, dass junge Unternehmen stark mit ihren Gründern identifiziert werden – und auch der Richtungsstreit zwischen Weltverbesserern, die pro bono Gutes für die Menschheit leisten wollen, und jenen Jungunternehmern, denen es vor allem ums schnelle Geld geht, ist nicht neu.
Microsoft Aktie auf Rekordniveau
Profiteur des jüngsten Hickhacks sind vor allem Microsoft und seine Anleger: Die Aktie des Tech-Riesen konnte im Zuge des Führungstheaters in der vergangenen Woche kräftig zulegen und ist seit Beginn des Jahres inzwischen gut 50 Prozent gestiegen. Zuletzt markierte der Kurs ein neues Allzeithoch.
Der Grund zur Freude der Anleger liegt vor allem in der entschlossenen Reaktion von Microsoft und CEO Satya Nadella: Dass der Konzern Altman und seiner Mannschaft nach dem Rauswurf umgehend anbot, bei Microsoft einzusteigen, verdeutlicht Experten zufolge, wie ernst man das Thema KI bei Microsoft grundsätzlich nimmt.
Analysten sehen weiter Luft nach oben
Am späten Dienstagnachmittag notierte die Microsoft Aktie bei gut 382 US-Dollar. Analysten sehen trotz der jüngsten Rally das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht: Etliche Experten bekräftigten zuletzt ihre Kaufempfehlungen, die Kursziele bewegen sich mit 385 Dollar (JP Morgan) bis 406 Dollar (Bernstein Research) noch etwas über der aktuellen Notierung. Besonders optimistisch zeigten sich zuletzt Analysten von Goldman Sachs, die das Kursziel mit 450 Dollar satte 17 Prozent über dem derzeitigen Kurs sehen.
Mit seinen Ende Oktober vorgelegten Quartalszahlen konnte Microsoft ebenfalls punkten: Der Umsatz legte im Zeitraum von Juli bis Ende September im Vergleich zum Vorjahresquartal um fast 13 Prozent zu, der Gewinn je Aktie stieg von 2,35 auf 2,99 Dollar.